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Doppelinterview zum Super-League-Verfahren

Doppel-Interview zum Super-League-Verfahren

"Cherry Picking" kontra "normales Wirtschaftsleben"

Fans, hier von Tottenham Hotspur, protestierten im Frühjahr 2021 massiv gegen die Gründung der Super League.

Fans, hier von Tottenham Hotspur, protestierten im Frühjahr 2021 massiv gegen die Gründung der Super League. picture alliance / ASSOCIATED PRESS

"Die Idee einer Super League kann schon deshalb nicht funktionieren, weil das eigentlich gar keiner will", glaubt Dr. Martin Stopper, der als promovierter und habilitierter Kartellrechtler als einer der erfahrensten Sportrechtsexperten der Bundesrepublik gilt. "Das Schiff UEFA ist auf Kollisionskurs mit dem europäischen Kartellrecht", hält Mark-E. Orth dagegen, einer der bekanntesten Kartellrechtler Deutschlands. Ein Gespräch über Pyramiden, Milliarden, Kunstmessen und "Cherry Picking".

Herr Orth, Herr Stopper, wer geht denn in Ihren Augen als Sieger aus den zwei Anhörungstagen in Luxemburg hervor? Die UEFA oder die Super League?

Martin Stopper: Keiner von beiden. Klar ist: Die UEFA kann einen Wettbewerb neben der Champions League nicht einfach so verbieten, dafür fehlt ihr die rechtliche Autorität.

Mark-E. Orth: Vor dem EuGH wurde schnell klar, dass die angedrohten Sanktionen der UEFA gegen die Super-League-Klubs grundsätzlich eine Wettbewerbsbeschränkung darstellen. Nun stellt sich die Frage, ob es dafür eine Rechtfertigung oder eine Ausnahme gibt und da habe ich nichts Überzeugendes gehört.

Die UEFA, so sagen Sie beide, befindet sich in einem Interessenkonflikt. Was folgt daraus?

Stopper: Dass sie eigentlich Kriterien festlegen kann, nach denen Wettbewerbe von Drittveranstaltern zu genehmigen oder zu verweigern sind, wenn sie gleichzeitig Regulierungsbehörde und Veranstalter ist wie beispielsweise bei der Champions League. Am Ende ist diese Frage aber müßig, da es seitens der UEFA keine Kriterien geben wird, die eine Super League zulassen.

Orth: UEFA und FIFA haben in der Verhandlung keinen Weg aufgezeigt, wie der Interessenkonflikt unschädlich gemacht werden kann. Schon bei der Auswahl eines exklusiven Spielballs darf kein Ballhersteller bei der Entscheidung beteiligt sein. Gleiches gilt etwa bei Kunstmessen für die Auswahl der Aussteller. Da helfen dann auch keine objektiven Kriterien, weil man eben nicht glaubwürdig Richter in eigener Sache sein kann.

Der Generalanwalt des EuGH stellte wohl zu Recht die Frage, woher man sich denn das Recht nehme, auf zwei Hochzeiten tanzen zu wollen.

Dr. Martin Stopper

Stopper: Andererseits gab es zahlreiche Plädoyers dafür, dass der Schutz eines europäischen Sportmodells, das die solidarisch organisierte Sportpyramide meint, bei der jeder von ganz unten nach ganz oben kommen kann und umgekehrt, bei der Beurteilung über die Frage, ob die Wettbewerbsbeschränkung der UEFA, etwa die Androhung von Sperren für abtrünnige Vereine, gerechtfertigt ist, einbezogen werden soll. Das Kartellrecht soll also weniger streng sein, wenn das Ziel der Einheit des Sports dadurch maßgeblich gestützt werden kann. Dieses Ansinnen wurde so deutlich lange nicht mehr vertreten. Ob das den EuGH beeindruckt hat, wird sich zeigen.

Glauben Sie denn, dass es ihn beeindruckt hat, Herr Orth?

