Champions League

Das Färöer-Märchen: "Auf Rhodos klingelte mein Telefon"

Torwart Johansson erklärt, warum Klaksvik den Europapokal aufmischt

Das Färöer-Märchen: "Auf Rhodos klingelte mein Telefon"

War schon in die Innenverteidigung gewechselt: Jonathan Johansson - hier nach einer Elfmeterparade in der zweiten CL-Quali-Runde.

War schon in die Innenverteidigung gewechselt: Jonathan Johansson - hier nach einer Elfmeterparade in der zweiten CL-Quali-Runde. IMAGO/Bildbyran

Die Saison 2023/24 ist schon jetzt ein historisches Ereignis für den färöischen Fußball. Klaksvik Ittrotarfelag wird der erste Klub in der Gruppenphase eines Europapokal-Wettbewerbs sein. Es steht nur noch nicht fest, in welchem. Mit Siegen gegen den ungarischen Meister Ferencvaros Budapest (0:0, 3:0) und den schwedischen BK Häcken (0:0, 3:3 n. V./4:3 i. E.) erreichte das Team aus dem 5000-Einwohner-Ort Klaksvik die dritte Runde der Champions-League-Qualifikation, in der an diesem Dienstag (20.45 Uhr) nun Norwegens Champion Molde FK zum Hinspiel kommt.

Der schwedische Torwart Jonathan Johansson (31), ein großer Teil der aktuellen Erfolgsgeschichte Klaksviks, spricht im kicker-Interview über die unwirkliche Erfolgsstory - auch seine eigene: Er hatte sein Leben als Profifußballer eigentlich schon aufgegeben.

Wie war die Reaktion nach den Siegen gegen Ferencvaros und BK Häcken, Herr Johansson?

Es war absolut verrückt. Es kommen Anrufe aus der ganzen Welt rein. Auch die außereuropäischen Medien haben erkannt, dass das eine große Sache ist.

Ich habe mich ihnen angeschlossen, allerdings unter der Bedingung, dass ich nicht als Torwart spiele.

Jonathan Johansson

Warum haben Sie aufgehört, Fußball zu spielen?

Ich habe 2021 mit dem Profifußball aufgehört. Um ehrlich zu sein, hatte ich es satt. Ich habe aber nicht ganz aufgehört. Meine Freunde baten mich, für einen Verein in der fünften norwegischen Liga zu spielen. Ich habe mich ihnen angeschlossen, allerdings unter der Bedingung, dass ich nicht als Torwart spiele. Ich habe in der Innenverteidigung gespielt. Auf dieser Position war ich auf diesem Niveau recht gut.

Sie hatten die Lust am Fußball verloren und haben nur noch zum Spaß gespielt. Wie kam es, dass Sie bei KI Klaksvik unterschrieben haben?

Ich war im Urlaub auf Rhodos, als mein Telefon klingelte. Es war Magne Hoseth, der Trainer von KI Klaksvik, der von den Färöern anrief. Er brauchte einen Ersatztorwart und hat gefragt, ob ich Lust hätte. Der Vertrag war auf drei Monate befristet. Ich habe ihm gesagt, dass ich seit zwei Jahren kein Spiel mehr als Torwart bestritten habe. Magne meinte, er wisse das alles. Er war sich sicher, dass ich meine Leistung bringen könnte, sobald ich wieder in Form bin. Ich bin ein sehr abenteuerlustiger Typ, und Magne weiß das. Als ich auf die Färöer kam und die Möglichkeit hatte, Champions-League-Qualifikationsspiele zu bestreiten, fiel es mir leicht, Ja zu sagen.

Das kicker-Managerspiel:

Seitdem haben Sie in der Champions-League-Qualifikation in den Spielen gegen Ferencvaros und BK Häcken dreimal eine weiße Weste behalten - und im Elfmeterschießen in Schweden einen Elfmeter gehalten. Hätten Sie sich das alles vorstellen können, als Sie unterschrieben haben?

