Nationalelf

Die schlaflose Nacht des Klaus Toppmöller

Statt Hoffenheim nun Nationaltrainer

Die schlaflose Nacht des Klaus Toppmöller

Seit Februar 2006 bei Georgien unter Vertrag: Klaus Toppmöller.

Seit Februar 2006 bei Georgien unter Vertrag: Ex-Bundesliga-Trainer Klaus Toppmöller. dpa

Als Deutscher gegen Deutschland: Für Klaus Toppmöller (55) ist das Länderspiel in Rostock eine besondere Herausforderung. Seit dem 1.Februar ist der dreimalige Nationalspieler des 1.FC Kaiserslautern und langjährige Bundesliga-Trainer als Nachfolger des Franzosen Alain Giresse, Europameister von 1984, Nationaltrainer in Georgien. Wie Ex-Bundestrainer Jürgen Klinsmann in den vergangenen zwei Jahren die deutsche Nationalelf zum dritten Platz bei der WM 2006 nicht zuletzt aus seinem Haus in Kalifornien steuerte, will Toppmöller die Nationalelf der Kaukasusrepublik aus seinem Heimatort Rivenich an der Mosel zur EURO 2008 in der Schweiz und Österreich führen.

Die Schaltzentrale des georgischen Fußballs liegt an Mosel und Neckar. Klaus Toppmöller agiert von Rivenich aus, der 31 Jahre junge Verbandspräsident Nodar Akhalkatsi leitet die Geschäfte in Heidelberg, wo er sechs Jahre lang studiert hat und seine Frau derzeit noch die Universität besucht. Beide verbringen maximal die Hälfte ihrer Zeit in Tiflis, setzten auf ihre Vertrauensleute in Georgiens Hauptstadt. Die heißen bei Klaus Toppmöller: Heinz Toppmöller (56) und Ralf Minge, der in der Nacht zum Sonntag seinen 46. Geburtstag feiern wird. Bruder Heinz, der mit Klaus Toppmöller (204 Bundesligaspiele, 108 Tore) in der Saison 1974/75 gemeinsam vier Bundesligaspiele für den 1.FC Kaiserslautern bestritten hat, ist seit Februar Trainer der georgischen U19. Ralf Minge (36 Länderspiele für die DDR) ist wieder der Assistent von Klaus Toppmöller, wie schon zu gemeinsamen Zeiten bei Bayer Leverkusen von 2001 bis 2003, und zudem Trainer der georgischen U21.

Dass Klaus Toppmöller seinem Job vornehmlich von zu Hause aus nachgeht, ist für ihn ebenso selbstverständlich wie es das für Jürgen Klinsmann war und für Kollege Otto Rehhagel, Trainer des Europameisters Griechenland, nach wie vor ist. "Die Besten spielen im Westen", sagt Toppmöller. Ergo ist es für ihn einfacher, den Kontakt zu seinen Stars vom Moselörtchen Rivenich aus zu halten. Zu den Deutschland-Legionären Levan Kobiashvili (Schalke 04), Alexander Iashvili, Otar Khizaneisvili (beide SC Freiburg) und Mate Ghvinianidze (1860 München) ebenso wie zu Torjäger Shota Arveladze (AZ Alkmaar), Abwehrstar Kahka Kaladze (AC Mailand), Zurab Kizanishvili (Blackburn Robers) oder dem Ex-Wolfsburger Levan Tskitishvili, der seit Beginn dieser Saison bei Panionios NFC Athen unter dem deutschen Trainer Ewald Lienen spielt.

In Rostock versammelt Klaus Toppmöller am heutigen Montag zum ersten Mal seit seinem Amtsantritt seinen kompletten Kader um sich, obwohl Georgien schon drei Spiele in der EM-Qualifikation (6:0 gegen Färöer, 0:3 gegen Frankreich, 2:3 in der Ukraine) bestritten hat. 28 Spieler hat er eingeladen, möchte mit der zweiten Mannschaft am Mittwoch ein Testspiel gegen Hansa bestreiten. Und mit der ersten Besetzung am Samstag gegen Deutschland Selbstvertrauen tanken für das Qualifikationsspiel gegen Weltmeister Italien am Mittwoch kommender Woche in Tiflis.

