Emre Cans Rettungstat gegen Chelsea war so knapp, dass die UEFA sogar die Auswertung der Torlinientechnologie im TV einspielte. Im letzten Moment hatte der Defensivmann des BVB den Ball, der nach einer weiteren Parade von Torhüter Gregor Kobel Richtung Tor gerollt war, von der Linie gekratzt. Auffällig war aber auch, was direkt danach passierte.
Kaum hatte sich Can erhoben, nahm Kobel ihn sich im positiven Sinne zur Brust, es folgten Nico Schlotterbeck, Jude Bellingham, Niklas Süle, Salih Özcan. Sie feierten Can, als hätte er soeben das Tor zum 2:0 erzielt. Es war nicht schwer, darin einen weiteren Beleg für den neuen Geist zu finden, der seit der Winterpause bei Borussia Dortmund zu herrschen scheint.
"Ich habe einfach versucht, den Ball zu klären - hat geklappt"
"Wir versuchen einfach, füreinander da zu sein", sagte Can hinterher bei DAZN. "Ich habe einfach gesehen, dass Greg wieder weltklasse gehalten hat. Dann ist der Ball vor mich gekullert und ich habe einfach versucht, mich reinzuwerfen und den Ball zu klären. Hat geklappt." Nach einem "schwierigen Spiel" und "glücklichen" 1:0-Sieg (O-Ton Can) darf der BVB weiter vom Champions-League-Viertelfinale träumen.
"Es war nicht das beste Spiel von uns, aber wir haben heute wieder als Mannschaft gekämpft", urteilte Can. "Es ist nicht so, dass wir in der Vergangenheit nur gespielt haben, aber es gab auch Spiele, in denen wir ein bisschen nachgelassen haben und auseinandergegangen sind als Mannschaft" - und eben nicht füreinander da waren.
Auch weil Can genau diese Hilfsbereitschaft verkörpert, ist er einer der Dortmunder Gewinner seit dem Jahreswechsel, in dem der BVB bislang alle Pflichtspiele gewonnen hat. Auch gegen Chelsea überzeugte der 29-Jährige - vor den Augen von Hansi Flick und Rudi Völler übrigens - als Abräumer und Absicherer im defensiven Mittelfeld wieder. Nachdem er in der Hinrunde kurioserweise meistens in der Königsklasse, jedoch nur selten in der Bundesliga begonnen hatte, erhält "Mister Champions League" nun einfach in allen Wettbewerben Edin Terzics Vertrauen.
"Egal, was ist, Emre - du gibst Gas"
Was ist passiert? "Am Ende zahlt sich ehrliche und harte Arbeit immer aus", sagt Can, und "ich arbeite hart an mir. Ich habe mir im neuen Jahr viel vorgenommen und mir gesagt: 'Egal, was ist, Emre - du gibst Gas. Egal, ob du spielst oder nicht, du lässt dich nicht runterziehen, du machst dein Ding.' Und das versuche ich einfach durchzuziehen."
Das erste Halbjahr mit nur wenigen Startelfeinsätzen sei "nicht immer einfach" gewesen, so Can ehrlich. "Vielleicht war es nicht fair, vielleicht war es fair. Das müssen andere beurteilen. Aber ich habe mich ein bisschen davon runterziehen lassen." Das ist offenbar vorbei. Just jetzt, da Trainer Terzic mehr personelle Optionen hat denn je und sogar mal 90 Minuten auf seinen Kapitän Marco Reus verzichtet, lautet die Frage nicht mehr, ob Can spielt - sondern mit wem.