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Viel Erfahrung: Preußen Münster steigt in die 3. Liga auf

Nach drei Jahren in der Spitzengruppe der Regionalliga

Erfahrungsschatz als Trumpf: Preußen Münster steigt in die 3. Liga auf

Stimmgewaltiges Faustpfand: Preußen Münster hat hinter Aachen den zweithöchsten Zuschauerschnitt der Regionalliga West und auch auswärts viele Fans dabei.

Stimmgewaltiges Faustpfand: Preußen Münster hat hinter Aachen den zweithöchsten Zuschauerschnitt der Regionalliga West und auch auswärts viele Fans dabei. IMAGO/Werner Otto

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Vor rund einem Jahr feierten Fußball-Romantiker den Aufstieg von Rot-Weiss Essen von der Regionalliga West in die 3. Liga. Leidtragender damals: Preußen Münster, das punktgleich und mit einer drei Treffer schlechteren Tordifferenz als Zweiter ins Ziel lief. Jetzt hat es aber geklappt.

Mit einem Jahr Verspätung kehren die Adlerträger in die Drittklassigkeit zurück, wo sie zwischen 2011 und 2020 Stammgast waren. Vermutlich hätte sich mancher Fußball-Romantiker auch gut mit Alemannia Aachen, dem Wuppertaler SV oder Rot-Weiß Oberhausen als Aufsteiger anfreunden können, der SC Preußen liegt mit diesen Größen der Regionalliga West aber mindestens auf Augenhöhe: 1963/64, als die Bundesliga in ihr erstes Jahr startete, war Münster als Gründungsmitglied dabei, stieg aber sofort ab, weil auf den Karlsruher SC und Hertha BSC jeweils ein Punkt fehlte. 1951 steuerte Preußen Münster sogar auf den Gewinn der Deutschen Meisterschaft zu, doch die zwischenzeitliche Führung von Fiffi Gerritzen konterte der 1. FC Kaiserslautern im damals noch ausgetragenen Finalspiel mit zwei Toren und holte den Titel in die Pfalz.

Zurück in die Gegenwart: Dort mutierten die vergangenen drei Jahre zu einer Geduldsprobe für die Fans. Nach dem Abstieg aus der 3. Liga stand 2020/21 ein dritter Platz zu Buche, wenngleich mit am Ende 15 Punkten Rückstand auf Primus Borussia Dortmund II, ehe in der Vorsaison wie erwähnt der Aufstieg hauchzart Rot-Weiss Essen vorbehalten blieb.

Delle nach dem Aachen-Spiel

Bemerkenswerte Partien

Umso furioser und gleichsam souveräner schlugen die Münsteraner in dieser Saison zurück: Mit sieben Siegen und einem Unentschieden startete die Elf von Trainer Sascha Hildmann in die Saison, ehe es erst am 24. September bei Alemannia Aachen die erste Niederlage (2:4) setzte. Hildmann stellte nach Abpfiff enttäuscht fest: "Das können wir besser" und schob nach: "Es war eine Verkettung von Fehlern bei den Gegentoren. Das war schlecht verteidigt. Dabei drehen wir das Spiel, das war super beim 2:1." Es folgte eine Phase, in der leise Zweifel aufkamen, ob die Preußen nicht doch am großen Ziel "Aufstieg" scheitern würden, denn nach der Aachen-Pleite folgte erst das Aus im Landespokal unter fragwürdigen Umständen bei Sechstligist SpVgg Erkenschwick (4:5 im Elfmeterschießen), dann musste sich Münster im Ligabetrieb gegen den 1. FC Kaan-Marienborn (1:1) und Rot-Weiß Oberhausen (2:3) mit einer mageren Punkt-Ausbeute begnügen.