Seinen Job bei den Georgiern begann Toppmöller schon wenige Tage vor Beginn seines per 1. Februar abgeschlossenen Zwei-Jahresvertrages. Bei der Auslosung der Qualifikationsspiele für die EURO 2008 in Montreux/Schweiz am 27. Januar. An jenem Freitag fühlte sich der Mann, der Georgien erstmals in der Geschichte zu einer EM-Endrunde bringen soll, wie in einem falschen Film. In der Qualifikationsgruppe B wurden den Georgiern die späteren WM-Finalisten Italien und Frankreich nebst der Ukraine, die im Sommer bei der WM im Viertelfinale am späteren Weltmeister Italien scheiterte, Schottland, Litauen und die Färöer zugelost. "Die größte Hammergruppe dieser Qualifikation", sagte Toppmöller und musste lachen, als Jürgen Klinsmann auf ihn zukam: "Viel Glück, Toppi!" Otto Rehhagel klopfte ihm väterlich auf den Rücken, begleitet mit folgender Binsenweisheit: "Im Fußball ist viel möglich." Okay, Rehhagel hat es mit Griechenland und dem sensationellen Gewinn der EURO 2004 bewiesen. Aber Georgien mit seinen wenigen international erfahrenen Spielern und vielen Akteuren, die für 200, 300 Euro im Monat in der nationalen Liga spielen oder für das Gehalt eines deutschen Regionalligaspielers in anderen Staaten der früheren Sowjetunion am Ball sind?

Toppmöller ist Berufsoptimist und deshalb sieht er "nach wie vor eine große Außenseiterchance". Auch gegen Italien. Aber erst einmal freut er sich auf Deutschland. Und mit ihm das ganze Land am Kaukasus. "Im Ansehen ist Deutschland die absolute Nummer eins in Georgien, die Bundesliga kann man in jeder Sportsbar in Tiflis verfolgen", sagt Toppmöller. Und es ist in seinen Augen "sensationell, dass Georgien innerhalb nur eines Monats gegen Frankreich, Deutschland und Italien spielen darf, gegen die drei besten Mannschaften der Welt".Das sei so, als würden "Ostern, Pfingsten und Weihnachten auf einen Tag fallen". Ein Drei-Akter zum Lernen. "Die Franzosen zeigten uns Technik und Spielwitz, von den Deutschen können wir in puncto Zweikampfverhalten, Physis und unbedingtem Siegeswille viel annehmen und von den Italienern in puncto Abgeklärtheit", meint Toppmöller.

Im Kader: Der Schalker Levan Kobiashvili.

Im Kader: Der Schalker Levan Kobiashvili. imago

Immerhin: Der frühere Arbeitsbeginn im Januar in Montreux verhalfen Georgien und Toppmöller zum Spiel gegen Deutschland. Wie es seinem Naturell entspricht, steuerte Toppmöller bei der EURO-Auslosung direkt auf den deutschen Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff zu: "Olli, können wir nicht vor der WM gegen euch spielen?" Das ging nicht mehr, denn für den einzigen noch freien Termin am 2. Juni suchte Jürgen Klinsmann einen Gegner aus Südamerika; der DFB schloss mit Kolumbien ab. Doch Bierhoff versprach Toppmöller "sein Spiel" gegen Deutschland und hielt Wort.

Nationaltrainer von Georgien statt Regionalligatrainer in Hoffenheim. Oder statt Trainer in der Türkei oder Griechenland, wo er mit mehreren Klubs ebenso in Verhandlungen stand wie mit dem 1. FC Köln. Für Toppmöller war das eine Nacht-Entscheidung. Eigentlich stand der Mann, dessen letztes Bundesliga-Engagement nach 15 Monaten am 17. Oktober 2004 beim Hamburger SV abrupt endete, schon in Hoffenheim und vor allem bei TSG-Mäzen Dietmar Hopp zu Beginn des Jahres im Wort. "Ich war von der Struktur in Hoffenheim begeistert, und die TSG hatte schon fest mit mir gerechnet. Die Arbeitsbedingungen dort sind bundesligareif." Doch beim letzten Gespräch mit den Hoffenheimern bat Toppmöller darum, "die Sache noch einmal überschlafen zu dürfen". Daheim in Rivenich. "In dieser Nacht habe ich mir gesagt: Toppi, du kannst nicht bei deinem früheren Klub 1. FC Kaiserslautern oder beim FC Bayern als Trainer auf dem Nebenplatz antreten bei all dem, was du im Fußball gesehen und erreicht hast." An Schlaf war da nicht mehr zu denken.

So kehrt er nun als Nationaltrainer auf seiner ersten Trainerstation im Ausland zurück auf eine Bühne in Deutschland, wo es ihm lange nachging, wie der letzte Vorhang fiel. Den Anfang seines Endes beim HSV sieht Toppmöller noch heute in der Pokalniederlage in Paderborn, in jenem von Robert Hoyzer manipulierten Spiel, nach dessen Abpfiff er spontan von Manipulation gesprochen hatte und erst viel später mit der Aufdeckung des Wettskandals in Deutschland bestätigt worden ist.

Rainer Franzke