Bundesliga

Schalkes neue Dampfmacher

Nach dem Rücktritt des Schalker Machers Rudi Assauer soll sich ein neues Anspruchsdenken breit machen.

Schalkes neue Dampfmacher

Rudi Assauer hat abgedankt, Peter Peters, Andreas Müller und Josef Schnusenberg (v.li.) müssen und wollen sich nun profilieren.

Peter Peters, Andreas Müller und Josef Schnusenberg (v.li.) wollen sich profilieren. imago

Das Fernsehen zeigte nicht die Fans, die sich in Briefen oder im Internet erleichtert äußerten. Die glaubten, dass nun Ruhe reinkomme in den Verein. Dass Schalke, wie Aufsichtrats-Chef Clemens Tönnies es vorgab, nun zeitgemäßer, professioneller werde.

Das Fernsehen zeigte ein verzerrtes Bild - und die verbliebenen Schalker Chefs waren darüber nicht überrascht. "Das lief doch schon seit zwei Jahren so", sagt Andreas Müller, Assauers Nachfolger als Manager, "wir haben immer deutlicher für die Öffentlichkeit dargestellt, dass Rudi nicht der alleinige Macher ist, dass hier ein Team arbeitet. Aber das wollte draußen doch keiner hören. Für viele Leute gab es immer nur Assauer, den Boss, egal, wie das Tagesgeschäft wirklich ablief."

Jetzt gibt es auf Schalke keinen Assauer mehr. Dafür aber einen gespaltenen Klub. Das eine Lager: Pessimisten, die glauben, dass es ohne Assauer nicht funktioniert. Das andere Lager: Optimisten, die erwarten, dass vieles besser wird.

Das Schutzschild Assauer ist weg. Jetzt müssen wir uns messen lassen.

Andreas Müller

Gemeinsam haben sie, dass sie mit Argusaugen auf die neuen Macher blicken, die ohne Zigarre den Laden positiv unter Dampf halten wollen. Müller, der Manager. Peter Peters, der Geschäftsführer. Josef Schnusenberg, der Finanzchef. Ihr Ziel: "Schalke muss wieder eine Einheit werden. Hier muss wieder eine positive Stimmung rein."

Was war das für ein Theater in den vergangenen beiden Jahren. Der Heynckes-Flop. Die Rangnick-Demontage. Die Finanz-Affäre. Das Assauer-Aus. Und viele Schlagzeilen. "Dabei wurden wir Zweiter und Vierter", sagt Müller, "zwei so gute Platzierungen in Folge gab es für Schalke nie. Das war der Schritt auf ein höheres Niveau. Nur: Wir haben uns in zu vielen Aussagen zu schlecht dargestellt."

Schalkes neuer Manager Andreas Müller hat ehrgeizige Ziele.

Schalkes neuer Manager Andreas Müller hat ehrgeizige Ziele. imago

Vor allem damit soll nun Schluss sein. Schalke nach der Ära Assauer: Die neuen Macher sprechen nicht von Neustart, aber von Korrekturen. Müller: "Wir haben mit Rudi eine Super-Basis geschaffen. Aber für Schalke ist mehr möglich. Wir haben die Qualität, um größere Ziele anzupacken. Die ganze Unzufriedenheit, die hier zu spüren ist, kommt doch vor allem daher, weil jeder merkt, dass mehr möglich ist."

Das neue Schalke: Das ist vor allem ein neues Selbstwertgefühl. Wo Assauer, lange Zeit zu Recht, mahnte, dass man bei allem Ehrgeiz nicht vergessen dürfe, wo "der Popelklub Schalke04 vor wenigen Jahren herkam", soll sich ein neues Denken durchsetzen: Wir sind wer. Wir wollen was. Und werden uns nicht mehr selbst behindern.

Mit der Arena und dem Umfeld haben wir Großes aufgebaut.

Peter Peters

"Es gibt klare Verhaltensregeln", sagt Müller, "vom Vorstand bis zu den Spielern. In der Vereinsführung sind die Aufgaben klar abgesteckt, jeder wird sich künftig nur noch für seinen Bereich äußern."

Ob es deshalb ein Glücksfall ist, dass die Überfigur Assauer weg ist, die stets unabhängig von Tagesform und Aufgabengebiet zu allem befragt wurde? Müller schweigt eine Weile. Dann sagt er: "So schade und schmerzhaft dieser Abgang für Rudi persönlich ist - für Schalke ist es eine Chance, nun anders wahrgenommen zu werden."

Hohe Ziele und vor allem Titel im Blick: S04-Geschäftsführer Josef Schnusenberg.

