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Darts-WM: Clemens im Interview: Ob sich jemand aufplustert, ist nicht so wichtig"

Die deutsche Nummer eins über die Darts-WM

Clemens im Interview: "Ob sich jemand groß aufplustert, ist nicht so wichtig"

Walk-on des "German Giant": Gabriel Clemens ist in London wieder dabei.

Walk-on des "German Giant": Gabriel Clemens ist in London wieder dabei. picture alliance / Action Plus

Herr Clemens, bald beginnt die Darts-WM. Sind Sie froh, dass Sie heute keine Fragen zu One-Love-Binden oder einem umstrittenen Verband beantworten müssen?

(lacht) Ja, das ist mit Sicherheit nicht schlecht.

Verfolgen Sie die Fußball-WM in Katar?

Ja, aber nicht wirklich. Ich bin viel am Trainieren. Klar hat man die deutschen Spiele geguckt, aber es ist auch nicht wirklich Vorfreude auf Fußball da gewesen. Irgendwie gehört die WM in den Sommer.

Anders als die Darts-WM, die wie gewohnt im Dezember startet. Sie haben sich erstmals für das Turnier 2019 qualifiziert. Wie hat sich Ihr erster Walk-on im Ally Pally angefühlt?

Beim ersten Mal war ich auf jeden Fall nervös. Ich war schon zwei bis drei Tage vorher da, habe mir alles mal angeguckt und mich vorne in die Halle gesetzt, wo wir Spieler uns hinsetzen dürfen. Der Ally Pally ist kleiner, als man denkt, er sieht ja riesig aus. Aber es ist halt sehr laut. Das ist schon eine coole Kulisse.

In der 2. Runde war leider schon Schluss, bei der WM 2020 schon in der ersten Runde. War die Aufregung schuld?

Nein, aufgeregt war ich eigentlich gar nicht. Es gibt einfach Tage, da läuft es nicht so richtig. Da fliegt man dann halt direkt raus.

Nur, wenn mich Medienleute danach fragen.

Clemens auf die Frage, wie oft er noch ans Ratajski-Match denkt

Bei der WM 2021 gewannen Sie das erste rein deutsche Match gegen Nico Kurz, besiegten anschließend auch noch den amtierenden Weltmeister Peter Wright und zogen als erster Deutscher ins Achtelfinale ein. War das Ihr größtes Match?

Ich glaube schon, das Medieninteresse war auch sehr groß. Das Spiel gegen Nico war auch schon schwer, weil man sich schon ewig kennt. Aber gegen Wright, das war mit Sicherheit das größte Spiel.

Danach verloren Sie gegen den Polen Krzysztof Ratajski, obwohl Sie so nah dran waren am Sieg. Wie oft denken Sie noch an das Duell und vor allem die sieben vergebenen Matchdarts zurück?

Immer nur, wenn die Medienleute mich fragen (lacht). Es ist eh nicht mehr zu ändern. Ich habe seitdem wieder so viele Spiele gemacht, da denkt man an sowas gar nicht zurück.

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Gegen Ratajski mussten Sie schon ein paar Niederlagen schlucken. Ist er Ihr Angstgegner, beziehungsweise gibt es so etwas beim Darts überhaupt?

Nein, Angstgegner gibt es nicht. Man bereitet sich auf jedes Spiel gleich vor. Ich habe natürlich keine gute Bilanz gegen ihn, aber irgendwann wird es auch umgekehrt sein.

Im Vorjahr lief es nicht ganz so gut. Gegen Jonny Clayton waren Sie im Prinzip chancenlos.

Clayton war in super Form. Ich habe die paar Chancen, die ich hatte, nicht genutzt. Dann war das Spiel relativ schnell gegessen.

Ist es anstrengender, zum Beispiel gegen einen emotionalen Gerwyn Price zu spielen, der nach starken Würfen laut jubelt?

Das macht eigentlich gar nicht so einen Unterschied. Price macht das ja auch nur, nachdem er geworfen hat. Dann geht er seine Pfeile holen, und dann ist es auch gut. Man hat eher Probleme, wenn man gegen ganz langsame oder ganz schnelle Spieler antreten und seinen Rhythmus darauf einstellen muss. Ob sich jemand groß aufplustert, das ist nicht so wichtig.

Stichwort Geschwindigkeit. Spielen Sie lieber gegen den sehr langsamen Justin Pipe oder einen Turbowerfer wie Michael "Bully Boy" Smith?

Eher Bully Boy. Schneller Rhythmus ist für mich einfacher zu spielen, weil ich selbst relativ schnell spiele.

Ich habe mein Handy in die Ecke gelegt und geschlafen.

Clemens über seine Reaktion auf den Sieg gegen Wright

Wie stimmen Sie sich auf Spiele ein? Gibt es bestimmte Rituale?

Eigentlich gar nicht. Man ist so drei Stunden zuvor in der Halle und spielt sich warm. Man versucht, den Ablauf immer relativ gleich zu halten.

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Sein größter Sieg: Gabriel Clemens schlug bei der WM 2021 Peter Wright. Getty Images

Und nach den Spielen?

Meistens ist man einfach nur müde, gerade nach so einem Spiel wie gegen Wright. Ich habe mein Handy in die Ecke gelegt und geschlafen. Interviews musste ich auch nicht allzu viele geben. Der nächste Tag war aber dann extrem.

Was macht die Faszination Ally Pally für Sie aus?

