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Die schlaue Eminenz

Sir Alex Ferguson wird 80 Jahre

Die schlaue Eminenz

Sir Alex Ferguson feiert seinen 80. Geburtstag.

Sir Alex Ferguson feiert seinen 80. Geburtstag. picture alliance / empics

Vor einigen Monaten wurde Gary Neville die Ehre zuteil, Sir Alex Ferguson zu befragen. Manchester Uniteds Ex-Profi gab an die Trainerlegende, unter der Neville in diesem Klub selbst zahllose Titel gewonnen hatte, weiter, was die Fans gerne von der Vereinsikone wissen wollten. Besonders interessant: die Begrüßung. Neville kündigte seinen Gast nicht mit "Mister Ferguson" an, auch nicht mit "Sir Alex". Sondern so, wie er es wohl schon immer getan hatte: "The boss."

Damit ist alles gesagt. Ferguson ist der Boss, der Chef. Sein Wort rund ums Old Trafford hat nicht nur Gewicht. Es ist immer noch Gesetz. Ohne ihn wird kein Trainer entlassen, keiner verpflichtet. Wenn es wirklich wichtig wird, fragen sie ihn. Und manchmal muss er auch gar nicht sprechen. Dann reicht ein Blick in sein Gesicht, das bei der 0:5-Klatsche der Red Devils gegen den FC Liverpool vor wenigen Wochen zum unverfälschten Spiegel der Seele geriet. Blass, verzweifelt verfolgte er, wie die Mannschaft von Jürgen Klopp seinen Klub zerlegte. So etwas bereitet Ferguson körperliche und seelische Schmerzen, so etwas konnte nicht folgenlos bleiben. Als sich der Abwärtstrend fortsetzte, konnte auch der mächtige Mann im Hintergrund nicht mehr anders. Er senkte den Daumen, stimmte der Entlassung des Mannes zu, der dem Trainer Ferguson als Spieler einst den Champions-League-Sieg geschenkt hatte: Ole Gunnar Solskjaer.

Sir Alex Ferguson: Seine 20 besten Sprüche

Seine Leistung ist unvorstellbar

Ottmar Hitzfeld, Ex-Trainerkollege

1999. Gegen Bayern. In der Fergie-Time. Doch auch der Coach selbst hatte damals, als die Münchner 1:0 führten und ebenjene Nachspielzeit gerade angebrochen war, bereits alle Hoffnung aufgegeben. "Dachte ich wirklich, dass wir noch gewinnen können? Nein! Keine Chance." Aber die nutzten Teddy Sheringham und eben Solskjaer. Das alleine war schon glücklich genug für United, aber ebenso wusste Ferguson am besten, dass die Bayern zu dem Zeitpunkt schon 3:0 hätten führen können. Natürlich freute der Schotte sich, jubelte im Camp Nou. Ausgelassen, aber nicht respektlos.

Sir Alex Ferguson

Sir Alex Ferguson mit dem Henkelpott nach dem denkwürdigen Sieg im Champions-League-Finale 1999 gegen Bayern München. picture-alliance/dpa

In den Minuten des großen Glücks und des Triumphes fand er tröstende Worte für Bayern-Trainer Ottmar Hitzfeld. Später fasste Ferguson dieses Spiel so zusammen, wie es passender nicht geht: "Football, bloody hell." Mit diesem Zitat als Überschrift verabschiedete die 'FAZ' den Coach 2013 in den Ruhestand. Hitzfeld hat die Fairness seines Gegenübers nie vergessen. Als Ferguson 2016 - zwei Jahre nach Hitzfeld - der Walther-Bensemann-Preis verliehen wurde, benannt nach dem Gründer des kicker, würdigte ihn der deutsche Coach: "Man kann nicht hoch genug einschätzen, was es bedeutet, auf diesem Niveau so lange Zeit in einem Klub mit dieser Erwartungshaltung zu arbeiten, so viele Titel zu holen und diese Erfolge permanent zu bestätigen. Seine Leistung ist unvorstellbar, weil sie nicht nur die sportliche Ausrichtung erfordert, sondern auch einen zwischenmenschlichen Umgang."