Nein, überhaupt nicht. Ich war bereit, meine Rolle in der Mannschaft sehr ernst zu nehmen. Aber wenn man Ersatztorhüter ist, erwartet man nicht, dass man viel spielt. Ich sah mich schon auf der Bank sitzen und Kaffee trinken. Ich kann gar nicht glauben, was in den letzten Wochen passiert ist. Ich hatte Urlaub von meinem Zivilberuf als Elektriker, und jetzt bin ich Teil einer Mannschaft, die Klubs aus dem Weg räumt, die in unseren Augen Giganten sind.

Ich muss auch mit meinem Chef zu Hause sprechen. Denn im Moment habe ich einen verlängerten Urlaub von meiner Arbeit als Elektriker.

Jonathan Johansson

Stimmt es, dass Sie einmal ein Probetraining bei BK Häcken absolviert haben?

Ja. Ich hatte dort 2019 ein Probetraining. Ich kann es ihnen nicht verübeln, dass sie mich nicht unter Vertrag genommen haben, denn ich habe nicht gut gespielt. Ich war sechs Stunden mit dem Zug aus Norwegen angereist und bin direkt zum Training gegangen. Meine Konzentration war schlecht. Als Schwede ist es natürlich etwas Besonderes, den schwedischen Meister zu schlagen. Ich habe Freunde, die bei BK Häcken spielen, und andere Freunde, die für den Verein arbeiten. Es ist ein Verein, den ich sehr respektiere.

Ihr Vertrag läuft am 31. August aus. Hat KI Klaksvik Ihnen einen neuen Vertrag angeboten?

Nein, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass wir sehr bald darüber sprechen werden. Ich denke, ich habe meine Sache gut gemacht. Ich muss auch mit meinem Chef zu Hause sprechen. Denn im Moment habe ich einen verlängerten Urlaub von meiner Arbeit als Elektriker.

Viele würden denken, dass es für einen so kleinen Verein nicht möglich sein sollte, den ungarischen und den schwedischen Meister auszustechen. Was ist das Geheimnis hinter all dem?

Wir sind als Einheit extrem stark. Vielleicht liegt es daran, dass der Altersdurchschnitt im Kader ziemlich hoch ist. Wir sind erwachsene Männer, die keinen Gegner fürchten. Eine Sache ist, was wir mit unseren Füßen machen, aber auch die Mentalität in dieser Gruppe ist sehr stark. Jeder Spieler kennt seine Rolle genau. Das gilt auch für die Spieler, die von der Bank kommen. Alle Spieler verstehen ihre Rolle sehr gut, so dass es für einen Ersatzspieler einfach ist, sich einzubringen.

Als der Schlusspfiff ertönte, habe ich meinen Trainer umarmt und wir haben beide geweint.

Jonathan Johansson

Was war für Sie persönlich bisher der größte Moment in der Qualifikation?

Der Sieg gegen Ferencvaros war der größte Moment in meiner Karriere. Im Vergleich zu uns sind sie Giganten. Es war sehr emotional. 20.000 ihrer Fans sind aufgestanden und haben uns in den letzten Minuten des Spiels applaudiert. Als der Schlusspfiff ertönte, habe ich meinen Trainer umarmt und wir haben beide geweint. Es war sehr emotional, weil wir wussten, dass wir etwas Spektakuläres geschafft hatten.

In der dritten Runde treffen Sie auf den norwegischen Meister Molde. Sie haben bereits zwei große Überraschungen geschafft. Wird es eine dritte geben?

Wir haben schon zweimal etwas geschafft, was fast unmöglich sein sollte. Aber ich persönlich glaube, dass wir uns noch steigern können. Wir waren im Ballbesitz nicht so gut, wie wir sein wollen. Wir können selbstbewusster am Ball sein. Ich denke, jetzt, wo wir so weit gekommen sind, müssen wir einfach weiter hart arbeiten. Wir wissen jetzt, dass alles möglich ist.

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