Bundesliga

Die Fankultur bleibt im künstlichen Koma

Kommentar zur Zuschauerrückkehr

Die Fankultur bleibt im künstlichen Koma

Auf dicht gefüllte Fantribünen muss auf weiteres verzichtet werden.

Auf dicht gefüllte Fantribünen muss auf weiteres verzichtet werden. imago images

Dürfen beim Bundesligastart am 18. September wieder Fans in die Stadien? Und wenn ja, wie viele? Die Ungewissheit bleibt auch nach der DFL-Mitgliederversammlung groß. Urlaube in Risikoregionen, Großdemonstrationen unter Missachtung sämtlicher Sicherheitsmaßnahmen, junges Partyvolk, das ausgelassen feiert - man muss kein Berufspessimist sein, um in der neuen Sorglosigkeit vieler Menschen eine Gefährdung der bisherigen Erfolge im Kampf gegen die Corona-Pandemie zu sehen. Vor diesem Leichtsinn und den dramatischen Auswirkungen, die ein zweiter Lockdown nach sich ziehen würde, warnte auch DFL-Boss Christian Seifert auf der gut 45-minütigen Pressekonferenz eindringlich.

Da niemand eine Glaskugel besitzt, sind die Klubs und der Verband in eigenem Interesse dazu verpflichtet, so gewissenhaft und seriös wie schon vor dem Re-Start an einem tragfähigen Konzept zu arbeiten, diesmal, um zumindest einem Teil der Fans die Rückkehr in die Stadien zu ermöglichen. Das am Dienstag beschlossene Maßnahmenpaket, das einen Rahmen für jedes individuell zu erstellende Stadionkonzept darstellt, schmeckt nicht jedem, ist zum Teil auch diskutabel - Fans könnten vor dem Stadion mehr Alkohol trinken als sonst -, unterm Strich aber trotzdem vernünftig. Lieber nicht den zweiten Schritt vor dem ersten machen, lautet das Credo.

Keine Stehplätze, keine Gästefans, nicht mal Bier soll es in den Stadien geben - die Fankultur liegt damit weiterhin im künstlichen Koma. Das kann niemanden freuen, ist vor dem Hintergrund weltweit Hunderttausender am Coronavirus gestorbener Menschen aber ein Luxusproblem. Wer jetzt ein Klagelied darüber anstimmt, dass auch in der neuen Saison kein normales Stadionfeeling aufkommen wird, blendet den Ernst der Lage aus. Die Furcht, dass "die da oben" die Corona-Krise ausnutzen könnten, um die Fankultur dauerhaft stärker zu reglementieren, erscheint unbegründet. Zumindest gibt es keine Indizien, die dafür sprächen.

Die Forderung "Alle oder keiner!" ist Nonsens

Im Gegenteil: In Frankfurt beispielsweise stand schon lange vor dem Ausbruch der Pandemie der Plan fest, im Rahmen eines Stadionausbaus während der WM 2022 zusätzliche 11.000 Stehplätze zu schaffen. Gerade vor dem Hintergrund sozialverträglicher Preise ist das eine vorbildliche Maßnahme, an der sich auch andere Klubs orientieren sollten.

Nonsens ist die von einem Teil der Fans vorgebrachte Forderung: "Alle oder keiner!" Wer das verlangt, lebt im Wolkenkuckucksheim. Die Stadien komplett zu füllen, ist in diesen Tagen illusorisch, wäre hochriskant und würde von der Politik zu Recht nie und nimmer genehmigt werden, solange die Pandemie grassiert und es keinen Impfstoff gibt.

Die Politik der kleinen Schritte ist richtig

Bliebe die Alternative: Keiner darf ins Stadion. Im gar nicht mal so unwahrscheinlichen Extremfall würde das eine komplette Saison mit Geisterspielen bedeuten. Dies einer möglichen Teilöffnung vorzuziehen, ist engstirnig und würde jene Fans bestrafen, die trotz der nervigen Auflagen gerne wieder ins Stadion gehen würden. Ganz zu schweigen von den wirtschaftlichen Konsequenzen für die Vereine. Die Politik der kleinen Schritte, zu der sich die Klubs entschlossen, ist deshalb genau richtig.