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BVB: Braucht Manchester United Jadon Sancho überhaupt?

Wie Rashford, Greenwood & Co. den Glanz zurückbringen

Braucht Manchester United Sancho überhaupt?

Bald Teamkollegen in Manchester? Bruno Fernandes, Jadon Sancho und Mason Greenwood.

Bald Teamkollegen in Manchester? Bruno Fernandes, Jadon Sancho und Mason Greenwood. imago images

Es ist ja gerade Pause in der Bundesliga, und deshalb darf jetzt wieder ganz laut und ganz oft darüber diskutiert werden, ob Jadon Sancho im Sommer seinen Friseur wechselt oder sogar den Verein. Manchester United, so heißt es hin und wieder, sei der einzige Klub, der für ein Angebot, das auch dem BVB zusagt, infrage käme.

Der englische Rekordmeister ist im Gegensatz zur Konkurrenz aus Liverpool oder London (speziell Arsenal - Chelsea hat ja schon Timo Werner und Hakim Ziyech gekauft) potent genug, um nach einem neunstelligen Angebot nicht zwei andere Spieler verkaufen zu müssen.

Aber: Braucht ManUnited Sancho überhaupt? Diese Frage stellt sich gerade besonders, weil United unter Ole Gunnar Solskjaer nach einem Anfangshoch und vielen Zwischentiefs seinen besten Fußball seit langer Zeit spielt.

Der Wintereinkauf Bruno Fernandes hat sich binnen weniger Spiele schon zum neuen Strippenzieher entwickelt, sodass Paul Pogba - endlich verletzungsfrei - das Team nicht mehr alleine schultern muss und das gut anzunehmen scheint.

Dank Staubsauger Matic und Spielmacher Fernandes hat Pogba mehr Freiräume

Auf der Doppelsechs neben Staubsauger Nemanja Matic, der auf einmal wieder der ist, den United vor drei Jahren für fast 50 Millionen Euro gekauft hat, kann Pogba die Rolle als freier Sechser/Achter übernehmen, während Fernandes auf der Zehn schon jetzt das Kommando hat und jeden Ball fordert. Der Portugiese hat in nur neun Premier-League-Spielen sechs Tore und fünf Assists beigesteuert.

Und in vorderster Reihe, dem Kerngebiet von Jadon Sancho, trifft gerade alles, was sich im und um den Strafraum bewegt. Mason Greenwood (18) ist die Entdeckung unter Solskjaer, traf seitdem Re-Start dreimal und soll in der Corona-Pause zudem ordentlich Muskelmasse zugelegt haben. Das Eigengewächs nimmt im 4-2-3-1 die Rolle auf dem rechten Flügel ein und besticht durch seine Beidfüßigkeit und Abschlussstärke. "Mason", lobte Solskjaer nach dem jüngsten 5:2 gegen Bournemouth, "weiß in jeder Situation, was auf dem Spielfeld zu tun ist."

Das Angriffstrio komplettieren Marcus Rashford (22) und Anthony Martial (24) mit ihrer ungeheuren Geschwindigkeit. Sie sind die ersten ManUnited-Angreifer seit Dimitar Berbatov und Chicharito, denen in einer Saison je 20 Pflichtspieltreffer gelangen. Zusammen mit Greenwood hat das Trio in dieser Spielzeit übrigens öfter getroffen als Mohamed Salah, Roberto Firmino und Sadio Mané.

Marcus Rashford und Anthony Martial

Treffsicher wie lange nicht: Marcus Rashford und Anthony Martial. imago images

Und noch ist die Saison ja nicht vorbei. Seit Fernandes' erstem Ligaspiel am 1. Februar hat ManUnited kein einziges verloren und aus 14 Punkten Rückstand auf den Dritten Leicester City drei gemacht. Im FA-Cup geht es gegen Chelsea um den Einzug ins Finale, in der Europa League im Finalturnier um den nächsten Titel.

Dass Spieler wie Juan Mata, Jesse Lingard, Daniel James oder Fred, immerhin mal 50 Millionen Euro schwer, gerade gar nicht gebraucht werden, spricht für die Renaissance im roten Teil Manchesters.

Deshalb nochmal: Braucht ManUnited Sancho überhaupt? Für den zuletzt leidenden Rekordmeister geht es natürlich nicht darum, nach zwei Jahren Europa League wieder Platz zwei bis vier in Angriff zu nehmen. Um zum ersten Mal seit dem Abgang von Sir Alex Ferguson 2013 wieder Meister zu werden (und ganz nebenbei den Rekordmeister-Titel vor Erzrivale Liverpool zu bewahren), braucht United verständlicherweise mehr Qualität und Tiefe. Und auch Greenwood oder Martial oder Rashford werden mal wieder eine Durststrecke erleben.

Sancho bringt Qualität und ein weiteres Element, aber zu welchem Preis?

Sancho ist neben vielen anderen Rohdiamanten im Aufgebot der englischen Nationalmannschaft vermutlich das kommende Aushängeschild - da würde wohl kein Premier-League-Team nein sagen.

Viel eher aber brauchen die Red Devils einen weiteren Stabilisator in der Defensive. Harry Maguire hat seit dem vergangenen Sommer zumindest etwas Ruhe reingebracht, allerdings auch 85 Millionen Euro gekostet. Rechtsverteidiger Aaron Wan-Bissaka spielt eine sehr solide Debüt-Saison, auch das darf für 55 Millionen Euro aber erwartet werden. Und ob Victor Lindelöf neben Maguire die 1A-Option ist, bleibt nach wie vor fraglich. Auf der linken Abwehrseite hat Luke Shaw die einst so großen Versprechen nicht vollständig eingelöst.

Und ganz hinten taumelt David de Gea in jüngerer Vergangenheit bedrohlich oft zwischen Genie und Wahnsinn. Mal rettet er United drei Punkte, mal schießt er seinen Gegner an und kassiert so ein Gegentor. Shootingstar Dean Henderson, aktuell ausgeliehen an Überraschungs-Aufsteiger Sheffield United, stünde mit Sicherheit bereit.

Zum ersten Mal seit vielen Jahren baut Manchester United gerade wieder eine Identität auf, zu der Jadon Sancho zweifelsohne und trotz ManCity-Vergangenheit passen würde. Ob er United aber gerade jetzt über 100 Millionen Euro wert ist?

Mario Krischel

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