Champions League

Brügges Top-Talent Charles De Ketelaere: Einer wie Kai Havertz?

Begeistert der Youngster auch gegen Dortmund?

Brügges Top-Talent De Ketelaere: Einer wie Havertz?

Für die U-21-Nationalmannschaft und in der Champions League erfolgreich: Charles De Ketelaere.

Für die U-21-Nationalmannschaft und in der Champions League erfolgreich: Charles De Ketelaere. imago images

Selbst seine Mutter ist dieser Tage eine gefragte Frau. Belgische Medien basteln ganze Artikel nur aus Aussagen von Isabelle De Kuyper über ihren Sohn, Charles De Ketelaere. Charles isst sehr gerne. Charles wird sicher auf dem Boden bleiben. Solche Dinge. Es scheint so, als wolle die nationale Presse alles erfahren über den neuen Shootingstar des Landes. Spätestens, seit der 19 Jahre alte Offensivspieler seinen Club Brügge zum Champions-League-Auftakt in St. Petersburg in der Nachspielzeit zum Sieg schoss, ist De Ketelaere in aller Munde.

Und so sehr sich seine Mutter mit ihm freut - eigentlich hatte sie sich eine andere Karriere für ihn ausgemalt.

Tennis hätte es werden sollen, wenn es nach ihr gegangen wäre. Talent dazu hatte De Ketelaere reichlich. Im Alter von zehn Jahren wird er flämischer Meister. Ein Jahr später entscheidet er sich jedoch ganz für den Fußball. "Immer Privatunterricht bei einem erwachsenen Mann oder mit deinen Freunden Fußball spielen: Was mag ein Junge in diesem Alter lieber?", erklärte er dem "Nieuwsblad". Auf dem Tennisplatz habe er geflucht, Schläger zerschlagen, Bälle absichtlich ins Aus gedroschen - und als er bei einem überregionalen Lehrgang der besten Juniorenspieler Flanderns nach seinem Berufswunsch gefragt wird, antwortet er als einziger: Fußballprofi.

In der U 15 ist der Kindheitstraum fast vorbei

Dass sich dieser Kindheitstraum jetzt erfüllt hat, ist nicht so selbstverständlich, wie man es vielleicht vermutet, wenn ein 19-Jähriger schon Champions-League-Spiele entscheidet. Als De Ketelaere für Brügges U 15 aufläuft, hat er einen Wachstumsschub, schießt in einem Jahr dreizehn Zentimeter in die Höhe. Seine Beweglichkeit ist eingeschränkt, er hat oft Muskelverletzungen, sitzt in fast jedem Spiel auf der Bank. Sein Jugendtrainer, erzählt De Ketelaere im "Nieuwsblad"-Portrait, habe ihm damals gesagt: "Ich höre von allen, dass du viel Talent haben sollst, aber das habe ich noch nicht gesehen."

Zu dieser Zeit spielt er mit dem Gedanken, den Klub zu verlassen und zu einem kleineren Verein zu wechseln. Aber sein Körper beruhigt sich. Fünf Jahre später spielt er Champions League für die Profis.

Ein Hauch von Havertz

Jetzt ist De Ketelaere vieles in Brügge: Offensivhoffnung, Tafelsilber, Identifikationsfigur. Ein viel besseres Aushängeschild für den Verein kann sich eigentlich keine Marketing-Abteilung ausdenken. Der technisch versierte Linksfuß ist 500 Meter vom Jan-Breydel-Stadion entfernt aufgewachsen, er spielt für den Verein, seit er sieben Jahre alt ist. Und das auch noch sehr gut. Im April verlängerte Brügge den Vertrag des großgewachsenen Angreifers vorzeitig bis 2023 - für viele in Belgien ein echter Coup, denn unter anderem diverse Topklubs aus der Serie A sollen bereits ihr Interesse an De Ketelaere bekundet haben.

In der Gegner-Analyse von Borussia Dortmund vor dem Aufeinandertreffen in der Champions League am Mittwoch (21 Uhr, LIVE! bei kicker) dürfte De Ketelaere auf jeden Fall eine Rolle gespielt haben. Zu hoch ist die individuelle Qualität, die er mitbringt. Mit seiner schlaksigen Statur, seinem feinen linken Fuß und seiner guten Spielübersicht erinnert er in Grundzügen an Kai Havertz - auch weil er wie der deutsche Nationalspieler auf dem Feld manchmal ein wenig phlegmatisch wirkt, um im nächsten Moment einen genialen Pass zu spielen.

Wir haben einen konkreten Plan mit ihm.

Belgiens Nationaltrainer Roberto Martinez

Der BVB wäre jedenfalls nicht das erste deutsche Team, das die Klasse De Ketelaeres zu spüren bekommt. Beim 4:1 der belgischen U 21 gegen die Auswahl von Stefan Kuntz Anfang September erzielte er mit einem filigranen Flachschuss einen Treffer selbst, leitete zudem einen Elfmeter mit einem blitzgescheiten Steilpass ein. Es war sein erstes Spiel für die U 21.

Nach seinen zurückliegenden Leistungen wurden in Belgien zuletzt bereits die Rufe nach einer Berufung in die A-Nationalmannschaft laut. Spielt De Ketelaere womöglich schon in der nächsten Abstellungsphase an der Seite von De Bruyne und Lukaku? "Einige junge Spieler werden beim Freundschaftsspiel gegen die Schweiz eine Chance bekommen", stellte Nationaltrainer Roberto Martinez vergangene Woche beim TV-Sender "VTM Nieuws" in Aussicht. "Aber die U 21 hat auch ein wichtiges Qualifikationsspiel." Zu welcher Gruppe er De Ketelaere zählt, verriet er noch nicht, machte aber klar: "Wir haben seine Entwicklung immer im Auge behalten und haben einen konkreten Plan mit ihm."

In der Liga kommt De Ketelaere oft von der Bank

Den scheint auch sein Verein zu haben. "Wir haben immer an Charles geglaubt und waren immer geduldig mit ihm", sagte Brügges Vereinsvorsitzender Bart Verhaeghe zuletzt "Radio 1". "Es ist auch wichtig, ihn nicht nur zu den Löwen zu werfen, sondern ihn Schritt für Schritt zu führen." So setzte Brügges Trainer Philippe Clement sein Juwel zuletzt vor den Champions-League-Spielen in der Liga nur auf die Bank, um in der Königsklasse auf einen mental und körperlich frischen De Ketelaere zählen zu können. Auch beim 2:2 gegen Mechelen am Samstag wurde er erst für die letzte halbe Stunde eingewechselt.

De Ketelaere verstehe das, sagen die Verantwortlichen. "Top-Spieler haben nicht nur außergewöhnliches Talent, sie müssen auch intelligent sein", erklärte Clement nach dem Spiel gegen St. Petersburg. "De Ketelaere hat beides."

Michael Bächle