Basketball

Bauermanns EM-Kolumne: Schröders irrationales Selbstvertrauen

Ex-Bundestrainer erwartet vom Kapitän gegen Griechenland Steigerung in zwei Bereichen

Bauermanns EM-Kolumne über Schröder: Irrationales Selbstvertrauen mit 16 und ein Reifeprozess

Selbstvertrauen und Mut, Verantwortung zu übernehmen: DBB-Kapitän Dennis Schröder.

Selbstvertrauen und Mut, Verantwortung zu übernehmen: DBB-Kapitän Dennis Schröder. Getty Images

Dennis kenne ich, seitdem er 16 Jahre alt ist. Wir hatten damals einen gemeinsamen Lehrgang der U-16-, U-18- und U-20-Nationalmannschaft. Es ging darum, eine Identität, eine Kultur der deutschen Basketball-Nationalteams zu entwickeln. Wie wird da verteidigt und angegriffen, wie wird miteinander umgegangen, welche Werte spielen eine zentrale Rolle? Um diese Fragestellungen ging es. Dennis kam da als 16-Jähriger und hat den 18- und 20-Jährigen im Grund genommen gezeigt, wie es geht.

Dirk Bauermanns EM-Kolumnen

Was ihn schon zu diesem frühen Zeitpunkt seiner Karriere ausgezeichnet hat, nennen die US-Amerikaner irrationales Selbstvertrauen. Also eine sehr stark ausgebildete Art von Selbstvertrauen, die sich noch nicht in erbrachter Leistung manifestiert oder begründet hat. Hinzukam auch schon der unfassbare Mut, in schwierigen Situationen Verantwortung zu übernehmen. In solche Situationen neigen andere eher dazu, zu delegieren oder nach dem Motto zu verfahren "Wirf du, ich hab' Familie", wie es mein früherer Co-Trainer Achim Kuczmann immer so schön gesagt hat. Dennis hatte da nie Angst vor dem Scheitern. Ich erinnere mich an ein Spiel bei der U-18-EM, bei dem er den Gegner, ich glaube es war Kroatien, in den letzten zwei Minuten alleine geschlagen hat, sowohl durch eine tolle defensive als auch eine überragende offensive Leistung.

All das ist Führung mit dem Herzen und volle Identifikation

Natürlich habe ich seinen Weg verfolgt. Mittlerweile spielt er seit neun Jahren in der NBA und das heißt etwas. Bemerkenswert finde ich - und das hängt bei vielen Athleten mit der eigenen Familiengründung zusammen - dass er sich ganz offenbar in eine Führungsrolle hinein entwickelt hat, die ihm zu einem früheren Zeitpunkt seiner Karriere fremd gewesen wäre. Also zu verstehen, dass die Verantwortung des besten Spielers eben auch darin besteht, auf eine positive und inspirierende Art zu führen und mit gutem Beispiel voranzugehen. Keiner tritt aktuell bei der EM auf der Bank aktiver und unterstützender auf als er.

Er zeigt und strahlt aus: Es bedeutet mir etwas, für das Nationalteam aufzulaufen. Ich spiele hier, obwohl ich aktuell keinen Vertrag habe, obwohl ich mich verletzen könnte und vielleicht der nächste Vertrag gefährdet ist. Er war schon seit Beginn des Sommers Ende Juni mit dabei. All das ist Führung mit dem Herzen und volle Identifikation. Da hat sich vieles zum Positiven verändert respektive so verändert, dass es jetzt sichtbarer wird. Das ist auch für die Mannschaft sehr wichtig. Nicht umsonst hat man ihn zum Kapitän ernannt. Die Entwicklung in puncto Führungsqualität und menschliche Stärken ist bemerkenswert. Um es nochmal zu sagen: Wenn man selbst eine Familie gründet und eigene Kinder hat, verändert das die Sicht der Dinge bei vielen stark. Das ist auch bei Dennis deutlich zu spüren.

Er war noch nie ein herausragender Dreier-Schütze - man kann noch Großes erwarten

Man kann bei der EM noch Großes von ihm erwarten. Er war noch nie ein herausragender Dreier-Schütze, aber selbst in der NBA, wo die Drei-Punkte-Linie noch ein Stück weiter weg vom Korb verläuft, hat er bis auf die erste Saison ganz ordentlich geworfen. Bei der Quote lag er in den mittleren Dreißigern, was eigentlich nicht schlecht ist. Das hat er bei der EM angesichts von 22,2 Prozent Dreierquote noch gar nicht gezeigt. Seine Würfe sind sehr oft zu kurz, da muss er sicher noch mehr die Beine in den Wurf bringen.

Er kann ein defensives Monster sein

Aber ich bin sicher, dass er noch ein Spiel im Tank hat - am besten gegen Griechenland - in dem er auch von außen hochprozentig wirft, weil er ist einfach jemand für solche Situationen wie ein "Do or Die" gegen Griechenland. Ich glaube, er hat auch noch massive Reserven in der Verteidigung, da hat er seinen Job bisher zwar sehr gut gemacht, aber er kann durchaus mit seiner Athletik und der Länge in den Armen ein defensives Monster sein. Damit kann er gerade den Griechen sehr weh tun. Ich bin sicher, dass er in diesen beiden Bereichen in diesem wichtigen Viertelfinale nochmal zulegen wird.

Dirk Bauermann (64) hat mit der deutschen Nationalmannschaft um Dirk Nowitzki 2005 EM-Silber gewonnen und die DBB-Auswahl insgesamt gut acht Jahre gecoacht (WM 1994, 2003 bis 2011). Mit Leverkusen und Bamberg holte Bauermann als Trainer unter anderem neun Deutsche Meistertitel. Mit Tunesien gewann er 2021 die Afrikameisterschaft, am 7. September 2022 beendete er sein Engagement als Nationaltrainer der Nordafrikaner wegen eines Krankheitsfalls in der Familie.

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