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Toney, Janelt, Frank: Wie Brentford Liverpool & Co. ärgert

Über den Londoner Klub und seine Besonderheiten

Die 24-Stunden-Regel: Wie Aufsteiger Brentford Liverpool & Co. ärgert

Janelt, Toney, Frank: Hauptdarsteller in Brentfords Erfolgsgeschichte.

Janelt, Toney, Frank: Hauptdarsteller in Brentfords Erfolgsgeschichte. imago images (3)

Eine Gegneranalyse beinhaltet bei Jürgen Klopp nicht nur das Sichten von Spiel- und Spielermaterial, sondern auch das, was auf dem Weg dahin passiert. Und da passierte es neulich, dass Liverpools Trainer "eine der unterhaltsamsten Runden" verfolgte, "die ich in den letzten Jahren gesehen habe".

Er meinte damit die Pressekonferenz von Thomas Frank, Trainer des damals kommenden Gegners Brentford. "Sie war wirklich gut", sagte Klopp also über jene Pressekonferenz und lobte dann auch das, wofür Frank eigentlich bezahlt wird. "Der Fußball, den sie spielen, ist unglaublich." Mehr noch: Der ganze Verein "ist unglaublich". "Sie zeigen, dass man auch mit wenig Geld etwas ganz Besonderes schaffen kann."

So besonders, dass aus dem eher üblichen Den-Gegner-in-den-Himmel-loben rund 30 Stunden später ein echtes Staunen wurde. "Das war ein absolut verrücktes Spiel", sagte Vitaly Janelt, der gegen Klopps Liverpool zum zwischenzeitlichen 2:2 getroffen hatte. Am Ende holte Brentford trotz eines erneuten Rückstandes ein 3:3. "Von solchen Momenten träumst du als kleines Kind", strahlte Janelt, der eines von vielen Beispielen dafür ist, warum Brentford ungefähr gar nicht mit anderen Aufsteigern in England zu vergleichen ist.

Mal sehen, wohin uns das führt.

Thomas Frank

74 Jahre hatte der Klub aus dem Westen Londons auf Erstligafußball warten müssen und einen Wettprofi gebraucht, um von der vierten Liga nach ganz oben zurückzukehren. Matthew Benham, durch Sportwetten Millionär geworden, befreite Brentford aus einem Schuldenloch und wählte zur Personalwahl einen Ansatz, den es im Profifußball sonst nur in Dänemark gibt. Weil auch der FC Midtjylland Benham gehört.

Vitaly Janelt bekam im Sommer 2020 ein achtminütiges Video und eine achtseitige Powerpoint-Präsentation geschickt, bevor er ein offizielles Gespräch mit den Verantwortlichen des damaligen Zweitligisten führte. Auf diesen Seiten stand unter anderem, warum gerade er, der beim VfL Bochum nicht mal Stammspieler war, Brentford zum Aufstieg verhelfen sollte.

Janelt sah nicht nur, was er gut oder nicht so gut machte, er bekam in Form von Zahlen auch haargenau präsentiert, was er beizutragen hatte. "Wenn ich mich nicht täusche, waren es sechs Tore und sechs Vorlagen als Sechser und acht Tore und acht Vorlagen als Achter."

Diese Werte waren nicht zufällig berechnet worden. Sie basierten auf genauen Algorithmen und Rechnungen, mit denen Brentford seit Jahren seine Neuzugänge auswählt. "Wie viele Punkte brauchen wir für den Aufstieg? Wie viele Tore müssen wir schießen? Wie viele dürfen wir maximal kassieren?" So kalkulieren Benham und Co. - und das mit Erfolg.

Jürgen Klopp und Thomas Frank nach dem 3:3 zwischen Brentford und Liverpool

Jürgen Klopp und Thomas Frank nach dem 3:3 zwischen Brentford und Liverpool. imago images/Shutterstock

"Jeder weiß, was er zu tun hat, jeder ist bereit, den letzten Meter zu gehen", hatte zum Beispiel Klopp über das Team gesagt, das ihm kurz darauf so viele Gegentore einschenkte wie zuvor letztmals Real Madrid im Champions-League-Viertelfinale.

