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Kommentar zu Deutschlands chaotischen Auftritt von Wembley

Kommentar zum Remis in England

Der chaotische 3:3-Auftritt von Wembley nährt die Zweifel

Die DFB-Elf rettete am Ende immerhin noch ein Remis.

Die DFB-Elf rettete am Ende immerhin noch ein Remis. Getty Images

Zum Stimmungs-Endspiel mit Blick auf die WM war der Klassiker im Wembleystadion erkoren worden. Da die Engländer bereits als Absteiger in der Nations League feststanden und die deutsche Mannschaft nicht mehr Gruppensieger werden konnte, hatte dieses auf dem Papier unbedeutend gewordene Match für beide Teams vor allem eine psychologische Bedeutung.

Nach zwei grundverschiedenen Halbzeiten stand ein 3:3 auf der Anzeigentafel, das sich diesbezüglich für beide Seiten wie eine Niederlage anfühlte. Für die Engländer, weil sie ein Spiel gedreht und nach einem krassen Torwartfehler kurz vor Schluss doch wieder aus der Hand gegeben hatten. Und noch mehr für die DFB-Belegschaft um Hansi Flick, weil sie das Spiel nach einer 2:0-Führung nicht nach Hause gebracht und stattdessen geradezu naiv die Führung wieder abgeschenkt hatte.

Damit bleibt die deutsche Mannschaft in sechs der letzten sieben Spiele sieglos, sie ging in diesen sieben Spielen nur einmal beim 5:2 gegen eine italienische B-Formation als Sieger vom Platz. Das ist wahrlich kein Mutmacher für die WM. Vielmehr nährte die deutsche Mannschaft mit einem erst mutlosen und in der zweiten Halbzeit geradezu chaotischen Wembley-Auftritt viele Zweifel. Die nach dem Ungarn-Spiel (0:1) geforderte Reaktion blieb beim Sicherheits-Ballgeschiebe in der ersten Halbzeit aus, danach folgten 25 starke Minuten und ein totaler Einbruch nach Englands Anschlusstreffer.

Wer bei der WM eine bedeutende Rolle spielen möchte, darf einen Zwei-Tore-Vorsprung nicht so leichtfertig wieder aus der Hand geben, der darf sich nicht so leicht den Schneid abkaufen lassen. Wenn man schon gegen einen solch angeknockten Gegner, wie ihn die Engländer zu diesem Zeitpunkt vor befremdlich stillen Fans verkörperten, derart leicht ins Wanken gerät, wie will man in Katar gegen formstarke Konkurrenz wie beispielsweise Brasilien oder Argentinien bestehen?

Zum ersten Mal drei Gegentore unter Flick

Flick sieht dies ebenso, die Enttäuschung war dem Bundestrainer in den Minuten nach dem Abpfiff ins Gesicht geschrieben. Zum ersten Mal in seiner Amtszeit musste er drei Gegentreffer erklären, mehr Gegentore kassierte eine DFB-Auswahl zuletzt vor knapp zwei Jahren in Sevilla bei der legendären 0:6-Klatsche gegen Spanien. Der etatmäßige und diesmal gesperrte Abwehrchef Antonio Rüdiger wurde schmerzlich vermisst, der international noch unerfahrene Nico Schlotterbeck präsentierte sich nicht nur beim plumpen Elfmeter-Foul als arg unbedarfter Ersatz.

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Es gab aus deutscher Sicht freilich auch positive Erkenntnisse an diesem Abend. Der spielfreudige und flinke Jamal Musiala war diesbezüglich der größte Lichtblick, sein Auftritt glich einem Bewerbungs-Statement für die Aufnahme in die WM-Startelf. Auch Doppeltorschütze Kai Havertz unterstrich, dass er ein Mann für die besonderen Momente sein kann. Doch diese vielversprechenden Ansätze sind eher Randnotizen angesichts der grundsätzlichen Erkenntnis, dass die deutsche Mannschaft sieben Wochen vor dem WM-Ernstfall gegen Japan noch bedenklich weit entfernt ist von den eigenen Ansprüchen und erst recht von der Weltspitze.