Orth: Sehr interessant war in dem Zusammenhang, dass in dem Verfahren selbst die Europäische Kommission nicht nur ein einziges europäisches Sportmodell sieht und das "Ein-Platz-Prinzip" nicht als einziges Strukturprinzip für den Sport gesehen hat. Da wurde auf Basketball und Eishockey verwiesen, aber auch auf viele nationale Fußballligen, wo der Wettbewerb eben nicht vom Verband organisiert wird. Jean-Louis Dupont, der Anwalt der Super League, sagte: "Ägyptische Pyramiden sind was Schönes, aber die UEFA-Pyramide wird wohl eher keinen Architekturpreis gewinnen." (lacht) Auf die Aufforderung des Gerichts hin konnte kein Mitgliedstaat darlegen, wie konkret die Zahlungen der UEFA an die Mitgliedsverbände verwendet werden. Genau hier liegt das Problem. Es wird gerne damit argumentiert, dass das Geld für gute Dinge verwendet wird, aber wenn das konkret belegt werden soll, dann hört man nichts mehr. Wenn Solidaritätszahlungen eine rechtfertigende Rolle spielen sollen, dann müssen sie auch konkret belegt werden.

Stopper: Da würde ich entgegenhalten wollen: Die Idee einer Super League kann schon deshalb nicht funktionieren, weil das eigentlich gar keiner will, wahrscheinlich auch nicht Real Madrid, das dann in einer sterilen Bubble außerhalb der strukturell schwer wegzudenkenden Pyramidenstrukturen ein Eigenleben fristen müsste. So habe ich es als Beobachter wahrgenommen.

Aber gerade den potenziellen Bann aus den UEFA-Wettbewerben gegenüber den Super-League-Teilnehmern hat der EuGH doch offenbar als kritisch ausgemacht, oder nicht?

Stopper: Na ja, das Ansinnen der Super League, dass ihre Mitglieder keinen solchen Sanktionen ausgeliefert sein dürfen, ist von Richtern des EuGH als "Cherry Picking" bezeichnet worden. Und der Generalanwalt des EuGH stellte wohl zu Recht die Frage, woher man sich denn das Recht nehme, auf zwei Hochzeiten tanzen zu wollen. Sollte sich aus den europäischen Verträgen ein Schutzinstrument für den Sport im ökonomischen Kontext entnehmen lassen, kann es durchaus gerechtfertigt sein, dass zum Beispiel Real Madrid bei Teilnahme an einer Super League verwehrt wird, noch in der spanischen Liga zu spielen.

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Orth: Das sehe ich anders. Richter Wahl hat das Ganze aus der Sportsphäre in das normale Wirtschaftsleben übertragen und darin, dass mehrere Unternehmen ein anderes Unternehmen dazu verpflichten, entweder alles oder nichts abzunehmen, einen unzulässigen Boykott gesehen. Der Sport, der hier ein reines Entertainment-Business sei, könne dann auch nichts an der Gleichung ändern. Da hat man dann nichts Überzeugendes von den Sportverbänden gehört. Eine Lösung für den Interessenkonflikt der UEFA wäre die Trennung der kommerziellen Funktionen von den regulatorischen Funktionen. Damit das aber auch wirkungsvoll passiert, muss man bei der Umsetzung auf sehr vieles achten, wie man bei der FIA gesehen hat.

Wagen Sie eine Prognose mit Blick auf den Ausgang?

Stopper: Schwierig. Für einen Sportkartellrechtler ist das Verfahren jedenfalls ziemlich spannend. Denn es wird die Frage beantwortet, ob Kartellrecht und Sport jetzt eine noch engere Beziehung eingehen dürfen als bisher und dieses Rechtsgebiet dadurch noch mehr in richtige Bahnen gelenkt werden kann. Letztlich muss ja auch mal die Frage beantwortet werden, ob man einen milliardenschweren Wettbewerb wie die Champions League mal eben so von der UEFA abgreifen kann oder ob das eine unzulässige Leistungsübernahme ist.

Orth: Man kann sagen, dass sich schon einiges bei UEFA und FIFA verändert hat, sich die Verbände aber noch um noch einiges mehr bewegen müssen. Zurzeit ist das Schiff UEFA auf Kollisionskurs mit dem europäischen Kartellrecht, was im Interesse der Allgemeinheit den Wettbewerb schützt. Das Thema der Leistungsübernahme sehe ich nicht, ansonsten müsste die UEFA wohl auch dem Ideengeber des Wettbewerbs, nämlich der "L'Equipe", mal was zahlen.

Interview: Benni Hofmann