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Chaos hausgemacht: Marcelino provoziert Rauswurf in Valencia

Klubbesitzer Peter Lim im Fokus der Kritik

Chaos hausgemacht: Marcelino provoziert Rauswurf in Valencia

Trauriger Abgang: Marcelino verlässt nach seiner Demission in Valencia das Trainingsgelände.

Trauriger Abgang: Marcelino verlässt nach seiner Demission in Valencia das Trainingsgelände. imago images

Wie verworren die Situation in Valencia ist? Das zeigt eigentlich am besten die Art und Weise des Trainer-Rauswurfs. Die Entscheidung trifft Peter Lim am Dienstag in Singapur, doch der Besitzer ist sehr oft sehr weit weg von Valencia - und auch genauso meilenweit davon entfernt, Marcelino dies persönlich mitzuteilen. Stattdessen bestellt Lim Anil Murthy nach Singapur. Der ist Klubpräsident und auch Lims Vertrauter, er erhält nun den Auftrag, Marcelino zu entlassen. Doch auch er übernimmt diese Aufgabe nicht persönlich: Angekommen in Valencia, sagt er Sportdirektor Mateu Alemany: Mach du das. Über drei Ecken erfährt nun auch endlich Marcelino, dass er vor die Tür gesetzt wurde.

Aber warum eigentlich? Hinter Valencia liegt schließlich die erfolgreichste Saison seit 15 Jahren, 2004 wurden "Los Che" Meister und UEFA-Pokalsieger. Die vergangene Spielzeit schloss das Team aus der drittgrößten Stadt Spaniens auf Rang vier ab, bezwang zudem den FC Barcelona im Pokalfinale. Gefeiert wurde dafür vor allem: Marcelino. Keine vier Monate später ist er weg, und so mancher wird sich fragen, was sich Marcelino in der Sommerpause bloß zuschulden hat kommen lassen. Doch es ist umgekehrt: Marcelino selbst war mit dem Sommer unzufrieden. Genauer gesagt mit der Transferpolitik des Klubs. Und diese ist nun mal von Lim, dessen Vertrauten und dessen Geldbeutel abhängig.

Streitpunkte Rafinha und Rodrigo

Marcelino bekam jedoch nicht, was er wollte. Barcelonas Rafinha zum Beispiel, der letztlich an Celta Vigo verliehen wurde. Dazu schien lange der Abgang von Leistungsträger Rodrigo Moreno zu Atletico Madrid als sicher zu gelten, was den Coach noch mehr auf die Palme brachte (Rodrigo blieb letztlich). Nun gilt der 54-Jährige sowieso nicht als besonders pflegeleicht, bei seiner Station in Sevilla 2011/12 sorgte ebenfalls ein vergiftetes Binnenklima, gepaart mit sportlichem Misserfolg, für seinen Rauswurf. Marcelino sagt oft, was er denkt. Und so ließ er seinem Ärger in Valencia auf Nachfrage immer wieder gerne freien Lauf: "Ich weiß nichts", sagte er einmal auf Rodrigo angesprochen, "man redet nicht über alles mit mir." Man müsse "die Ziele ändern, wenn er geht. Man sieht ja, wie Sevilla oder Betis investieren. Die nächste Saison wird schwer." Derartige Provokationen, die noch häufiger vorkamen, ließ sich Lim nicht mehr länger gefallen.

Etwas, was ich laut und klar sagen will: ES IST NICHT FAIR.

Ezequiel Garay via Instagram

Auch wenn die Entlassung nicht unerwartet kam, reagierte die Mannschaft geschockt - und machte ihrem Ärger in den sozialen Medien gehörig Luft. Am deutlichsten Ezequiel Garay: "Wer auch immer diese Entscheidung gefällt hat, der hat NICHT nur dich übergangen, er hat auch eine ganze Mannschaft und die Fans mit runtergezogen. Etwas, was ich laut und klar sagen will: ES IST NICHT FAIR". Gabriel Paulista schrieb: "Wir sind Profis und müssen das Trikot weiter verteidigen, obwohl das alles schwer zu verstehen ist." Klub-Ikone Dani Parejo verabschiedete sich genauso wie Rodrigo, Carlos Soler oder José Gaya mit blumigen Worten und inklusive Jubelfoto mit Marcelino vom Coach.

