Frauen

Ada Hegerberg von OL: "Wie ernst nimmt man Mädchen?"

Im Gespräch mit dem kicker

Ex-Weltfußballerin Hegerberg und die Pyramiden: "Wie ernst nimmt man Mädchen?"

Unbequem und treffsicher: Champions-League-Rekordtorjägerin Ada Hegerberg.

Unbequem und treffsicher: Champions-League-Rekordtorjägerin Ada Hegerberg. imago images/Sports Press Photo

Wenn eine der besten Fußballspielerinnen des Planeten mit 22 aus der Nationalmannschaft zurücktritt, schlägt das hohe Wellen. Ada Hegerberg tat das nicht ohne Grund. Um für ein ihrer Meinung nach gerechtes Prämiensystem und eine bessere Förderung des Frauenfußballs im norwegischen Verband einzustehen, beendete sie 2017 ihre Karriere auf Verbandsebene. Aus Protest also.

Während sie ein Jahr später als erste Spielerin von "France Football" mit dem Ballon d'Or als Weltfußballerin ausgezeichnet wurde, musste man in der Heimat auf Hegerbergs Tore verzichten. Und die schoss sie für Olympique Lyon damals am laufenden Band: 15 Treffer in der Champions-League (neun Einsätze) sowie 31 in der französischen 1. Liga - in gerade einmal 20 Spielen.

Der Nationaltrainer ist froh, dass das Thema durch ist

Nun ist Hegerberg zurück. "Das war keine Entscheidung, die über Nacht kam", sagte die heute 26-Jährige dem kicker am Montag, "es gab lange Diskussionen, besonders mit Verbandspräsidentin Lise Klaveness." Hegerberg berichtete von "sehr ehrlichen Gesprächen", die wichtig gewesen seien, um sich in die "richtige Richtung" zu bewegen. Man sei "jedes Thema durchgegangen, das diskutiert werden musste".

Am vergangenen Donnerstag berief Nationaltrainer Martin Sjögren sie also ins Aufgebot für die beiden WM-Qualifikationsspiele gegen Kosovo (7. April) und Polen (12. April). Es sei eine "herausfordernde Situation" mit der Top-Stürmerin gewesen, sagte Sjögren. Er sei froh, dass man das jetzt hinter sich lassen könne.

Auch bei der EM im Sommer dürfte Hegerberg die Norwegerinnen unterstützen, in der Vorrunde trifft das Team auf Gastgeber England, Österreich und Nordirland.

"Tun wir das heutzutage? Ich bin mir nicht sicher"

"Hinter meiner Entscheidung von 2017 stehe ich", sagte Hegerberg. Zum Umdenken brachte sie unter anderem auch eine schwere Schienbeinverletzung, die sie beinahe zwei Jahre ihrer Karriere kostete. "Ich hatte etwas Zeit zum Reflektieren", so drückt sie das aus.

Erst im vergangenem Oktober gab sie ihr Comeback für Olympique Lyon, seitdem lesen sich die Leistungsdaten verständlicherweise noch nicht so imposant wie vor der Verletzung. "Nur" acht Tore in zwölf Ligaspielen ziehen ihren Karriereschnitt klar nach unten, ist Hegerberg doch beispielsweise mit 56 Treffern Rekordtorjägerin der Champions-League-Geschichte. In den jüngsten fünf Partien in Frankreich traf sie gar nicht.

Ada Hegerberg mit dem Ballon d'Or

Laut "France Football" die Beste: 2018 gewann Ada Hegerberg den Ballon d'Or. AFP via Getty Images

Dass Hegerberg nun aufhören wird, für Geschlechtergerechtigkeit und Förderung von weiblichem Nachwuchs zu kämpfen, ist ausgeschlossen. "Es ist sehr wichtig, über die Pyramiden zu sprechen. Wie ernst nehmen wir junge Mädchen vom ersten Tag an? Tun wir das heutzutage?", fragte sie rhetorisch, um zu antworten: "Ich bin mir nicht sicher. Jungen fördern wir von Beginn an. Wenn du einem Mädchen mit sechs Jahren beibringst, wie man einen Pass spielt, ist es doch ganz klar, dass die Qualität am Ende höher ist, als wenn du es ihr erst mit 20 zeigst."

Hegerberg will Qualität steigern

Es gehe um Erziehung und um Respekt. "Wenn man in der untersten Ebene der Pyramide ansetzt, bekommt man am Ende ein besseres Produkt heraus."

Aus dem Gespräch lässt sich heraushören, dass Hegerberg die Qualität aller Wettbewerbe erhöhen möchte. Sie nimmt auch die Profis in die Pflicht: "Wir müssen noch viel härter und intelligenter trainieren, um das Niveau zu steigern." Es gehe schließlich darum, die Menschen zu überzeugen, sich Frauenfußballspiele anzuschauen. Hegerberg, die auch als Frauenfußball-Botschafterin für den Streaming-Dienst DAZN in Erscheinung tritt, ist überzeugt: "Die Leute wollen Frauenfußball sehen. Es gab in der Vergangenheit nur einfach zu wenige Angebote."

"Sie haben vergessen, mich rauszunehmen"

Bevor aber die Rückkehr in den Kreis der Nationalelf ansteht, muss Hegerberg auf Vereinsebene erst noch eine größere Aufgabe bewältigen. Nach der 1:2-Hinspielniederlage steht ihr Klub Olympique Lyon, Seriensieger von 2016 bis 2020, vor dem Viertelfinal-Rückspiel gegen Juventus (Donnerstag, 21 Uhr, LIVE! bei kicker und DAZN) unter Druck.

CL-Viertelfinale, Rückspiele am Donnerstag

"Es liegt nur an uns", sagte Hegerberg. "Wir müssen mit zwei Toren Unterschied gewinnen. Ganz einfach." Lyon werde es in einer "sehr positiven Art" anpacken und hoffe auf Rückenwind durch das heimische Publikum.

Im Hinspiel kam sie überraschend gar nicht zum Einsatz, aus ihrer Sicht leicht zu erklären: "Ich war krank, hatte eine harte Woche hinter mir, sodass die Partie etwas zu früh für mich kam." Nun sei sie zurück in der Spur. Warum sie dann aber im Hinspiel in den Datenbanken und auf den eigenen Vereinskanälen als Reservistin geführt worden sei? "Ich saß überhaupt nicht auf der Bank. Ich denke mal, sie haben vergessen, mich von der Liste zu nehmen."

Michael Bächle, pab

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