Hohe Ziele und vor allem Titel im Blick: S04-Geschäftsführer Josef Schnusenberg. imago

Jedoch: Jede Chance birgt Risiken. Das weiß auch die neue Führungscrew. "Wenn es sportlich vielleicht mal nicht optimal läuft, werden einige das sofort nutzen, um uns zu attackieren", sagt Schnusenberg. Schalke bleibt ein Fußball-Verein - in erster Linie von Ergebnissen abhängig. Deshalb wird der zuletzt enorm verstärkte Kader mehr denn je in die Pflicht genommen. Es ist Müllers Mannschaft. Von Bordon bis Lincoln, von Rafinha bis Lövenkrands - es sind seine Transfers. Und Mirko Slomka ist sein Trainer. Das Endziel dieser Personalentscheidungen packt der Manager in ein Wort: "Meisterschaft!"

"Fast alle Spieler, die seit 2004 zu uns kamen, haben gesagt, dass sie zu Schalke wechseln, um Meister zu werden", betont Müller. "Jetzt sollen sie mir ins Gesicht sagen, was sie in der neuen Saison wollen. Sie sollen sich in der Kabine ihren Nebenmann anschauen, den ganzen Kader. Und dann sagen: Reicht das für Platz vier? Oder wollen wir mehr?" Und wenn die Mannschaft das Ziel Meisterschaft ausgibt? "Herzlich gerne", sagt der Manager, "dann sind sie auch in der Pflicht, vom ersten Tag an alles dafür zu geben. Dann können wir sie ständig packen und hinterfragen, ob alles nach Plan läuft. Und sie können das auch untereinander tun. Dann geht es nur mit Leidenschaft, Teamgeist und Disziplin. Und wenn wir nach einer tollen Saison nur Zweiter oder Vierter werden, weil andere besser waren, soll jeder gesehen haben, dass wir alles gegeben haben."

Wir tragen die Verantwortung dafür, dass es mit Schalke04 jetzt weitergeht.

Andreas Müller

Große Worte. Doch Müller weiß, dass er nicht zum Phrasendrescher verkommen darf: "Wir wollen kein Rede-Weltmeister werden. Wir wollen möglichst bald die Meisterschale. Dafür muss sich jeder Spieler dem Team unterordnen. Hier darf kein Spieler mehr vorzeitig aus dem Stadion gehen. Wer sich selbst wichtiger nimmt, ist auf Dauer hier falsch. Und wenn ein Spieler murrt, der mal auf der Bank sitzt, soll er sich fragen: Will ich 30 Einsätze und Fünfter werden? Oder 22 Einsätze und dieses Erlebnis, mit Schalke oben zu landen? Wir sind sicher: Diese Mannschaft lechzt danach, so rangenommen zu werden."

Oft war das anders. Ein "Leverkusen-Syndrom". Müller: "Wenn das Ziel Platz eins bis drei hieß, und wir waren nach 25 Spielen Zweiter - dann kam diese Stimmung auf: Alles im Lot, selbst wenn wir verlieren, sind wir noch Dritter. Aber der Kader, der ganze Klub hat jetzt ein höheres Niveau: Jetzt muss der Wille her, ganz oben anzugreifen. Raus aus dem alten Trott!"

Schalkes neue Dampfmacher. "Mit der Arena und dem Umfeld haben wir Großes aufgebaut", sagt Peters, "wir haben auch bewusst stark in die Mannschaft investiert. Wir sind überzeugt, dass es richtig war. Nicht verrückt. Nicht riskant. Sondern ehrgeizig."

"Mit der Arena und dem Umfeld haben wir Großes aufgebaut" - Peter Peters.

"Mit der Arena und dem Umfeld haben wir Großes aufgebaut" - Peter Peters. imago

Schalke - das Jahr eins ohne Assauer. "Der Schutzschild ist weg", weiß Müller, "viele haben gesagt: Ihr habt es doch einfach. Wenn es nicht läuft, kriegt das der Assauer ab. Jetzt müssen wir uns messen lassen. Wir wollen unsere Ziele erreichen, ohne die Basis aufzugeben, diese Identifikation der Leute mit dem Klub."

Ein Bruch stehe Schalke deshalb nicht bevor. Müller: "Der Rückzug von Rudi Assauer war ja in anderer Form lange vorbereitet. Überraschend war nur, wie es nun ablief. Dafür sind wir im Vorstand aber nicht verantwortlich. Aber: Wir tragen die Verantwortung dafür, dass es mit Schalke04 jetzt weitergeht."

Jean-Julien Beer