2. Bundesliga

DFB-Sportgericht lehnt Einspruch von Wehen Wiesbaden ab

Fall wirft Fragen nach der Komplexität der Fußballregeln auf

DFB-Sportgericht lehnt Einspruch von Wehen Wiesbaden ab

Klare Sache: Schiedsrichter Martin Petersen sieht, dass der Ball vor dem Tor im Aus war.

Klare Sache: Schiedsrichter Martin Petersen sieht, dass der Ball vor dem Tor im Aus war. imago images

Ausgangspunkt des Einspruchs war die Aberkennung des 1:0-Treffers der Hessen durch Manuel Schäffler nach VAR-Einsatz bei der 0:1-Auswärtsniederlage, weil der Ball beim vorausgegangenen Dynamo-Angriff im Aus war. Einen Regelverstoß des Schiedsrichters Martin Petersen erkannten weder Lorenz noch dessen Beisitzer, der Rechtsanwalt Georg Schierholz und der Profifußballer Stefan Bell (Mainz 05).

Tatsächlich können laut VAR-Protokoll, das für die mit Video-Assistent laufenden Begegnungen bindend ist, Fehler des VAR und des Schiedsrichters nichts an der Wertung ändern. Einzig bei einem Wahrnehmungsfehler des Unparteiischen, etwa wenn er einen Einwurf der falschen Mannschaft zuspricht und in der unmittelbaren Folge ein Tor fällt, hätte der Einspruch Aussicht auf Erfolg gehabt. Weshalb sich Wehen-Anwalt Dr. Joachim Rain auch der Frage widmete, ob der VAR hätte eingreifen dürfen. Rein technisch ist die Rückbetrachtung bis zur letzten Spielfortsetzung denkbar, was in der Praxis natürlich kaum durchführbar ist.

"Glücklich mit dieser Situation kann keiner sein, der im Fußball tätig ist"

Für Petersen, der die Partie geleitet hatte, ist daher entscheidend, "dass es eine stringente Angriffssituation war". Und die begann, so teilte das IFAB offenbar dem DFB mit, mit dem Ball im Aus; denn danach sei kein Dresdner Akteur mehr kontrolliert am Spielgerät gewesen. Eine Rückmeldung, mit der man in Frankfurt/Main nur bedingt einverstanden ist. So räumte DFB-Lehrwart und Regelexperte Lutz Wagner ein: "So wie das da gelaufen ist, ist nicht im Sinne des Fußballs, so nennt man das bei der FIFA. Im Moment stoßen wir da an Grenzen. Glücklich mit dieser Situation kann keiner sein, der im Fußball tätig ist."

Auch Dr. Jochen Drees (Projektleiter Video-Assistent) räumt ein: "Hätte es während des Angriffs einen Wiesbadener Rückpass gegeben, hätte es kein Signal durch den Video-Assistenten gegeben." Einen Verstoß Petersens gegen Regel oder Protokoll können die beiden langjährigen Top-Referees nicht erkennen. Und auch Richter Lorenz nicht.

Doch die angesprochene IFAB-Rückmeldung verdeutlicht, wie kompliziert das Spiel Fußball mittlerweile geworden ist. Denn sie besagt ja, dass ein Angriff nicht zwangsläufig mit dem ersten Ballkontakt eines Spielers der stürmenden Mannschaft beginnen muss. Alleine schon, wenn er die Schriftsätze sehe, sagte Dynamo-Sportdirektor Ralf Minge, der an der Seite von Rechtsanwalt Sven Piel die Beklagtenseite vertrat: "Es ist die Höchststrafe, was mit unserem Spiel gemacht wird."

SVWW stellt Regel infrage

Tatsächlich stellten die Weher Vertreter den Geist der Regel infrage und hoffen mittelfristig auf eine Konkretisierung der Regelung. "Unabhängig vom Ergebnis muss man sich fragen, ob es im Sinne des Fußballs ist, wie die Regeln ausgelegt werden", findet Nico Schäfer. Der Geschäftsführer des Zweitliga-Aufsteigers plädiert "für einen gesunden Menschenverstand bei der Auslegung". Eingedenk einer anderen, denkwürdigen Entscheidung ein nachvollziehbarer Appell. Denn nur wenige Wochen vor der Aberkennung des Schäffler-Tores war bei der Partie Holstein Kiel gegen den VfL Bochum ein Strafstoß gegen die Norddeutschen verhängt worden. Der Grund: Einer ihrer Auswechselspieler hatte den Ball vor Übertreten der Auslinie in einer völlig unkritischen Situation zurück aufs Feld gespielt - eine regeltechnisch korrekte, aber im Sinn mehr als fragwürdige Entscheidung.

Daher regte Schäfer das Sportgericht auch an, eine Empfehlung zu einer besseren Ausarbeitung dieser Regel respektive des VAR-Protokolls auszusprechen. "Natürlich gibt es Punkte, über die man geteilter Meinung sein kann, zum Beispiel über die Frage, ob man eine zeitliche Begrenzung setzen kann für den Einsatz des VAR", fasste dann auch Lorenz zusammen. Eine konkrete Empfehlung sprach der langjährige Strafrichter zwar nicht aus, erklärte aber: "Ich bin ganz sicher, dass dieser und andere, vergleichbare Fälle, zu neuen Diskussionen führen werden."

Benni Hofmann