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Aufbruch abgebrochen: Kommentar zur desolaten Vorstellung der DFB-Elf

Kommentar zur DFB-Elf

Aufbruch abgebrochen

Seine taktische Idee lief ins Leere: Bundestrainer Joachim Löw.

Seine taktische Idee lief ins Leere: Bundestrainer Joachim Löw. imago images

Zunächst wurde dieser emsige, ehrgeizige, spielerisch durchaus gefällige und befähigte, insgesamt aber limitierte Gegner noch einigermaßen dominiert und in der eigenen Spielhälfte eingekesselt; doch schon vor der Pause konnte sich der 65. der FIFA-Weltrangliste - Deutschland ist auf Rang 13 notiert - allmählich immer mehr aus dieser Umklammerung lösen.

Den deutschen Spielern gelang es dabei nie, Goran Pandev, den 37-jährigen - ja den 37-jährigen (!) - Gestalter des Außenseiters, in seinen klugen Aktionen einzugrenzen. Im zweiten Spielabschnitt kamen die nun mutigeren Gäste sogar zu Kontern (66./ 83.), ehe sie mit ihrem 2:1-Siegtreffer die Schwächen der deutschen Defensive gnadenlos enthüllten: Zunächst wurde der Pass in die Tiefe gestattet, dann vernaschte Arijan Ademi Antonio Rüdiger mit einem Übersteiger, ehe Eljif Elmas einschieben konnte, weil ihn Emre Can und Amin Younes nicht zu hindern vermochten.

Glücklicher Ausgleich - Cans Handspiel nicht geahndet

Dieser Siegtreffer war logisch und gerecht, weil der 1:1-Ausgleich der DFB-Auswahl einem geschenkten, von Ilkay Gündogan verwandelten Elfmeter zu verdanken war und der russische Unparteiische Sergei Karasev später obendrein ein Handspiel Cans (76.) im deutschen Strafraum übersehen hatte.

Aus dem Spiel heraus produzierten die deutschen Elitespieler ganze drei Chancen: einen Lattentreffer Leon Goretzkas (10.), einen Schuss des sonst völlig abgetauchten Serge Gnabry (31.) - und dann war da noch die klägliche Aktion Timo Werners, der den Ball aus neun Metern am nahezu leeren Tor vorbeischob (80.). Doch es wäre unfair, Einzelspieler explizit zu kritisieren. Es war ein kollektives Versagen der gesamten Mannschaft.

Viel zu lasch attackiert

Es gab kein Passspiel, keinen Spielfluss, keine Kombinationen, keine Dribblings (oder nur Ansätze, wie bei Sané oder Gnabry), kein Tempo, kein Pressing - wie vor dem 0:1-Rückstand, als sich die Nordmazedonier an der linken Eckfahne spielerisch aus der deutschen Gegenwehr befreien konnten, weil wieder einmal viel zu lasch attackiert wurde. Insgesamt fehlte die Dynamik, der Druck, insbesondere nach dem Wechsel, als doch der 0:1-Rückstand ausgeglichen werden musste. Aber es kam nichts. Das Spiel plätscherte so dahin, ohne Plan, ohne Ideen, ohne Energie, ohne Feuer.

Es fand sich kein deutscher Nationalspieler, der die Führung übernommen hätte, nicht Gündogan, nicht Kimmich, nicht Goretzka, noch sonstwer. Wer einen Toni Kroos schon infrage gestellt hatte, wird sein Urteil überdenken müssen. Und die Rufe nach Thomas Müller und Mats Hummels, nach gestandenen und widerstandsfähigen Spielern, werden nun noch lauter dröhnen. In dieser desolaten Verfassung braucht diese wackelige, ungefestigte Mannschaft Halt und Hilfe. Der Neuanfang, den Löw nach der 0:6-Klatsche mit seinem neulich verkündeten Rücktritt starten wollte, ist nach den zwei Pflichtsiegen gegen die international allenfalls zweitklassigen Isländer (3:0) und Rumänen (1:0) erschüttert.

Löws taktische Idee griff nicht

Löw selbst konnte von außen auch nicht korrigierend eingreifen. Seine nachvollziehbare taktische Idee mit der offenen linken Flanke und dem häufigen Personalwechsel im Zentrum griff nicht. Die Power, die er zu Beginn dieser Dreiertour vermitteln wollte, konnte er auf seine im Laufe der Begegnung immer schwerfälliger, letztlich konfus werdenden Spieler nicht übertragen. Es war ein ernüchternder, ein erschreckender Abend für die DFB-Delegation. Müdigkeit, die der Bundestrainer bemühte, darf als Erklärung oder gar Entschuldigung nicht durchgehen. Doch nicht gegen solche Gegner! Außerdem hat er selbst die Mannschaft so aufgestellt.

Der ausgerufene Aufbruch erlebte nun schon wieder einen Abbruch, zumindest vorerst. Diese neuformierte deutsche Nationalmannschaft steckt noch mitten in ihrer Neuorientierung und Findungsphase. Spielerisch, taktisch, psychologisch. In den Beinen und im Kopf.

Bilder zur Partie Deutschland - Nordmazedonien