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Wurtz, Baak und Krebs über den finnischen Fußball

Drei Deutsche stehen im finnischen Pokalfinale

"Alles ist eine Nummer kleiner": Wurtz, Baak und Krebs über den finnischen Fußball

Drei deutsche im finnischen Pokalfinale

Drei deutsche im finnischen Pokalfinale Imago images (3)

Am Samstag stehen Florian Baak (24), Florian Krebs (24) und Johannes Wurtz (31) mit dem FC Honka Espoo im finnischen Pokalfinale. Krebs und Baak zählen zum 1999er-Jahrgang von Hertha BSC, der 2018 Deutscher A-Jugendmeister wurde und als goldener Jahrgang galt. Innenverteidiger Baak absolvierte unter Pal Dardai drei Kurzeinsätze in der Bundesliga, ehe es ihn im Oktober 2020 zum FC Wintertur in die Schweiz zog. Seit Juli 2022 spielt er nun in Espoo, der mit 305.000 Einwohnern zweitgrößten Stadt Finnlands westlich von Helsinki gelegen. Mittelfeldspieler Krebs war Kapitän der Meister-A-Jugend 2018 und kam - nach den Stationen Chemnitzer FC und Borussia Dortmund II - bereits im Januar 2022 zum finnischen Erstligisten.

Als Letzter heuerte im zurückliegenden August Wurtz bei Honka Espoo an. Der Offensivakteur bestritt 2012/13 für Werder Bremen zwei Bundesligaspiele und anschließend insgesamt 148 Zweitligapartien (18 Tore) für den SC Paderborn, die SpVgg Greuther Fürth, den VfL Bochum und Darmstadt 98. Mit dem SV Wehen Wiesbaden stieg Wurtz im zurückliegenden Mai in die 2. Liga auf. Mit dem kicker spricht das Trio über das Finale am Samstag, das Leben als Profi in Finnland und die Zukunftsplanungen.

Herr Baak, Herr Krebs, Herr Wurtz, am Samstag steht der FC Honka Espoo im Pokalfinale gegen Tampereen Ilves. Honka war nach der regulären Saison Fünfter, Tampere Zehnter. Ihr Team ist Favorit, oder?

Florian Krebs: Ich würde schon sagen, dass wir der Favorit sind. Aber ein Finale ist immer ein Spiel für sich, da kann alles passieren.

In der Meisterrunde der finnischen Veikkausliiga liegt Honka Espoo 15 Punkte hinter Spitzenreiter HJK Heksinki. Warum ist der Abstand in dieser Saison so groß?

Florian Baak: HJK Helsinki holt zuverlässig Punkte und steht zurecht oben. Aber bei uns war das Problem der Saisonanfang.

Was lief da falsch?

Krebs: Das ist eine gute Frage. Wir waren unter anderem noch nicht komplett. Wir haben Johannes mitten in der Saison dazubekommen, darüber hinaus haben wir die finnische Legende Roman Eremenko (37, 73 Länderspiele für Finnland, 23 Champions-League-Spiele für ZSKA Moskau, Rubin Kasan und Dynamo Kiew, Anm. d. Red.) und noch Michael Lopez (argentinischer Stürmer von Sheriff Tiraspol, Anm. d. Red.) neu dazubekommen. Wir mussten uns dann erst finden.

Es ist ungewöhnlich, dass ein Pokalfinale in einer englischen Woche gespielt wird. Wie kommt das? Und wie gehen Sie damit um?

Johannes Wurtz: Ich weiß es nicht genau, warum der finnische Verband das Finale so terminiert hat. Aber unser Gegner hatte wie wir am Mittwoch ein Punktspiel, wir haben ein bisschen rotiert: Deswegen sollten wir zum Finale topfit sein.

Wie läuft die Spielvorbereitung im Vergleich zu Deutschland? Gehen Sie mit Ihrem Team am Freitag ins Hotel?

