Nord

Ferchichi soll dem TSV Havelse guttun

Erst der Aufstieg - jetzt der Absturz

Ferchichi soll mit seiner Leidenschaft dem TSV Havelse guttun

Ein Trainerwechsel soll beim TSV Havelse nach dem schlechten Start für neue Impulse sorgen.

Ein Trainerwechsel soll beim TSV Havelse nach dem schlechten Start für neue Impulse sorgen. imago images/Kirchner-Media

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Gerade einmal zehn Wochen war Trainer Philipp Gasde beim TSV Havelse in Amt und Würden. Am Montagnachmittag berichtete der kicker exklusiv über dessen unmittelbar bevorstehende Entlassung. In der Nacht zu Dienstag erfolgte die offizielle Bestätigung durch den TSV-Vorsitzenden Daniel Wolter per Pressemitteilung.

Der Drittliga-Absteiger befindet sich nach dem ersten Saisonviertel schon wieder im Abstiegskampf. Entgegen den Zielen des Klubs - der zwar nicht den sofortigen Wiederaufstieg ausgegeben hatte, aber durchaus im oberen Tabellendrittel mitspielen wollte. "Mit Blick auf die Tabelle und den aktuellen Trend von sechs Spielen ohne Sieg sind wir zu der Entscheidung gekommen, dass wir einen neuen Impuls setzen müssen. Wir sind Philipp für seine akribische Arbeit dankbar. Leider konnten wir als Mannschaft die guten Ansätze seiner Arbeit nicht in Ergebnisse ummünzen", sagte Florian Riedel, der Sportliche Leiter. Gasdes Nachfolger kommt aus den eigenen Reihen: Samir Ferchichi, der U-19-Trainer, übernimmt mit sofortiger Wirkung den Job und wird bereits an diesem Samstag beim Auswärtsspiel der Havelser beim FC St. Pauli II auf der Bank sitzen.

Gasde die alleinige Schuld für die aktuell prekäre Lage zuzuschieben wäre aber unfair. Ein Blick zurück lohnt sich derweil: Im Mai 2021 stieg der TSV überraschend, aber verdient in die 3. Liga auf. Nach zwei Siegen in den Aufstiegsspielen gegen den höher eingeschätzten 1. FC Schweinfurt 05 aus der Regionalliga Bayern war der TSV plötzlich Drittligist. Die Garbsener ließen sich auf das Abenteuer Profifußball ein. Dabei gab der Klub in der 3. Liga trotz des sofortigen Abstiegs eine ordentliche Visitenkarte in Fußballdeutschland ab. Der Ausflug war Fluch und Segen zugleich. Der Verein hat durch die 38 Drittliga-Spiele gewonnen, aber durch den Abstieg mussten die Havelser in diesem Sommer einen personellen Umbruch einleiten. Langjährige Stützen wie Kapitän Tobias Fölster (Weiche Flensburg), Noah Plume (VfB Lübeck) Norman Quindt, und Vico Meien (VfR Aalen) verließen den Verein. Leistungsträger wie Fynn Lakenmacher (1860 München), Leon Damer (Hallescher FC) und Kianz Froese (SV Wehen Wiesbaden) wollten im Profifußball bleiben. Andere, wie Fynn Arkenberg, Julius Düker und Linus Meyer konnte der Verein auch nicht halten. Trainer Rüdiger Ziehl hatte keine Lust auf die Regionalliga Nord. Insgesamt wanderten 16 Spieler ab.

Der neue Trainer, der sich beim SV Ramlingen/Ehlershausen in der Oberliga einen guten Namen gemacht hat, sollte mit dem TSV den Umbruch einleiten. Elf neue Spieler und drei A-Jugendliche musste Gasde innerhalb kürzester Zeit integrieren. Allerdings stießen die Neuzugänge erst relativ spät zum Kader. "Wir müssen auf dem Transfermarkt Geduld haben", erklärte Geschäftsführer Matthias Limbach. Weil der TSV mit den finanzstarken Konkurrenten aus Flensburg, Lübeck oder Hamburg (Ottensen) nicht mithalten kann. Auch Nachbar VfV Hildesheim hat mehr Möglichkeiten als die Garbsener - trotz der letztjährigen Drittliga-Zugehörigkeit. So hatte Gasde seinen Kader erst deutlich nach dem Trainingsauftakt zusammen. Keine leichte Aufgabe für einen neuen Coach. Bitter ist zudem der langfristige Ausfall von Führungsspieler Niklas Teichgräber. Der Linksverteidiger zog sich einen Achillessehnenriss zu.

Als Ausrede will der Sportliche Leiter das alles aber nicht gänzlich gelten lassen. "Wir haben genug Qualität für die Regionalliga. Jetzt hat die Mannschaft kein Alibi mehr und ich erwarte, dass wir nun liefern", sagt Riedel. Der Aufschwung soll nun mit Samir Ferchichi gelingen. Bei der Frage, ob der 37-jährige A-Lizenz-Inhaber nun eine Interims- oder eine Dauerlösung darstellt, wird Riedel nicht ganz konkret: "Samir ist seit einigen Jahren beim TSV, und er brennt für diesen Verein. Mit seiner Ansprache und seiner Leidenschaft wird er der Mannschaft guttun. Er ist jetzt unser Trainer."

Gleichwohl greifen auch hier die Mechanismen des Geschäfts. "Natürlich haben einige Trainer sofort bei mir oder Matthias Limbach angerufen. Wir gehen aber mit Samir in die nächsten Spiele", stellt Riedel klar.

Sollte der Wechsel auf der Bank indes nicht den gewünschten Erfolg bringen, dürfen sich andere Hoffnungen auf den Trainerjob in Garbsen machen. Regionalliga-erfahrene Übungsleiter wie Martin Polomka, der zuletzt den HSC Hannover trainierte, oder der Ex-Rehdener Andreas Golombek, der zeitweise in Hildesheim lebt, stehen sicher in den Startlöchern. "Der TSV ist ein sehr interessanter Verein. Ich traue mir das zu", sagte Polomka auf kicker-Nachfrage.

Im beschaulichen Havelse hofft man aber derweil, dass Ferchichi der Turnaround gelingt. Schließlich würde ein weiterer Trainerwechsel nicht zur DNA des Vereins, der für kontinuierliche Arbeit und Bodenständigkeit steht, passen. Für den Erfolg und das Verhindern des Absturzes in die Oberliga, ist aber auch dieses Szenario nicht ausgeschlossen.

Stephan Gaube