Bundesliga

Die Mini-Lösung

Hamburg: Barbarez zieht sich zurück

Die Mini-Lösung

Armin Veh (li.) und Bastian Reinhardt

Die neue sportliche Leitung beim Liga-Dino: Coach Armin Veh (li.) und Sportvorstand Bastian Reinhardt. imago

"Basti!", eröffnete Konstantin Krüger, der stellvertretende Sprecher des Hamburger SV, die Vorstellungsrunde. "Dann lass uns mal loslegen!" Eine Begrüßung von Kollege zu Kollege, die einiges verriet über das, was passiert war beim "Dino" der Liga. Über Nacht ist Bastian Reinhardt, der auf der Pressestelle ein Praktikum absolvierte, in den Vorstand befördert worden. Ein kometenhafter Aufstieg für ihn beim sensationellen Doppelschlag, mit dem der Erstligist aufwartete.

"Der große Wurf ist das nicht", bemühte sich Horst Becker, der Chef des Aufsichtsrats, erst gar nicht, die mit Eigengewächs "Basti" Reinhardt abgeschlossene, mehr als elfmonatige Suche nach einem Sportvorstand sowie die Überraschung Veh als Trainer schönzureden. Mit Reinhardt, erst kurzfristig kontaktiert, erhielt der achte Kandidat den Zuschlag. Eine Wahl, die in der Anhängerschaft und in der Öffentlichkeit eine durchaus kritische Reaktion auslöste. Vereinsfunktionär Becker versteht die allgemeine Skepsis nicht, appelliert an die Fairness, wenn er über den "Manager-Azubi" sagt: "Natürlich muss Bastian Reinhardt noch viel lernen, doch er ist ein junger Mann, der eine faire Chance verdient hat."

Barbarez zieht die Konsequenzen

Im Aufsichtsrat fiel die Entscheidung pro Reinhardt denkbar knapp aus. Nach kicker-Informationen stimmten neun Mitglieder dafür, genau die erforderliche Stimmenzahl. Zwei Räte enthielten sich, einer votierte dagegen. Die eilends einberufene Geheimsitzung am Pfingstmontag war von der Führung denkbar gut vorbereitet. Auch der Versuch, mit Teammanger Bernd Wehmeyer, von 1995 bis 1998 Manager, einen Gegenkandidaten aufzustellen, wurde abgeblockt. "Überrascht" zeigte sich Aufsichtsrat Sergej Barbarez, zwischenzeitlich auch ein Anwärter, dessen Berufung indes nicht mehr zur Debatte stand. Am Freitag teilte Barbarez via E-Mail seinen Rücktritt an die Mitglieder des Aufsichtsrates mit. Horst Becker bestätigte dies gegenüber der dpa: "Ich bedauere das, kann das aber nachvollziehen."

Große Namen, ergebnislose Gespräche

Reinhardt hin, Veh her. Bis zuletzt hatten die HSV-Bosse, von denen Becker seine Rücktrittsgedanken aufrechterhält, an einer großen Lösung gewerkelt. Große Namen, prominente Vertreter der Zunft, jedoch ergebnislose Gespräche. Zum Beispiel mit Bernd Schuster, wie der Vorsitzende Bernd Hoffmann gestand. Von Favre über Houllier und McClaren bis zu der anvisierten Rückholaktion Jols - die Liste der Kandidaten war lang. Die Entscheidung für Veh, am Montag mit einem Privatjet in die Hansestadt geflogen, fiel spät. Noch brisanter ist der vom Aufsichsrat Becker initiierte Plan, Felix Magath von Schalke loszueisen. "Ich habe mit ihm Kontakt aufgenommen, um ihn für den HSV zu gewinnen." Magath als Supermann, als Trainer und Manager, mit Sitz und Stimme im Vorstand, wie in Wolfsburg, wie in Gelsenkirchen.

Ein Generalbevollmächtigter Magath hätte an der Elbe für Alarm gesorgt. Es wäre die große Lösung gewesen. Eingefädelt vom Aufsichtsgremium, um ein Gegengewicht zum Vorsitzenden Hoffmann zu schaffen. Die Idee mag naiv gewesen, hatte aber genau an diesem Punkt ihren Reiz.

Doch die HSV-Realität im Mai 2010 sieht anders aus: keine große Lösung, vielmehr der kleinste gemeinsame Nenner. Ein Frischling wie Reinhardt, dessen Wahl die Machtverteilung in der Führung kaum verändern wird. Juristisch zwar Vorgesetzter des Urs Siegenthaler, der als Sportlicher Leiter firmiert, für Scouting, Talentsuche und Spielphilosophie laut Stellenbeschreibung verantwortlich sein soll, muss der Ex-Profi als schwächstes Glied im Räderwerk gelten. "Natürlich besitzt Reinhardt noch nicht die Erfahrung, muss noch lernen, ist aber als Mensch überragend", sagt Siegenthaler über seinen Vorgesetzten. Und ein bezeichnender Nachsatz: "Die große Leistung ist, aus einem Lehrling einen Meister zu formen."

In Jubel brechen die Fans in den Internet-Foren auch nicht über die "Veh(l)geburt" bei der Trainerwahl aus. Eine steife Brise weht Armin Veh entgegen, der sich optimistisch präsentiert. Es scheint, als sei die Hypothek für ihn schwerer als das Erbe in Wolfsburg. Und das will etwas heißen.

Hans-Günter Klemm