Wurtz: Nein. Das Olympiastadion in Helsinki, wo das Finale stattfindet, ist ja nur 25 Auto-Minuten von Espoo entfernt. Es ist meiner Meinung nach auch angenehmer, im eigenen Bett zu schlafen.

Wird in Finnland generell erst am Spieltag angereist?

Wurtz: Das kommt auf die Entfernung an. Es gibt es Auswärtsspiele wie das bei IFK Mariehamn (Mariehamn liegt auf den Atland-Inseln vor der Westküste Finnlands, Anm. d. Red.), wo man mit dem Boot übersetzen muss, oder in Oulu, das mehr als 600 Kilometer entfernt liegt, da reisen wir einen Tag vorher an. Bei Heimspielen treffen wir uns immer an unserem Stadion.

Herr Wurtz, Sie sind in diesem Sommer als Letzter des Trios nach Honka gekommen. Was hat den Ausschlag für den Wechsel nach Finnland gegeben?

Wurtz: Ich war einfach an einem Punkt, an dem ich mal etwas Neues ausprobieren wollte. Es hat auch vom Zeitpunkt her gepasst. Ich hatte sehr gute Gespräche mit dem Manager und mit dem Trainer von Honka Espoo. Und auch mein Berater - Laurent Burkart von B 360 Sports Agency - hat von Finnland geschwärmt, dass es hier absolut lebenswert ist und der Verein ambitioniert sowie professionell sei.

Ist alles so eingetroffen, wie man es Ihnen berichtet hat?

Florian Baak

Stand mit der Hertha bereits dreimal in der Bundesliga auf dem Platz: Abwehrspieler Florian Baak. IMAGO/All Over Press Finland

Baak: Wir können bestätigen, was man Johannes gesagt hat. Die Infrastruktur beim FC Honka ist vernünftig, wenn nicht zu vergleichen mit den Bedingungen in Deutschland.

Ein Beispiel?

Baak: Nehmen wir etwa die Größe des Staff. Bei Hertha BSC gab es vier Physiotherapeuten für die Bundesliga-Mannschaft. Hier gibt es einen, der nebenbei noch das Aufbautraining mit verletzten Spielern macht. Alles ist eine Nummer kleiner, aber dadurch fällt auch etwas Druck weg, den man in großen Ligen hat. In Finnland ist es viel familiärer.

Mussten Sie sich an bestimmte Dinge des Lebens oder des Fußballs in Finnland gewöhnen?

Wurtz: Die Stadien und die Atmosphäre bei den Spielen war schon gewöhnungsbedürftig. In den bisweilen ganz kleinen Stadien ist viel ruhiger als in deutschen Stadien, und man spielt öfter auf Kunstrasen. Man merkt, dass Fußball in Finnland nicht die Sportart Nummer 1 ist. Aber der Fußball entwickelt sich in eine gute Richtung. Viele Kinder und Familien kommen zu den Spielen der Veikkausliiga.

Worin besteht für Sie der größte Unterschied zwischen dem Fußball in Finnland und dem in Deutschland?

Krebs: In Deutschland wird sehr viel auf Robustheit und Zweikämpfe gesetzt. In Finnland sucht man meist die spielerische Lösung, auch wenn das Level jetzt noch nicht das oberste ist.

Was gefällt Ihnen am Leben in Finnland besonders gut?

Baak: Ich habe es mittlerweile sehr gerne, dass ich eine gewisse Ruhe habe und ein Umfeld habe, das nicht jeden Tag polarisiert. In Berlin war immer Action, und für mich ist es extrem wichtig, dass ich meine Ruhe habe und mich auf die Sachen konzentrieren kann, die mir wichtig sind. In Berlin war das nicht so einfach für mich.

Wurtz (unterbricht Baak): Jetzt gehst Du Pilze sammeln und Angeln…

Baak (lacht). Nein, das nicht.

