Bundesliga

Das Jahr nach Marcelinho

Hertha BSC Berlin

Das Jahr nach Marcelinho

Neu: Christian Gimenez soll im Sturm für Aufregung sorgen.

Neu: Christian Gimenez soll im Sturm für Aufregung sorgen. imago

Kommen & Gehen:

Hertha hat kräftig ausgemistet. Mit Marcelinho (31) ging die zentrale Figur zu Trabzonspor (2,5 Millionen Euro), Niko Kovac (RB Salzburg, ablösefrei) war den Berlinern zu alt (34) und zu teuer. Mit Madlung (24, 1,3 Mio. Euro, Wolfsburg), Marx (25, ablösefrei, Bielefeld) und Salihovic (21, 250000 Euro, Hoffenheim) wurden Profis abgegeben, deren Entwicklung nicht zufriedenstellte. Schröder (26, Bochum) und Tremmel (27, Cottbus) wollten weg, der ausgeliehene Sverkos kehrte nach Gladbach zurück. Mit Stürmer Christian Gimenez (31, 300000 Euro), der von Marseille ausgeliehen wurde, kam nur ein gestandener Profi. Ansonsten wurde weiter verjüngt: Srdjan Lakic (22, Kamen Ingrad Velika) gilt als Sturm-Alternative. Aus Dresden kehrte der ausgeliehene Dennis Cagara (21) zurück, aus der Regionalliga-Elf rückten Chinedu Ede (19), Patrick Ebert (19), Robert Müller (19), Amadeus Wallschläger (20) und Nico Pellatz (20) auf.

Tests & Tore:

Im Liga-Pokal (HSV/0:1) fing sich Hertha die einzige Niederlage ein. Im UI-Cup wurde FK Moskau bezwungen (0:0/2:0), in den Tests siegten die Berliner ausnahmslos - zuletzt bei Regionalligist St. Pauli (4:0) und Zweitligist Aue (2:1).

Stärken & Schwächen:

Die Mannschaft wirkt eingespielt, in der Wunsch-Elf zum Start steht mit Gimenez nur ein Neuzugang. Mit ihm und Lakic ist der Sturm, jahrelang die Problemzone, besser besetzt. Sorgen bereitet Trainer Götz weiterhin die Anfälligkeit bei gegnerischen Standards. Der Kader ist jung und hungrig, aber mental womöglich noch nicht robust genug für die Widrigkeiten des Liga-Alltags. Zudem stellt sich die Frage, ob Hertha im Kreativbereich Marcelinhos Abgang auf Anhieb kompensieren kann - zumal Boateng (Meniskuseinriss) zum Start fehlt.

System & Taktik:

Hertha trat in den Vorjahren meist im 4-5-1 an. Angesichts des Aufrüstens im Sturm wird Götz künftig häufiger einem 4-4-2 vertrauen. Dennoch bleibt Hertha flexibel - in der Deckung (Umstellung auf Dreierreihe) und im Mittelfeld (mit Raute oder mit Doppelsechser).

Zum Thema:

Trainer & Umfeld:

Falko Götz (Vertrag bis 2008) überstand die schwere sportliche Krise im Vorjahr. Jetzt verlangen die Klub-Bosse von ihm den nächsten Schritt: Er soll sein Team offensiver und mutiger als zuletzt ausrichten. Erlebnis- statt Ergebnisfußball - Hertha zuzuschauen, soll wieder Spaß machen. Das Image der "Jungen Wilden" soll kultiviert werden und den Schuldenstand (49 Millionen Euro Verbindlichkeiten) aus den Schlagzeilen verdrängen.

Stimmen & Stimmungen:

Manager Hoeneß und Trainer Götz vermeiden es tunlichst, eine Platzierung als Saisonziel auszugeben. Für sie steht die Weiterentwicklung der Mannschaft im Mittelpunkt. In einer Medien-Stadt wie Berlin bietet solcherart Bescheidenheit Reibungspotenzial. Kapitän Friedrich gibt sich da schon mutiger: "Mein Ziel ist ein UEFA-Cup-Platz."

Fazit & Prognose:

Der konsequente Umbruch ist Risiko und Chance zugleich - sportlich wie hierarchisch. Hertha hat angesichts der wirtschaftlichen Zwänge personell das Machbare getan und mit Marcelinho den Unruhe-Herd aussortiert. Die verbliebenen Leistungsträger (Bastürk, Friedrich, Simunic, Gilberto) sind mehr denn je gefordert. Im Rennen um einen UEFA-Cup-Platz sind die Berliner Außenseiter, aber nicht chancenlos.

Steffen Rohr