Nachdem Brentford zum Auftakt in die erste Erstliga-Saison seit 1947 2:0 gegen Arsenal gewonnen hatte, gewährte Thomas Frank seiner Mannschaft 24 Stunden der ausgelassenen Freude. Danach musste der Schalter umgelegt und der Fokus auf den nächsten Gegner gerichtet werden. Diese 24-Stunden-Regel soll dafür sorgen, dass niemand aus dem Kader den Fokus verliert. Sei es nun nach einem Sieg oder einer Niederlage, nach 24 Stunden ist das vergangene Spiel Vergangenheit.

Newcastle wollte Toney nicht - jetzt trifft er fast so oft wie Newcastle

Als "zuversichtlich, aber bescheiden" beschreibt Frank seine Mannschaft, die nach sieben Spieltagen in der Tabelle vor Arsenal oder Tottenham auf Platz sieben liegt. "Ich glaube fest an meine Spieler", sagt der 48-jährige Däne. Nach zwei Jahren als Co-Trainer unter Dean Smith (heute Aston Villa) stieg Frank, der vorher verschiedene dänische U-Nationalteams und Bröndby betreut hatte, im Oktober 2018 zum Chefcoach auf und hat es seitdem fertig gebracht, aus Spielern, die oft keiner mehr wollte, das rauszuholen, was oft keiner sah.

Ivan Toney

Sonst noch was? Ivan Toney trifft auch in der Premier League. imago images/PRiME Media Images

Ivan Toney zum Beispiel, ein 25-jähriger Mittelstürmer, war von Newcastle United Jahr für Jahr verliehen und 2020 für fünf Millionen Euro an Brentford verkauft worden. Er zahlte das Vertrauen mit 41 direkten Torbeteiligungen (31 Tore, zehn Vorlagen) in einer Saison zurück, Newcastle kam insgesamt auf 46 Treffer.

Auch Janelt flog in Deutschland unter dem Radar und war in Franks 4-3-3- oder 3-5-2-System sofort gesetzt. "Wir sind eine der wenigen Mannschaften, die versucht, Fußball zu spielen", erklärte er im Februar dem kicker, als Brentford noch die knüppelharte Championship aufmischte. "Das hat nichts mit 'Kick and Rush' zu tun. Thomas möchte, dass wir immer eine Lösung finden. Egal, ob ein Gegner gegen uns Pressing spielt oder tief steht. Jeder weiß, was er auf seiner Position zu tun hat." Genau das meinte Klopp.

Und auch das ist kein Zufall. Franks Trainerstab analysiert die Daten jeder Trainingseinheit, um sicherzustellen, dass kein Spieler auch nur ein Prozent nachlässt. Sollte Brentford ein Spiel verlieren, weil der Gegner einfach besser war, ist das okay. "Ein Mangel an Intensität", schreibt "The Athletic", "ist hingegen unverzeihlich".

Jetzt wartet Chelsea: Ob Tuchel sich freut?

Während Norwich unter Daniel Farke zusehends wieder in Richtung 2. Liga fährt, schafft es Brentford, neben der erforderten Intensität auch attraktiven Fußball zu spielen. "Ich wusste, dass wir in allen Spielen versuchen würden, mutig zu sein", meinte Frank nach dem jüngsten Last-Minute-Sieg bei Nachbar West Ham. "Zwölf Punkte sind eine Menge, aber ich setze mir keine Ziele. Wir konzentrieren uns auf das nächste Spiel (gegen Chelsea, Anm. d. Red.) und die nächste Trainingseinheit."

Das ist der Ansatz, den Frank auch seinen Spielern predigt. Freut euch, ärgert euch, aber morgen geht es weiter. "Mal sehen, wohin uns das führt" sagt er. "Aber natürlich sind wir stolz und zufrieden mit dem, was wir bisher erreicht haben, und das haben wir uns auch wirklich verdient."

Ob jetzt auch Thomas Tuchel so viel Gefallen findet an Franks Pressekonferenz?

Mario Krischel

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