Zukünftig werden sie alle von Albert Celades trainiert. Spaniens ehemaliger U-21-Coach tritt in jeder Hinsicht ein schweres Erbe an. Die Mannschaft hätte lieber den Vorgänger zurück, noch nie hat er einen Erstligisten trainiert. Dass er den Job angenommen hat, kam auch nicht überall gut an. "Sobald einer die Chance bekommt, bei einem Erstligisten zu unterschreiben, verliert er jedes Konzept von Ethik und Moral", wetterte Valencias Ex-Keeper Santiago Canizares.

Lims Bilanz: 5 Jahre, 52 Spieler, acht Trainer

Da war die Welt noch in Ordnung: Valencia-Coach Marcelino mit der Copa del Rey.

Da war die Welt noch in Ordnung: Valencia-Coach Marcelino mit der Copa del Rey. imago images

Celades ist übrigens der achte Trainer in Lims Schaffensperiode, der das auch wegen des Stadionneubaus in finanzielle Schieflage geratene Valencia 2014 mit seinen Millionen gerettet hatte. 52 Spieler hat der Geschäftsmann seitdem geholt. Lims Freund, der bekannte Spielerberater Jorge Mendes, soll dabei kräftig mitverdient haben. Die Personalrochaden ließen den einst so glanzvollen Klub (zwei CL-Finalteilnahmen) zwischenzeitlich zum Chaosverein mutieren. "Es war Schwachsinn, Valencia zu trainieren. Ich hätte nie Ja sagen dürfen", sagte beispielsweise Gary Neville, der im Dezember 2015 geholt und nach vier Monaten wieder entlassen wurde. Zwischenzeitlich hatten die Fans einen Stadion-Boykott angezettelt, die Mannschaft wurde am letzten Spieltag 2015/16 von den eigenen Anhängern gnadenlos ausgepfiffen. Es wurde nicht besser. Argentiniens Weltmeister und Ex-Spieler Mario Kempes sagte 2017: "Ich würde das, was gerade in Valencia abgeht, auch meinem schlimmsten Feind nicht wünschen." Zu Anfang seiner Wirkenszeit schallten "Lim, wir lieben dich"-Sprechchöre durchs Mestalla. "Lim, geh nach Hause", hieß es zwei Jahre später.

Was passiert mit Alemany?

Mit Marcelinos Verpflichtung im Mai 2017 wurde alles anders, doch kaum ist der Erfolg wieder da, kehrt man in Valencia offenbar zu alten Mustern zurück. Das hausgemachte Chaos ist aber noch lange nicht vorbei. Denn auch Sportdirektor Alemany, der gemeinsam mit Marcelino als Architekt des Erfolgs gesehen wird, hegt offenbar Abwanderungsgedanken. Ihm wird ein äußerst gutes Verhältnis zum Ex-Trainer nachgesagt. Zu Lim weniger.

Ob die Mannschaft das alles wegsteckt? Mit Fanprotesten ist wieder mal zu rechnen, und dann dieses Programm: Am Samstag (21 Uhr) treten "Los Che" beim FC Barcelona an, am Dienstag steigt der Champions-League-Auftakt beim FC Chelsea. Neu-Trainer Celades erklärte jedenfalls am Donnerstag, er habe "keine Angst", die Mannschaft werde er schon hinter sich bringen. "Ich habe mein ganzes Leben in Kabinen verbracht", sagte er. Doch auch Celades hat erkannt: "Es ist klar: Was hier passiert ist, das ist keine normale Situation."

Christoph Laskowski

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