Bundesliga

Alphonso Davies: Der MLS-Neuzugang des FC Bayern im Porträt

Bayerns Rekord-Neuzugang aus Vancouver ist angekommen

"Ein Geschenk für das Spiel": Alphonso Davies im Porträt

Unbekümmert, gut und vielversprechend: Alphonso Davies.

Unbekümmert, gut und vielversprechend: Alphonso Davies. picture alliance

Dieses "furchtbare Signal", das Donald Trump meinte, hat zu dutzenden kleinen Feuern in den USA geführt. Überall dort sind weiße Tennis-Socken oder leuchtend bunte Laufschuhe mit dem "Swoosh" verbrannt. Weil sich Sportartikelhersteller Nike erlaubt hat, mit Colin Kaepernick als Aushängeschild seiner neuen Kampagne ausgerechnet jenen afro-amerikanischen Sportler sprechen zu lassen, der es nach seinem Hymnen-Protest in der NFL nicht mehr durfte , sind viele Amerikaner zwiegespalten. Die einen (und die meisten) loben den Mut des Branchenprimus, einen geschassten Football-Spieler in seinem Engagement gegen Polizei-Gewalt und Ungleichheit gegen Schwarze den Rücken zu stärken; die übrigen sind eben jene, die neue Schuhe und Socken brauchen.

Der zweiminütige Werbespot, der das Feuer entfacht hat (wie wahr!), zeigt die größten Athleten des Landes, aber auch gehandicapte Kinder, die gerne irgendwann wie LeBron James oder Serena Williams werden würden. "Glaube an etwas", lautet die Botschaft, die Kaepernick zu Piano-Musik im Hintergrund vorträgt. "Auch wenn es bedeutet, alles zu opfern." Mittendrin tauchen Straßenfußballer auf, die nichts haben außer einen Acker und hauchdünne Hölzer als Torpfosten. "Wenn du als Flüchtling aufwächst", sagt Kaepernick, während das Bild wechselt und einen zierlichen Profi im weißen Kanada-Trikot zeigt, "lass dich nicht davon abhalten, Fußball für die Nationalmannschaft zu spielen - mit 16 Jahren." "Davies" steht auf dem Rücken des 16-Jährigen, der den Ball dann ins Tor schiebt und jubelnd abdreht.

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Über Ghana nach Kanada hin zum Babysitter

Alphonso Davies, den der FC Bayern im Juli zum teuersten MLS-Export überhaupt machte , hatte in dieser realen Szene im Juli 2017 gleich dreifach Geschichte geschrieben: Bei Kanadas Gold-Cup-Gruppensieg gegen Französisch-Guayana (4:2) wurde der einen Monat zuvor erst eingebürgerte Teenager mit 16 Jahren jüngster Torschütze Kanadas, jüngster Torschütze bei einem großen Turnier und zugleich der erste nach 2000 geborene. Es war nicht das erste und auch da noch nicht das letzte Mal, dass dieser "Flüchtling", von dem Kaepernick im Video spricht, neue Rekorde aufstellte.

Weil seine Eltern dem Bürgerkrieg in Liberia entflohen waren, kam Davies im November 2000 in Buduburam, einem Flüchtlingslager in Ghana, zur Welt. Als Alphonso fünf war, wanderte seine Familie mithilfe des "Resettlement-Programms" nach Kanada aus und ließ sich über Toronto, wo sein Vater Debeah keine Arbeit fand, in Edmonton nieder. Damit seine Eltern mehr Geld verdienen konnten, passte Alphonso oftmals auf seine zwei jüngeren Geschwister auf; Anmeldegebühren für die örtlichen Fußballvereine waren trotzdem zu teuer.

Das ist kein Potenzial, das ist Realität.

Whitecaps-Ex-Trainer Carl Robinson

Heute darf sich der FC Bayern bei Tim Adams dafür bedanken, dass ab der Rückrunde frischer Wind in die lahmende Offensive des Rekordmeisters weht. Adams ist der Erfinder von "Free Footie", einer kostenfreien "After-school"-Liga für Dritt- bis Sechstklässler, in der Davies sein Können als Zehnjähriger erstmals einer kleinen Öffentlichkeit präsentierte. "Dieses Kind", sagt Adams rückblickend über Davies, "ist ein Geschenk für das Spiel. Ich wusste es sofort." Auch andere hätten damals gute athletische Voraussetzungen gehabt, meint der Gründer, aber Davies, "he had the mind".

Alphonso Davies

Spaß bei der "Arbeit": Alphonso Davies stellt sich den Journalisten. picture alliance

Hinzu kamen "blitzschnelle Füße", wie Marco Bossio fand und den elfjährigen Davies deshalb auf die St. Nicholas Soccer Academy holte. Auch wenn er "einfach nur Spaß haben" und "Ärger vermeiden" wollte, wurde es langsam ernst, nachdem ihm Coach Bossio fast der gesamten Schule vorgestellt hatte. "Eltern, Trainer und Teamkollegen sagten mir, dass ich groß rauskommen könnte", berichtet Davies, dessen Englisch damals noch äußerst gebrochen war. "Also habe ich angefangen, daran zu glauben und härter zu trainieren." Drei Jahre später war Davies nicht nur für St. Nicholas, sondern auch für die Edmonton Strikers schon zu gut und landete nach einem Probetraining im über 1000 Kilometern entfernten Vancouver in der Akademie des MLS-Klubs.

