2. Bundesliga

Fall Mario Vuskovic: Verlängerung und neuer Streit

DFB-Gericht bestellt Gutachter, Verteidigung protestiert

Fall Vuskovic: Verlängerung und neuer Streit

Seit August 2021 beim HSV: Mario Vuskovic

Seit August 2021 beim HSV: Mario Vuskovic IMAGO/Eibner

Das Gericht um den Vorsitzenden Stephan Oberholz entschied auf Beiziehung eines unabhängigen Sachverständigen, um die positive Bewertung von Vuskovics Urinprobe zu bestätigen bzw. anzuzweifeln. Gegen die Auswahl des Gutachters gibt es dabei prompte Einwände von Vuskovics Verteidigern. Fortgesetzt wird die Verhandlung am 10. März.

Gleich vier Experten-Gutachten hatte die Verteidigung von Mario Vuskovic am Donnerstag in petto, um zu belegen: Die Urinprobe, die der HSV-Abwehrspieler am 16. September bei einer routinemäßigen Dopingkontrolle auf dem heimischen Trainingsgelände abgegeben hatte, sei vom Institut für Dopinganalytik in Kreischa bei Dresden zu Unrecht als "positiv" eingestuft worden. Zum Quartett der Sachverständigen zählte neben John Nissen-Meyer (Oslo), David Chen (Vancouver) und Marcus Scholz (Leipzig) auch der Dresdner Lorenz Hofbauer, der im Verhandlungssaal des DFB-Campus in Frankfurt per Video zugeschaltet wurde.

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Seine Schlussfolgerung im Namen des Vierer-Gremiums, das aber ausdrücklich unabhängig voneinander vorgegangen sei: "Es liegt kein positiver EPO-Befund in A- und B-Probe vor." Stattdessen habe das zuständige Institut für Dopinganalyse in Kreischa "tendenziell so gearbeitet, dass man den Eindruck hat, die Probe sei positiv. Wir haben es hier aber mit einem falsch-positiven Test zu tun."

Unterbrechung der Kühlkette als wenig schlüssige Begründung

Einige der vorgebrachten Begründungen erwiesen sich indes relativ schnell als wenig überzeugend. Etwa die angeblich statistisch belegte Quote von 43 falsch-positiven Ergebnissen pro 1000 Tests auf EPO. Der Jahresbericht der Nationalen Anti-Doping-Agentur (NADA) wies für 2021 derweil 4355 Tests auf EPO aus ohne ein einziges positives Ergebnis, also auch ohne falsch-positives. Als mögliche Fehlerquelle angeführt wurde auch eine Unterbrechung der Kühlkette während des Transports von Vuskovics Urinprobe. Allerdings stellte Sven Voss, Leiter des Instituts in Kreischa, schlüssig dar: Eine Zerstörung von Proteinen durch Erhitzung oder Temperaturschwankungen könne keinesfalls zu einem falsch-positiven Ergebnis führen, sondern höchstens zu einem falsch-negativen.

Vuskovics Urinprobe enthielt hohen Anteil an körpereigenem EPO

Von einer falschen Voraussetzung ging zudem das Gutachten des Kanadiers Chen aus. Demnach hätte die vermeintlich verwendete Urinmenge von 20 ml statt der empfohlenen 15 ml zu einer "Überladung" der Probe führen können. Allerdings konnte Voss darlegen, dass für A- und B-Probe jeweils lediglich 10 ml Urin zum Einsatz kamen, diese Menge sogar noch gedrittelt wurde. Als Ansatz für die Verteidigung bleibt allerdings: Vuskovics Urinprobe beinhaltete zweifelsfrei einen relativ hohen Anteil von körpereigenem EPO, der zudem durch kurz zuvor eingenommene Schmerzmittel (Ibuprofen 600 und Pantoprazol 40) verstärkt worden sein könnte. Und: Die Differenzierung zwischen körpereigenem und von außen zugeführtem EPO erfolgt letztlich über ein bildgebendes Verfahren, in dem Experten per Augenschein zu einem Urteil kommen. Objektive Grenzwerte gibt es dabei generell nicht.

Gutachter Naud soll tiefgefrorenen Urin neu analysieren

Genau dort setzte Prof. Dr. Dr. Perikles Simon als Fachberater der Verteidigung an: Auf den vorliegenden Bildern zur Auswertung von Vuskovics Urinprobe sei eine Unterscheidung zwischen körpereigenem und zugeführtem EPO nicht zweifelsfrei möglich, so der renommierte Sportwissenschaftler, von 2009 bis 2013 selbst Mitglied im "Gene Doping Pannel" der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA). Unterdessen hebt Voss auf empirische Erfahrung, von der WADA vorgegebene Vergleichsbilder und eine Prüfung nach dem Sechs-Augen-Prinzip ab. Unter diesen Umständen war die Zuziehung eine unabhängigen Sachverständigen für die DFB-Jury um den Sportgerichtsvorsitzenden Stephan Oberholz praktisch alternativlos. Die Wahl fiel dabei auf Professor Jean-Francois Naud aus Quebec (Kanada). Naud soll nun seinerseits ein Gutachten zu sämtlichen strittigen Fragen erstellen - und im Idealfall eine weitere Analyse der von Vuskovic am 16. September abgegebenen Urinprobe vornehmen.

Verteidigung behält sich einen Befangenheitsantrag vor

Eine Restmenge von etwa 25 ml Urin aus der ursprünglichen A-Probe liegt noch tiefgefroren beim Institut in Kreischa vor, die NADA erteilte bereits die Freigabe für eine neue Untersuchung. Für prompte Empörung sorgte jedoch die Auswahl des Gerichtsgutachters bei Vuskovics Verteidigern und HSV-Vorstand Jonas Boldt als Prozessbeobachter. Hintergrund: Naud gehört ebenso wie Voss zur achtköpfigen "EPO Working Group" der WADA. Vuskovic-Anwalt Dr. Joachim Rain: "Bei dieser Vernetzung kann er nicht unbefangen sein. Wir würden einen Experten von außerhalb des WADA-Kosmos für geeigneter halten."

Das DFB-Gericht blieb aber bei Nauds Bestellung. Derweil behielt sich die Partei Vuskovic beim Abgang aus dem DFB-Gebäude ausdrücklich vor, einen offiziellen Befangenheitsantrag folgen zu lassen.

Thiemo Müller