Das trifft es sehr gut. Gleichzeitig aber ist das Geheimnis seines Erfolges tatsächlich ein solches geblieben. Ein Trainer, der seine Spieler permanent kontrollierte, dem sie aber vertrauten wie ihrem eigenen Vater, wie Paul Ince mal sagte: "Er hat mich immer wie einen Sohn behandelt." Ein Trainer, der sich schützend vor seine Spieler stellte, sie aber gleichzeitig mit dem berühmten "Fergie-Fön" (ein Anschreien, das den Haartrockner ersetzte) vor allen rundmachte. Ein Trainer, der in seiner United-Zeit von 1986 bis 2013 bestimmt kein Heiliger war, weil er gerne mal Schiedsrichter subtil unter Druck setzte, der aber gleichzeitig selbst bei seinen größten Gegnern Achtung genießt: "Unabhängig von unseren Differenzen: Was er erreicht hat, ist einfach fantastisch." Sagte: Arsenals Ex-Coach, Konkurrent Arsene Wenger. Ferguson malträtierte stets mehr als nur sein Kaugummi, mutierte aber zum zuvorkommenden Gastgeber, wenn er seinen Gästen im Old Trafford Spezialitäten aus dem eigenen riesigen Weinkeller kredenzte.

Was all das Widersprüchliche eint, ist seine direkte Art. Er mag aus Govan (Glasgow) weggezogen sein, das Haus, in dem er mit seinen Eltern lebte (667, Govan Road), musste weichen. Doch das Bodenständige, das Viertel, die raue, aber stets ehrliche Art, wohnt immer noch in ihm.

"Football, bloody hell!" Sir Alex Fergusons Karriere

Natürlich ist Ferguson mehr als acht Jahre nach seinem letzten Spiel, nach seiner letzten Meisterschaft und auch der des Rekordtitelträgers, ruhiger. Er mischt sich nicht permanent ein, aber er greift ein, wenn es wichtig wird. Weil Ferguson nicht nur die graue, sondern vor allem die schlaue Eminenz im Hintergrund ist. Ob sein berühmter Anruf im Sommer bei Cristiano Ronaldo tatsächlich nur 20 Sekunden gedauert und aus einem einzigen Satz bestanden hat, wie die stets fantasiereiche Zeitung 'Daily Star' zu wissen glaubt? "Geh nicht zu Manchester City." Fünf Wörter. Eine Botschaft. Keine Widerrede. Könnte sein, ist aber auch nicht entscheidend. Ferguson wird auch ob seines Vetrauensverhätnisses zu Ronaldo eine Rolle bei diesem Transfer gespielt haben, der realistischerweise über Wochen eingefädelt und nicht in 20 Sekunden beschlossen wurde. Egal. Aber die Story ist zu gut, um nicht wahr zu sein.

Und sie passt doch so schön. Zumal wenige Tage vor seinem 80. Geburtstag, den Ferguson, 1999 von der Queen zum Ritter geschlagen, am 31. Dezember feiern wird. Die ganze Welt wird ihm gratulieren, auch in Aberdeen ist er unvergessen, dort, wo sein Durchbruch als Trainer begann. All die Glückwünsche werden ihn freuen, den Sir. Seit er 2018 dem Tod mit einer Gehirnblutung knapp entronnen ist, umso mehr. Ferguson schildert diese dramatischen Stunden in der Dokumentation Never give in, bei der sein Sohn Jason Regie führte: "Es gab an diesem Tag fünf Fälle von Gehirnblutungen in der Klinik. Drei sind gestorben. Zwei haben überlebt. Da weiß man, dass man Glück gehabt hat." In der Tat.

Macht Ralf Rangnick Ferguson die Freude einer Meisterschaft?

Ganz egal, wie man zu Manchester United steht, man wünscht Ferguson, dass er noch einen Trainer erlebt, der zumindest einmal schafft, was ihm in 27 Jahren 13-mal glückte: die Red Devils zur Meisterschaft zu führen. Vielleicht macht ihm ja Ralf Rangnick diese Freude, wenn er über den Sommer hinaus Uniteds Coach bleibt? Ferguson und Rangnick lernten sich 2016 kennen im Rahmen der Bensemann-Preis-Verleihung, auf Einladung des kicker hatte man zuvor gemeinsam gegessen.

Wie auch immer, kein anderer United-Repräsentant würde jemals ohne Aufschrei in und um Manchester sagen können, dass er Anfield, das Stadion des Erzrivalen FC Liverpool, neben Old Trafford für das stimmungsvollste in England hält. Sir Alex schon. Er darf das, er macht das. Bleibt die spannende Frage: Hat CR7 die Nummer seines Mentors eigentlich auch unter "Boss" gespeichert?

Thomas Böker

Ferguson wird geehrt: Sir Alex ist ManUnited

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