Trotz des zwischenzeitlichen 0:1  zu Hause gegen den Wuppertaler SV Mitte November fand der SCP 06 jedoch wieder in die Spur, reihte Sieg an Sieg. Besonders bemerkenswert: Das 5:4 bei der SG Wattenscheid 09. Nicht nur, weil das Ergebnis per se schon von großem Spektakel zeugt, sondern auch weil Münster sich nach zwischenzeitlicher 3:0- und 4:1-Führung in der Nachspielzeit in Überzahl zwar das 4:4 fing, allerdings genug Widerstandskraft mobilisierte, um mit der letzten Aktion des Spiels in Person von Simon Scherder doch noch das Siegtor zu schießen. Dass einige mitgereiste Fans den späten Treffer vor Emotionen überschäumend auf der Tartanbahn des Lohrheidestadions feierten, war dabei irgendwie nachvollziehbar.

Nicolai Remberg Preußen Münster

Bei Preußen Münster für höhere Aufgaben empfohlen: Nicolai Remberg (links) wechselt im Sommer zu Holstein Kiel. IMAGO/Klumpen Sportfoto

Nüchtern betrachtet hatte Aufstiegscoach Hildmann gemeinsam mit Sportchef Peter Niemeyer eine perfekte Mischung bei der Kaderplanung gefunden: Zu dem vor Spielfreude nur so sprühenden Tempodribbler Henok Teklab (24) und Nicolai Remberg (22), einem Mittelfeldspieler mit starker Physis und mindestens genauso starker Mentalität, holten die Münsteraner Entscheidungsträger jede Menge höherklassige Erfahrung ins Boot: Die vor der Saison verpflichteten Dennis Grote (36), Marc Lorenz (34) und Andrew Wooten (33) dachten erst gar nicht daran, in der Regionalliga West eine ruhige Kugel zu schieben, sondern gingen mit Leistung voran. Gleiches galt für Torjäger Gerrit Wegkamp (30), der der schon im Januar 2021 dazustieß. Defensiv waren zudem Alexander Hahn (30) und Alexander Langlitz (32) zuverlässige Säulen. Der zweitälteste Kader der Liga hatte all seine Routine 1:1 in sportliche Qualität transformiert. Dabei zeigten die Preußen unterschiedliche Qualitäten: Während Teklab und Co. in vielen Partien den Gegner mit ihrem spielerischen Vermögen knackten, fielen beim 4:0 im Rückspiel gegen Aachen alle (!) Treffer nach Eckbällen.

Bis der Aufstieg nach einer herausragenden Saison auch rechnerisch feststand, musste sich der SC Preußen als passiver Part einer Stadion-Posse rund um den 1. FC Düren noch etwas gedulden. Doch nach dem 2:0 gegen Fortuna Düsseldorf II heißt die Zukunft nun definitiv 3. Liga, auch weil am Vormittag des Aufstiegs-Samstags der 1. FC Düren seinen Protest gegen die 2:0-Wertung der Partie vom 30. Spieltag zurückgezogen hatte. Doch in der 3. Liga holt Münster zumindest ein wenig der Fluch des Erfolges ein: Die besagten Teklab (wohl zu Europa-League-Viertelfinalist Union Saint-Gilloise) und Remberg (wohl zu Holstein Kiel) haben sich für noch höhere Aufgaben als 3. Liga empfohlen. Doch wenn Hildmann und Niemeyer bei der Kaderplanung erneut so ein gutes Näschen haben, können die Preußen ihren alten Status als Drittliga-Stammgast zurückerlangen. Wenn nicht sogar mehr, das im Umbau befindliche Preußenstadion wird nach seiner Fertigstellung dem SCP 06 höchstwahrscheinlich einen weiteren Schub verleihen, noch dazu, da nahe der modernisierten Arena ein neues Nachwuchsleistungszentrum entsteht. Vielsagend schreibt der Verein auf seiner Internetseite: "Das Stadion an der Hammer Straße soll zu einer zeitgemäßen, zweitligatauglichen Spielstätte ausgebaut werden."

Stefan Wölfel