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Gehirnerschütterung, Diskussionen, NFL-Anpassung: Die Akte Tua Tagovailoa

Quarterback der Miami Dolphins muss aussetzen

Gehirnerschütterung, Diskussionen, NFL-Anpassung: Die Akte Tua Tagovailoa

Steht gerade im Mittelpunkt einer neuerlichen Diskussion bezüglich Kopfverletzungen: Tuanigamanuolepola "Tua" Tagovailoa.

Steht gerade im Mittelpunkt einer neuerlichen Diskussion bezüglich Kopfverletzungen: Tuanigamanuolepola "Tua" Tagovailoa. IMAGO/USA TODAY Network

Das aktuelle Kapitel bezüglich Gehirnerschütterungen in der NFL, die bekanntermaßen bei häufigem Vorkommen bei den (Football-)Sportlern im mittleren bis hohen Alter zur schlimmen Krankheit CTE (chronisch traumatische Enzephalopathie) führen können, trägt die Überschrift Miami Dolphins und Tuanigamanuolepola "Tua" Tagovailoa. Postmortal ist die degenerative Krankheut bereits bei über 30 ehemaligen NFL-Profis nachgewiesen worden.

Der 24-jährige Fins-Quarterback nun, im Draft 2020 an fünfter Stelle gezogen und seither oft mit Verletzungen nicht im Vollbesitz seiner Kräfte, spielt seit Saisonbeginn quasi um seine letzte Chance, langfristig als Starter in der NFL an den Start zu gehen. Und dieses vielleicht letzte Vertrauen der Dolphins-Bosse, ehe sich bei weiteren schwachen Leistungen nach einem neuen Spielmacher umgeschaut werden würde, nutzt Tua bislang eindrucksvoll. Zusammen mit seinen beiden Star-Receivern Jaylon Waddle und Tyreek Hill, die mit ihrer famosen Schnelligkeit das vertikale Spiel auf ein neues Level heben, liefert der in Hawaii geborene Profi mächtig ab.

In seinen bisherigen vier Saisonspielen - nach dem starken 3:0-Start haben er und Miami zuletzt zum Auftakt von Week 4 mit 15:27 bei den Cincinnati Bengals verloren - steht der junge Athlet bei fast 70 Prozent Passquote, 1035 erreichten Passing Yards und acht Touchdowns. Auch die Fehler - drei Interceptions - halten sich sehr in Grenzen. Zum Vergleich: 2021 hatte Tua in 13 Partien 16 Touchdown-Pässe bei zehn Interceptions.

Ein Arzt erteilt die Freigabe - und wird gefeuert

Die Frage, die sich aber derzeit stellt: Warum hat der Quarterback in allen vier Partien gespielt? Hätte er nicht von der Liga zurückgehalten werden müssen?

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Hintergrund: Beim äußerst knappen 21:19 gegen die Buffalo Bills in Week 3 ist Tagovailoa kurz vor dem Ende des zweiten Viertels mit Verdacht auf eine Gehirnerschütterung vom Platz gegangen. Zuvor hat er einen harten Hit auf den Hinterkopf einstecken müssen. Genauer gesagt ist der Anführer der Fins-Offense nach einem Pass auf Waddle von Bills-Linebacker Matt Milano leicht geschubst worden und dann unglücklich auf seinen Hinterkopf gefallen. Nach dem Aufstehen, das haben die Bilder eindeutig für jeden Zuschauer belegt, hat Tua dann gewankt und das Gleichgewicht verloren.

Miami hat den Spieler dann zunächst auf den Status "fraglich" eingestuft, zur zweiten Halbzeit ist der Quarterback aber wieder auf den Platz zurückgekommen. Probleme sind ihm im weiteren Verlauf dann keine anzusehen gewesen. Komisch hat das aus neutraler Sicht und auch aus der von Experten aber schon angemutet, zumal die Dolphins den Spielmacher später etwa mit ausgemachten Rückenproblemen vom Training etwas geschont haben - nur um ihn wenige Tage später von Beginn an aufs Feld bei den Bengals zu schicken.

