Bundesliga

Auch Lieberknecht braucht einen Neustart

Kommentar zur Trainerfrage in Darmstadt

Auch Lieberknecht braucht einen Neustart

Darmstadts Trainer Torsten Lieberknecht bleibt auch in der 2. Liga.

Darmstadts Trainer Torsten Lieberknecht bleibt auch in der 2. Liga. imago images

Auf die Frage, ob weiterhin das feste Vorhaben besteht, mit Torsten Lieberknecht in die 2. Liga zu gehen, antwortete Darmstadts Sportdirektor Paul Fernie am Sonntagabend ohne zu zögern: "Das bleibt so, ja."

Diesen lange gefassten und mit einer frühzeitigen Verlängerung des Trainervertrags bis 2027 untermauerten Plan jetzt über den Haufen zu werfen, wäre in der Tat irrational. Insbesondere aufgrund Lieberknechts hinlänglich nachgewiesener Qualitäten. Dennoch: Dass nach der 0:6-Blamage gegen Hoffenheim von außen die Trainerfrage gestellt wird, hat eine gewisse Berechtigung. Unverkennbar stecken Lieberknecht und sein aktuelles Team derzeit so tief in einer Sackgasse, dass ein gemeinsamer Ausweg nicht mehr realistisch erkennbar ist. Zu bestaunen war vielmehr eine Mannschaft ohne wirksamen Plan, ohne Überzeugung und am schlimmsten: ohne Einstellung. Dass all das in seinen Verantwortungsbereich fällt, ist Lieberknecht vollkommen bewusst: "Ich hänge da mit drin, es war blamabel von uns allen."

Das Gute ist: Die Voraussetzungen für den "Turnaround" ergeben sich von selbst

Das große Problem der Lilien ist nicht der erwartbare Abstieg an sich. Sondern der alarmierende und längst nicht mehr nur schleichende Verfall der Leistungskultur. Das Gute an der Situation: Die Voraussetzungen für den dringend benötigten viel zitierten "Turnaround" ergeben sich am Böllenfalltor demnächst von selbst. Dank 16 auslaufenden Spielerverträgen, die Gelegenheit zur "Blutauffrischung" (Fernie) im Kader bieten. Und dank der Fortsetzung des Spielbetriebs in der 2. Liga, wo anders als im Oberhaus nicht mehr nahezu jeder Darmstädter Profi individuell überfordert sein wird. Letzteres dürfte die entscheidende Bedingung dafür sein, dass Lieberknechts zwischen 2021 und 2023 meist unschlagbar gut funktionierenden taktischen Konzepte überhaupt wieder greifen können.

Zugleich muss allen bewusst sein: Ein erfolgreicher Neubeginn wird im Unterhaus kein Selbstläufer. Auch nicht für jene Profis, die schon gehobenes Zweitliga-Niveau unter Beweis gestellt haben. Sie müssen sich vor allem wieder das Selbstverständnis erarbeiten, als Leistungsträger voranzugehen und die neu formierte Gruppe zu führen. Das ist erfahrungsgemäß leichter gesagt als getan. Und bedarf der Anleitung durch einen Trainer, der die zu vermittelnde Haltung auch selbst verkörpert und ausstrahlt.

Lieberknechts Satz in Wolfsburg setzte ein fatales Signal

Dem Anspruch, damit noch in der laufenden Saison zu beginnen, ist Lieberknecht nicht gerecht geworden. Seine Formulierung nach dem 0:3 in Wolfsburg, er sei "eher froh, wenn alles vorbei ist", war ein fatales Signal. Aber offenbar bezeichnend. Jedenfalls trat die Mannschaft gegen Hoffenheim auf, als habe sie den Satz ihres Trainers voll verinnerlicht.

Ironisch ließe sich also anmerken, dass Lieberknecht seine Profis sogar in der jetzigen Phase noch absolut erreicht. Im Ernst bleibt festzuhalten: Genau wie seine Spieler braucht Lieberknecht offenbar einen individuellen Neustart. Nach einer Saison wie dieser, die ihn ab Winter auch noch reichlich Extra-Energie als Kaderplaner kostete, ist das freilich kein übermäßiger Makel. Und schon gar kein Trennungsgrund. Eine Sommerpause sollte auch Lieberknecht ausreichend Erholungszeit bieten, um wieder der "Alte" zu werden - und neu gestalten zu können.