Amtsmüdigkeit? Man kann sie Simeone nicht unterstellen. Nachdem seine Mannschaft in Leon endlich den Führungstreffer erzielt hatte, reagierte "Cholo" an der Seitenlinie wie eh und je: Der Argentinier fieberte bei Angel Correas Abschluss mit, ballte nach dem Tor die Fäuste, schrie seine Freude heraus.
Doch nach der 1:2-Blamage gegen den Fußballzwerg mit einem Giganten im Tor waren kleinlaute Töne angesagt. Man habe genug Torchancen gehabt, sagte Simeone, und natürlich hatte er damit vollkommen recht. Die Gelegenheiten hatten gereicht, um mindestens zwei Spiele zu gewinnen. Aber: "Ihr Torhüter hatte einen fantastischen Abend. Unser Gegner hat gut gespielt, voller Hoffnung und Ehrgeiz. Ich habe dem Coach gratuliert, weil ich ihr Spiel mochte. Sie sind einem Plan gefolgt, dem sie auch schon gegen Huesca (in der 3. Pokalrunde, d.Red.) gefolgt sind, ohne Änderungen vorzunehmen." Dass Atletico nicht mehr getroffen habe, "dafür habe ich die Verantwortung".
In der Liga hatten die Colchoneros jüngst beim abstiegsgefährdeten SD Eibar sang- und klanglos mit 0:2 verloren. Simeones Begründung, sie klang in vielerlei Hinsicht ähnlich. Man habe nur mit "50 Prozent" gespielt, und es sei seine "Pflicht", das zu verhindern. Eibar habe "wie immer gespielt. Mit Intensität, klaren Ideen - einem Konzept, das Mannschaften brauchen. Ich gratuliere ihnen."
Acht Punkte Rückstand, Liverpool vor der Brust
Acht Zähler Rückstand hat Atletico, das am Sonntag (12 Uhr) gegen den Vorletzten Leganes antritt, inzwischen auf Spitzenreiter Barcelona. Nur zwei Punkte Vorsprung sind es auf einen Europa-League-Platz. In der Champions League könnte die Aufgabe nicht schwieriger sein: Es geht im Achtelfinale gegen Titelverteidiger Liverpool, der gerade seinen 14. Ligasieg in Folge eingetütet hat. Nach dem Pokal-Aus droht Atletico eine Saison ohne Titel.
Das wäre nicht mal so tragisch, zumal allein die Konkurrenz im eigenen Land mit Barcelona und Real Madrid übermächtig erscheint. Und: Simeone hat schon viele große Titel nach Madrid geholt, die Europa-League-Siege 2012 und 2018, der Pokalsieg 2013 und die Meisterschaft 2014 gehen auf sein Konto. Dazu kommen die beiden bitteren Finalniederlagen in der Champions League gegen Real 2014 und 2016. Im spanischen Ligapokal schlugen die Rojiblancos kürzlich den FC Barcelona und scheiterten nur knapp im Elfmeterschießen an Real Madrid.
Doch viele Fans haben schlicht ein Problem mit dem Fußball, den der Argentinier spielen lässt, die Attribute, die er vermittelt. Atletico, das häufig kämpft und selten glänzt, scheint mit dieser "Blut und Schweiß-Mentalität" immer häufiger an seine Grenzen zu kommen, Pfiffe im Wanda Metropolitano waren in dieser Saison mit neun Siegen, acht Remis und drei Niederlagen schon häufiger zu hören. Wenn bei Ergebnis-Fußball die Ergebnisse nicht stimmen, dann gehen irgendwann die Argumente aus.
Simeones Zeitspiel - kommt Cavani?
Das ist auch Simeone anzumerken, dessen Aussagen immer monotoner wirken. Der 49-Jährige spielt auf Zeit. Nach der Niederlage bei Eibar bat er um "Geduld", nach der Pleite in Leon versprach er, "die Ergebnisse werden bald kommen". Simeone gibt sich, so wie es eben seine Natur ist, bissig und kämpferisch. "Ich habe das gleiche Verlangen wie an meinem ersten Tag, hier zu arbeiten. Das Elfmeterschießen in der Champions League (im Finale 2016 gegen Real, d.Red.) hat mich genauso wenig verändert wie diese Runde."
Es bleibt abzuwarten, wie der Klub reagiert. Womöglich mit Edinson Cavani? Der Uruguayer hat seinen Wechselwunsch bereits bei Paris Saint Germain hinterlegt, laut Sportdirektor Leonardo stimmt Atleticos Preis aber noch nicht. Er könnte vor allem der schwachen Offensive mit mageren 22 Toren in 20 Ligaspielen auf die Sprünge helfen. Damit zumindest die Ergebnisse wieder stimmen bei Atletico.