"Passiert sehr selten": Wie Davies plötzlich zum Teenage-Profi wurde

Es dauerte kein weiteres Jahr, bis aus Zweifeln ("Meine Eltern waren sehr traurig, dass ich so weit wegging" - Davies) Jubel wurde ("Das ist kein Potenzial, das ist Realität" - Whitecaps-Ex-Trainer Carl Robinson). Innerhalb eines Jahres, das "Fonzie" ganz einfach als "fun" zusammenfasst, übersprang der pfeilschnelle Linksaußen die U 16, U 18, wurde für die zweite Mannschaft - wo er als 15-Jähriger seinen ersten Profi-Vertrag unterschrieben hatte - zum jüngsten Spieler der zweitklassigen USL-Geschichte und landete schon kurz darauf bei den Profis. "Das passiert sehr selten", lobt Whitecaps-Präsident Bob Lenarduzzi, "und wird so schnell auch nicht wieder vorkommen."

Obwohl Davies kurz zuvor noch unerlaubterweise mit Sandalen zum Training erschienen war und vom 20 Jahre älteren Teamkollegen Pa Modou Kah ein paar Schuhe bekam ("Er wollte, dass ich professioneller wirke - auf eine gute Weise"), unterschrieb er - noch immer 15-Jährig - im Juli 2016 seinen ersten MLS-Vertrag in Vancouver. Zwei Tage später folgte gegen Orlando City das Liga-Debüt als erster Spieler des 2000er Jahrgangs. "Wenn du gut genug bist", begründete sein Trainer, "bist du auch alt genug." Zu diesem Zeitpunkt hatte Davies noch nicht einmal die Zahnspange getragen, die genau zwei Jahre später auf seinem ersten Selfie im Bayern-Trikot aufblitzte.

Ich sehe eine strahlende Zukunft!

Zlatan Ibrahimovic über Davies

Dass es fast anderthalb Jahre bis zu seiner Tor-Premiere in der MLS dauerte, konnten Tempo, Technik und jene Portion Unbekümmertheit kaschieren, die den Bayern gerade guttun würde. "Catch him while you can", lautet daher auch der Abschiedsgruß an die Bundesliga in dem Video, das die Whitecaps zu Ehren ihres "Homegrown Heroes" und dessen Rekordwechsel in die Bundesliga präsentiert hatten. Er geht mit 26 Scorerpunkten in 81 Pflichtspielen.

Mit seinen schnellen Dribblings und Qualitäten im Eins-gegen-Eins erinnert Davies an den Ex-Dortmunder Ousmane Dembelé, zumindest im sportliche Sinne ; klar ist aber, dass ein seit zwei Wochen 18-Jähriger Zeit braucht, sich vom MLS- ans Bundesliga-Niveau anzupassen, spielen darf Davies ja ohnehin erst ab Januar. Die nötige Robustheit im Zweikampf fehlt ihm aufgrund seiner eher schmächtigen Statur ebenso noch wie Präzision im Passspiel.

Sonderlob von "Ibra": Auf wen sich die Bayern freuen dürfen

Alphonso Davies

18 Scorerpunkte in 31 Einsätzen: Alphonso Davies verlässt die Whitecaps als zweitbester Scorer. picture alliance

Aber "wenn er zu Bayern geht", findet sogar Zlatan Ibrahimovic, der Davies beim 0:3 seiner Galaxy gegenüberstand, "ist er ein guter Spieler, denn der Klub holt keine schlechten jungen Fußballer." Davies müsse bereit sein für die Herausforderung, rät Ibrahimovic, müsse sich darauf einstellen, am Anfang einsam und einem großen Konkurrenzkampf ausgesetzt zu sein. "Wenn er die großen Spieler sieht, darf er nicht zu viel Respekt zeigen. Du gehst dorthin aus einem Grund: Du bist Teil der Mannschaft. Es liegt an ihm, den Rest zu erledigen. Ich sehe eine strahlende Zukunft!"

Geht es nach Lenarduzzi, bekommt Bayern mit Davies "vor allem einen guten Menschen". Aufgrund seines Hintergrundes "war das schon früh in seinem Leben wichtig für ihn und seine Familie", erklärt der Whitecaps-Präsident und lobt nochmal: "Man konnte sehen, dass sie das nicht nur gesagt, sondern auch umgesetzt haben. Das tut einfach gut, weil das gerade bei den 'Millennials' ganz selten vorkommt."

Im Moment verlaufe Davies' Werdegang wie ein Film, findet Lenarduzzi. Und das Beste daran: "Das ist ja erst der Anfang."

Mario Krischel