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NFL-Draft: Tua Tagovailoa - der Linkshänder, der keiner ist

Die spezielle Geschichte des Quarterback-Talents

Der Linkshänder, der keiner ist: Tua Tagovailoa im Porträt

Ein Linkshänder, der die Massen elektrisiert: Tua Tagovailoa.

Ein Linkshänder, der die Massen elektrisiert: Tua Tagovailoa. getty images

Sein Vorname ist schon ein Kunstwerk an sich. Doch vor Tuanigamanuolepola Tagovailoa fürchten sich nicht nur die Reporter und Kommentatoren in der NFL, auch für die Defensivreihen der Liga könnte er bald zum großen Problem werden. Auf den Eintritt von "Tua" in die NFL hatten viele Fans seit mehreren Jahren hingefiebert. Doch nun geschieht er unter ganz anderen Vorzeichen.

Bereits als High-School-Spieler ist der Quarterback vielen Football-Fans ein Begriff, sein immenses Talent dringt schnell von seiner Heimat Hawaii aufs US-amerikanische Festland vor. Und spätestens, nachdem Tagovailoa im Januar 2018 im Alter von gerade einmal 19 Jahren im Finale der College-Meisterschaft während des Spiels als Quarterback übernimmt und die Alabama Crimson Tide tatsächlich noch zum Sieg führt, steht für viele Beobachter fest: Hier geht ein ganz heller Stern auf.

Auch Corona sorgt für Fragezeichen hinter Tua

Es ist der Höhepunkt in einer College-Karriere, in der Tagovailoa wie kaum ein anderer Spieler von den Medien und NFL-Verantwortlichen beobachtet wird - und eine, die im November 2019 ein jähes Ende findet. Im Spiel gegen Mississippi State verletzt sich der junge Spielmacher schwer an der Hüfte. Seine letzte College-Saison ist frühzeitig gelaufen. Kurz steht sogar zur Debatte, dass dieses Riesentalent nie wieder professionell Football spielen kann.

Als so schlimm stellt sich die Verletzung schließlich nicht heraus, doch trotzdem bleiben vor dem Draft am kommenden Donnerstag die Fragezeichen: Ist es ein Risiko, diesen Spieler zu draften? Diesen Spieler, der seit eben diesem Spiel im November nicht mehr auf dem Rasen stand. Diesen Spieler, der zwar beteuert, er sei wieder vollständig genesen, was aber aufgrund der Corona-Pandemie derzeit nicht von unabhängigen Ärzten bestätigt werden kann.

Tua wird der einzige Linkshänder-Quarterback - obwohl er Rechtshänder ist

Fest steht wohl: Als erster Spieler im Draft wird Tua - entgegen zahlreicher Prophezeiungen im vergangenen Jahr - wohl nicht ausgewählt werden, sondern LSU-Quarterback Joe Burrow. Für Tagovailoa springen statt den Cincinnatti Bengals damit zwei Ziele ins Auge: Die Miami Dolphins, in deren Umfeld im vergangenen Jahr schon das Hashtag #tankingfortua (verlieren, um Tua draften zu können) kursierte - und die Los Angeles Chargers, die nach dem Abgang von Philip Rivers dringend einen Quarterback und Publikumsmagneten benötigen.

Wo auch immer der Hawaiianer schließlich landet: Er wird erst einmal ein Alleinstellungsmerkmal innehaben. Tua Tagovailoa wirft mit der linken Hand - für Quarterbacks alles andere als üblich. Linkshändige Signal Caller sind in der NFL krass unterrepräsentiert. Von den knapp 100 Spielmachern, die aktuell in der Liga unter Vertrag stehen, findet sich kein einziger Linkshänder. Und eigentlich ist auch Tua keiner.

Tua Tagovailoa

Die Nacht, in der sein Stern aufging: Tua Tagovailoa mit der College-Trophäe. getty images

Bis heute schreibt er mit rechts. Er kam 1998 auch als Rechtshänder zur Welt, als erster Sohn von Galu Tagovailoa - einem Kraftsportler und Linkshänder. "Ich war immer der einzige in der Familie, also dachte ich: Okay, ich mache meinen Sohn zum Linkshänder", gibt er später in einem Interview zu. Als Tua mit drei oder vier Jahren im Garten zum ersten Mal Bälle wirft, drückt ihm der Vater den Ball in die linke Hand. Immer und immer wieder. "Die Bewegung wurde irgendwann flüssig und er ist hineingewachsen", erzählt Tagovailoa senior.

Die genauen Pässe haben einen hohen Preis

Der Einfluss des Vaters auf Tuas Karriere hat aber auch eine dunkle Seite, die zum Vorschein kommt, als Tua an der High School zum Quarterback wird. Immer, wenn er eine Interception wirft, bekommt er es nach dem Match zu spüren. "Mit dem Gürtel und anderen Dingen", habe sein Vater ihn dann geschlagen, erzählt Tua 2019 bei ESPN.

Das Interview schlägt in Amerika verständlicherweise hohe Wellen der Empörung, Tagovailoa senior wird für seine Methoden kritisiert und beschimpft. Nur Tua selbst macht seinem Vater keine Vorwürfe. Die Maßnahmen hätten ihn motiviert und inspiriert - und an der Entwicklung seiner größten Stärke geholfen: Tua verfügt über eine fast schon unheimliche Genauigkeit in seinen Pässen, von US-Experten wird er nicht selten als "linkshändiger Drew Brees" bezeichnet. Seine College-Statistiken weisen 87 Touchdown-Pässe aus - und gerade einmal elf (!) Interceptions.

Was das angeht, ist Tua ein unheimlich "sicheres" Draft-Prospect. Wie die Teams, vor allem die Dolphins und Chargers, seine Verletzung bewerten, wird sich am Donnerstag zeigen.

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