Schon hier sind Stimmen laut geworden, dass Tagovailoa gar nicht hätte auflaufen dürfen. Doch auch dank eines unabhängigen Arztes, der bei Aufnahme eines Profis ins sogenannte "concussion protocol" inzwischen obligatorisch eingeschaltet wird und in diesem Fall die Freigabe für das Match in Cincinnati erteilt hat, durfte Tua am Ende spielen.

Wie ESPN unter Berufung auf "mehrere Quellen" inzwischen berichtet hat, ist der als unabhängig deklarierte Neurologe gefeuert worden. Es hätte sich herausgestellt, dass der medizinische Berater "mehrere Fehler" bei seiner Untersuchung gemacht hätte.

NFL ändert die Regeln

Das doppelt Bittere an dem Fall: Der Spielmacher Miamis hat beim Duell mit den Bengals erneut einen heftigen Hit abbekommen und sich bei einem "Slam" gen Boden eine Kopf- sowie Nackenverletzung zugezogen und ist mit zunächst komischer Körper- sowie Fingerhaltung nach langer Behandlung abtransportiert worden - erneute Aufnahme ins "concussion protocol" inklusive.

Eine schnelle Rückkehr wird es dieses Mal nicht geben. Der derzeitige Zustand des Akteurs macht laut Head Coach Mike McDaniel einen Einsatz bei den New York Jets am kommenden Sonntag (19 Uhr MESZ) unmöglich. Wann es zur Rückkehr kommen kann, ist offen. Der Cheftrainer hat aber klargestellt, dass ihm die Gesundheit seiner Spieler stets am wichtigsten sei - und er sich aber nicht einmischt in solche Prozesse wie beim "concussion protocol". "Hier gibt es Experten mit jahrelanger Erfahrung, denen ich vertraue. Da mische ich mich nicht ein."

Tuanigamanuolepola "Tua" Tagovailoa

Hätte gegen Buffalo wohl nie zurückkehren und in Cincinnati erst gar nicht auflaufen dürfen: Tuanigamanuolepola "Tua" Tagovailoa. IMAGO/Icon Sportswire

Darüber hinaus hat auch die in diesem Fall nach etlichen deutlichen Äußerungen von Trainern, Experten und US-Medien unter Druck geratene Liga Maßnahmen ergriffen. Zwar soll etwa Tua selbst auch noch zu den ganzen Vorkommnissen gehört werden, doch dass sich etwas ändern müsse am aktuell praktizierten System, das steht fest. Das haben die NFL und die Spielergewerkschaft NFLPA in einer Erklärung bereits festgezurrt: "Die NFL und die NFLPA sind sich einig, dass Änderungen am 'Concussion Protocol' erforderlich sind, um die Sicherheit der Spieler zu verbessern."

Zum Thema: NFL greift nach Tagovailoas Kopfverletzung durch

Und weiter: "Das 'Mackey-White Health & Safety Committee' der NFLPA und das 'Head Neck and Spine Committee' der NFL haben bereits Gespräche über die Verwendung des Begriffs 'Grobmotorische Instabilität' aufgenommen. Wir gehen davon aus, dass in den kommenden Tagen Änderungen am Protokoll vorgenommen werden, die auf den bisherigen Erkenntnissen des Überprüfungsprozesses basieren."

Die sogenannte "Grobmotorische Instabilität" ist bislang eine Art Schlupfloch gewesen. Bis dato ist ein Spieler, der eine solche Instabilität aufzeigt, auf eine Gehirnerschütterung untersucht worden. Sollten die Ärzte aber zu dem Schluss kommen, dass diese Instabilität keine neurologische Ursache hat, kann der Spieler auf den Platz zurückkehren. Was in diesem Fall womöglich passiert ist.

mag

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