Regionalliga

Bikmaz: Regionalliga statt Bundesliga

Havelse: Ehemaliger Junioren-Europameister will beim TSV durchstarten

Bikmaz: Regionalliga statt Bundesliga

Mittlerweile für den TSV Havelse aktiv: Ferhat Bikmaz (li.).

Mittlerweile für den TSV Havelse aktiv: Ferhat Bikmaz (li.). imago

Am 6. August 2005 wurde Nuri Sahin beim 2:2 von Borussia Dortmund beim VfL Wolfsburg im Alter von 16 Jahren jüngster Erstligadebütant. Da fiel bei Hannover 96 fast zwangsläufig der Blick auf Bikmaz. Der am 6. Juli 1988 in Hannover geborene Spieler kickte seit 2002 für 96 und holte bei der U-17-Europameisterschaft 2005 gemeinsam mit Sahin den Titel für die Türkei. Dem folgte nur Monate später Platz vier bei der Weltmeisterschaft in Peru.

Mit 16 absolvierte Bikmaz sein erstes Training bei den Profis, wenig später erhielt er einen Profivertrag. Während Sahins Karriere Fahrt aufnahm, kam die von Bikmaz nicht wie erhofft in Gang. Er wurde zudem als Linksverteidiger betrachtet, obwohl er eigentlich im Mittelfeld zu Hause ist. "Ich hätte es mir zugetraut, hatte aber Michael Tarnat vor mir", erinnert er sich. Erst am 9. März 2008 wurde Bikmaz gegen Bayer Leverkusen in der 76. Minute für den verletzten Tarnat eingewechselt. Mehr Spielzeit kam nicht hinzu. Und so blieben als weiteres Highlight zwölf Minuten beim 3:0-Sieg im Test gegen Real Madrid.

Spielersteckbrief Bikmaz
Bikmaz

Bikmaz Ferhat

Regionalliga Nord - Tabelle
Pl. Verein Punkte
1
VfL Wolfsburg II VfL Wolfsburg II
22
2
VfB Oldenburg VfB Oldenburg
20
3
SV Meppen SV Meppen
20
Trainersteckbrief Benbennek
Benbennek

Benbennek Christian

Wechsel in die Türkei

"Ich möchte die Zeit bei 96 nicht missen und habe mich wohl gefühlt", blickt Bikmaz zurück. Doch es ging nicht voran. So erfolgte zur Saison 2009/10 der Wechsel zu Sivasspor, wo er für drei Jahre unterschrieb. Der türkische Erstligist spielte um die Qualifikation für die Champions League. Was Bikmaz dort erwartete, darauf hatte ihn jedoch niemand vorbereitet. Erstmals von zu Hause weg, fand er sich in der traditionell geprägten Stadt Sivas in Zentralanatolien wieder. "Das war ein Kulturschock für mich, ich hatte überhaupt kein Sozialleben mehr, es wurde psychisch immer anstrengender", erinnert sich Bikmaz, der eher ein fröhlicher Typ ist. Mit Freunden abends mal etwas zu unternehmen, das war dort nicht möglich.

Sportlich lief es auch nicht wie erhofft. Nach einer Verletzung wurde er nicht mehr beachtet. Nach zwei Jahren zog Bikmaz den Schlussstrich. Die Auflösung des Vertrages dauerte sechs Monate. Bikmaz verzichtete dafür auf Geld, spielte letztlich ein Jahr keinen Fußball mehr. Auf einen Wechsel zu Erstligist Akhisar Belediyespor verzichtete er. "Der Schritt in die Türkei war eine Riesenerfahrung, aber ich würde ihn nicht noch einmal tun", stellt Bikmaz fest, "ich wollte nur noch nach Deutschland zurück, um wieder Spaß am Leben und am Fußball zu finden." Und zurück zur Familie, die ihm viel Halt bot.

Ferhat Bikmaz

Galt als hoffnungsvolles Talent: Bikmaz im Jahr 2006 im Trikot von Hannover 96. imago

Reife durch Erfahrung

Nach eigenem Bekunden ist er durch diese schwere Zeit erwachsen geworden, vielleicht äußert er deshalb weder Verbitterung noch Vorwürfe. Der Mensch Ferhat Bikmaz ist mit sich im Reinen, die Prioritäten haben sich kräftig verschoben. An erster Stelle stehen nun seine Partnerin sowie die gerade mal 15 Monate alte Tochter. Daraus erwachsen Verantwortung und Verpflichtung. Trotz aller Bemühungen gab es kein Angebot aus dem Profifußball. Über den damaligen Landesligisten 1. FC Wunstorf erfolgte der Schritt in die Regionalliga Nord, zunächst zum VfB Oldenburg, wo ihn Verletzungspech plagte, und nun TSV Havelse.

Bikmaz hat den Realschulabschluss, aber nie eine Berufsausbildung absolviert. Die Möglichkeit will ihm der TSV geben und die Chance, den Spaß am Fußball zurückzugewinnen. Trainer Christian Benbennek: "Ferhat ist ein positiver Mensch, mit seiner Erfahrung und Qualität ein Führungsspieler."

Und Profifußball? "Ich will so hoch wie möglich spielen, am liebsten mit Havelse", sagt der 25-Jährige und vermeidet das Wort Profi. Davon ein wenig träumen wird er vielleicht doch noch, schließlich hat er das beste Fußballeralter gerade erst erreicht.

Dieter Kösel