Die Stimmung - da geht nichts drüber. Fast jeder Deutsche kennt inzwischen den "Ally Pally", das ist eine Kultstätte geworden.

Sie könnten in Ihrem ersten Match auf eine 18-Jährige treffen, sollte Beau Greaves gegen den Iren William O'Connor gewinnen. Ist es schwieriger, gegen eine Frau zu spielen?

Sie ist auf jeden Fall sehr gut. Sie hat sich über die Women's Series qualifiziert und 52 Spiele in Folge gewonnen. Mit 18 - das spricht ja schon für sich. Aber sie spielt gegen einen erfahrenen O'Connor, das wird auf jeden Fall interessant. Ich guck es mir natürlich an, aber wer mein Gegner sein wird, ist mir relativ egal. Das beeinflusst meine Vorbereitung nicht.

Das Publikum wäre dann aber wie in London gewohnt auf der Seite des Underdogs …

Das auf jeden Fall, aber das gehört auch dazu. Ändern kann ich es eh nicht, ich muss mein Spiel spielen, dann kann ich auch beide schlagen.

Sie gelten als eher ruhiger Vertreter im Darts. Zwei Neundarter sind Ihnen bei großen Turnieren schon gelungen. Würden Sie bei einem in London mal richtig ausrasten?

Vermutlich schon - aber im Endeffekt ist es auch nur ein Leg. Es bringt mir nichts, mich da ewig zu freuen und dann verliere ich das Match. Danny Noppert hat gegen mich mal einen Neundarter geworfen, das nächste Leg habe ich dann glaub ich mit 23 Darts gewonnen. Es ist eben wirklich nur ein Leg.

Sie sind nicht der einzige deutsche Spieler bei der WM. Sind die Deutschen eine verschworene Truppe oder macht jeder eher sein eigenes Ding?

Im Endeffekt sind wir natürlich alles Einzelsportler, aber natürlich hat man Kontakt. Wir haben eine WhatsApp-Gruppe und reisen oft zusammen. Diesmal wird es wohl eher nicht passen. Martin Schindler spielt sehr spät, Florian Hempel ganz am Anfang. Von daher ist es wohl diesmal so, dass in England jeder eher in seiner Gruppe sein wird.

Mit wem aus dem internationalen Kreis haben Sie den meisten Kontakt?

Ich verstehe mich eigentlich mit fast jedem gut. Aber man macht eher ein bisschen Small Talk. Da ist jetzt keiner dabei, den ich an Weihnachten einlade (lacht).

darts-wm 2023

Was ist Ihr Ziel für dieses Turnier?

Erst einmal mein erstes Spiel gewinnen, der Fokus liegt auf dem 21. Dezember. Alles andere wird man sehen.

Wer ist Ihr Favorit auf den WM-Sieg? Michael van Gerwen, Price, Smith und Titelverteidiger Wright wären da wohl zu nennen.

Ja, das sind die üblichen Verdächtigen, aber dieses Jahr muss man auch Luke Humphries dazuzählen, der zurzeit fantastisch spielt und die Nummer fünf der Welt ist. Auf ihn muss man auch aufpassen.

Empfinden Sie es auch so, dass die Begeisterung in Deutschland für Darts immer weiter wächst?

Auf jeden Fall. Das sieht man an den Turnieren. Auch auf der European Tour war wirklich viel los, fast noch mehr als vor Corona. In der Corona-Zeit haben auch viele angefangen, Darts selbst zu spielen, das hat man auch gemerkt. Deswegen ist die Popularität eher noch gestiegen.

Werden Sie als Dartsprofi auf der Straße erkannt?

Ab und zu schon. Ich wohne aber auch in keiner großen Stadt, in Saarwellingen kennt man mich eh. Beim Fußballschauen erkennt man mich schon mal. Aber ich muss jetzt nicht ständig irgendwelche Selfies machen.

Sie sind eigentlich gelernter Schlosser. Können Sie sich vorstellen, irgendwann wieder in den Beruf zurückzukehren?

Natürlich! Wenn ich meinen Lebensunterhalt nicht mehr mit Darts bestreiten kann, muss ich ja auch zwangsläufig wieder an die Werkbank gehen. Damit hätte ich kein Problem, ich habe den Beruf gerne gemacht. Aber es ist natürlich nicht mein Ziel.

Nickname und Einlaufmusik gehören im Darts dazu: Wie kamen Sie zu ihrem Spitznamen "German Giant" und warum wählten Sie Wonderwall von Oasis?

Wir haben uns den Nickname in einer kleinen Gruppe überlegt und gedacht, das würde doch ganz gut passen. Bei einem BDO-Turnier 2017, in dem ich so weit gekommen bin, dass ich auf die Bühne musste, wurde ich dann nach einer Einlaufmusik gefragt - und ich hatte gar keine Ahnung. In England kommt aber ein Lied von Oasis ganz gut, dachte ich mir. Danach habe ich es auch einfach dabei belassen.

Abgesehen vom Aufstieg Ihres Lieblingsvereins 1. FC Saarbrücken in die 2. Liga: Was wünschen Sie sich sportlich für das neue Jahr?

Ich mache mir da erst im Januar einen Plan. Aber das Geschäft ist so schnelllebig, dass man sich keine großen Ziele setzt. Man will einfach gut spielen. Saarbrückens Aufstieg wäre natürlich cool. Aber das wird glaube ich nicht so einfach.

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