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Cancola: "Fußball ist hier eine Religion"

In den Highlands die Nummer 1

Cancola: "Fußball ist hier eine Religion"

Seit er im Celtic Park einen Strafstoß gegen die "Bhoys" verwandelt hat, ist David Cancola erster Elfer-Schütze von Ross County.

Seit er im Celtic Park einen Strafstoß gegen die "Bhoys" verwandelt hat, ist David Cancola erster Elfer-Schütze von Ross County. IMAGO/PA Images

Austria-Legende Thomas Flögel beklagte bei Heart of Midlothian einst scherzhaft seine ständigen Nackenschmerzen, weil die Bälle in Schottland im Sekundentakt über das Mittelfeld gejagt würden. Darauf angesprochen, muss David Cancola, der "Sechser" von Ross County, lachen: "Ja, wir haben hier schon einen Ultra-Tempofußball. Aber es ist schon lange nicht mehr so, dass in Schottland die Bälle nur nach vorne gedroschen werden."

In seiner ersten Saison in den "Highlands" schaffte Cancola mit Ross County sensationell den Einzug in die Finalrunde. In seiner zweiten Saison stehen beim aktuellen Premiership-Schlusslicht in der Abstiegsrunde vom 6. bis 28. Mai fünf "Endspiele" an. "Da gilt es natürlich schon, vornehmlich auf die Basics zu achten und den Ball lieber weit weg vom eigenen Tor zu halten, um das Risiko zu minimieren", weiß Cancola.

Gut möglich, dass es am letzten Spieltag in Kilmarnock um alles geht. "Da haben wir in der Kabine schon vor der Auslosung gescherzt, dass die das so deichseln werden, dass wir am letzten Spieltag dorthin müssen, weil es dramaturgischer ärger nicht sein könnte", erzählt Cancola. Wird Ross County im Premiership Vorletzter und Inverness Caledonien Thistle im Championship Zweiter, gibt es gar ein Relegations-Duell der beiden "Highland"-Klubs. "Dann gibt es ein gewaltiges Beben", weiß Cancola.

Die Rangers oder Celtic werden einem in Schottland in die Wiege gelegt. In den Highlands gibt es aber nur uns.

Ross-County-Legionär David Cancola

"Die Rangers oder Celtic werden einem in Schottland in die Wiege gelegt", schildert Cancola, "in den Highlands gibt es aber nur uns. Fußball ist hier eine Religion. Da pilgern alle zu Ross County." Ähnlich wie hierzulande der FC Pasching seinerzeit in der Bundesliga, hat Ross County bei seinen Heimspielen in Dingwall mehr Zuschauer als der Ort Einwohner (5.500). "Nur! 6.000 Schotten sind nicht wie 6.000 Österreicher", hält Cancola fest, "hier geben alle bis zur letzten Sekunde Vollgas, auch wenn es einmal nicht läuft. Gepfiffen wird hier, wenn überhaupt, höchstens nach Spielende."

Cancola mag auch den Druck, kann gut damit umgehen. Als Ross County im November vor 60.000 Fans im Celtic Park lange ein 0:0 hielt und einen Elfer zugesprochen bekam, nahm er sich den Ball. "Ich hab mich gut gefühlt. Der VAR hat zwar drei, vier Minuten gebraucht und Joe Hart mich dementsprechend lang bearbeitet, von den Ultras will ich gar nicht reden, aber letztlich habe ich ihn reingehaut", lacht Cancola. Seither ist er erster Elferschütze.

Die 'Scousers' entschlüsselt

Mittlerweile könne er auch fast jeden Dialekt richtig deuten. "Wir haben ja hier von unseren 'Scousers' aus Liverpool, über Spieler aus Aberdeen, bis runter zu Cornwall alles dabei", lacht Cancola, "die Kanadier waren noch am einfachsten zu entschlüsseln." Dass sein Vertrag trotz aller Hürden für EU-Bürger (und da ist Cancola der einzige bei Ross County!) verlängert wurde, ist der beste Beweis, wie wichtig der Wiener für die Highlander ist.

Das Rüstzeug für seine Auslandskarriere habe er seinerzeit bei der Austria mitbekommen. Unter Thorsten Fink durfte Cancola einmal in der "Ersten" ran, ehe er nach Wiener Neustadt und Hartberg wechselte. Bei den Young Violets war Andreas Ogris sein Trainer. "Er hat mir neben der guten technischen Ausbildung, die ja bei der Austria Tradition hat, noch sehr viel mitgegeben, was das Auftreten, die Robustheit und die Zweikampfstärke betrifft. Das hilft mir jetzt enorm", ist Cancola dankbar.

Cancola kann sich jedenfalls gut vorstellen, noch länger in Schottland zu bleiben. "Die warmherzigen, offenen Leute hier habe ich richtig lieb gewonnen. Einen guten Schmäh' haben sie auch, wenn man ihn einmal versteht (lacht). Hin und wieder gönne ich mir auch einen Road Trip. Die Isle of Skye ist wunderschön und die Strände ein Hammer." Aber jetzt liegt der Fokus einmal auf dem Abstiegskampf: "Das ist schon noch einmal eine andere Art von Druck. Jetzt gilt es, in jedem Spiel zu bestehen. Es kommt ein Finale nach dem anderen."

Thomas Schöpf

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