Wurtz: In Finnland ist alles top organisiert, nicht nur im Fußball. Mit meinem Baby und meiner Frau hier zu wohnen, macht Spaß. Es gibt super Angebote, man ist direkt in der Natur und direkt am Wasser. Und in den Cafés kann man so viele Kaffee trinken, wie man möchte und muss nicht jeden bezahlen (schmunzelt). Auch der Winter hat seinen Charme, man geht nach dem Training in die Sauna, und alles ist gut.

Johannes Wurtz

Johannes Wurtz führte den SV Wehen Wiesbaden in der vergangenen Saison als Kapitän zurück in die 2. Bundesliga. IMAGO/All Over Press Finland

Herr Wurtz, Sie hatten einen Fuß schon in der Tür zur Bundesliga. Warum haben Sie den zweiten Fuß nicht in die Tür bekommen?

Wurtz: Es hat irgendwie nicht gereicht. Und es lief auch etwas unglücklich. Unter Thomas Schaaf durfte ich 2012/13 zweimal in der Bundesliga ran, dann kam im Sommer 2013 Robin Dutt, und der hat mich gleich aussortiert. Ich sollte über eine Leihe in die 2. Liga Praxis sammeln, was auch okay war. Danach habe ich die eine oder andere falsche Entscheidung bei Wechseln getroffen. So hätte ich etwa 2014 beim SC Paderborn bleiben können, als der SC in die Bundesliga aufgestiegen ist.

Herr Baak, auch Sie haben bei Hertha schon im Bundesligakader gestanden und drei Kurzeinsätze in der Bundesliga gehabt. Warum konnten Sie sich nicht festbeißen im Erstliga-Team?

Baak: Ich bin damals nicht richtig mit der Situation und mit meinem Talent umgegangen. Ich hatte damals nicht den richtigen Fokus habe als ganz junger Spieler nicht verstanden, dass ich die große Chance habe, Bundesligaspieler zu werden, wenn ich ganz hart arbeite. Mit 17, 18 oder 19 hatte ich andere Sachen im Kopf und habe so sportlich Zeit verloren. Irgendwann ist am 21, 22, dann ist man nicht mehr das ganz junge Toptalent, und dann wird es immer schwerer.

Was hat für Sie den Ausschlag gegeben, im Juli 2022 auch zu Honka Espoo zu wechseln? Hat Sie Ihr ehemaliger Hertha-Kollege Florian Krebs überredet?

Baak: Nein. Flo und ich kennen uns, seit wir fünf Jahre alt sind. Er ist seit langen Jahren mein bester Freund - mit Freundschafts-Tattoo. Seitdem ich nicht mehr zu Hause in Berlin war, habe ich es extrem wertgeschätzt, Leute um mich zu haben, die mir etwas bedeuten. Insofern war es super, dass das Angebot von Honka kam.

Herr Krebs, Sie sind von den drei deutschen Profis am längsten bei Honka Espoo.Können Sie sich vorstellen, lange zu bleiben?

Es ist kein Geheimnis, dass Finnland nicht meine letzte Station sein sollte.

Florian Krebs 

Krebs: Wenn wir den Pokal gewinnen, spielen wir Conference-League-Quali, das ist ein starkes Argument für Honka. Aber als Fußballer muss man immer sehen, was an Angeboten kommt. Ich fühle mich in Espoo sehr wohl, aber es ist kein Geheimnis, dass Finnland nicht meine letzte Station sein sollte.

Haben Sie noch die Ambition, zeitnah wieder in eine große Liga zurückzukehren?

Wurtz: Ich sehe mich schon noch mal in der Premier League (lacht). Nein, Spaß beiseite: Ich bin jetzt erst seit zwei Monaten hier, Honka Espoo ist meine erste Station im Ausland. Es ist alles aufregend, ich genieße es jeden Tag. Es macht Spaß, hier zu spielen. Wir haben eine gute Truppe mit einem guten Trainerteam - und wir spielen guten Fußball. Es ist einfach gerade eine schöne Zeit, aber man weiß natürlich nie, was passiert. Vielleicht kommt das eine oder andere Abenteuer noch dazu, vielleicht nochmal ein Klub in Deutschland. Man wird sehen. Aber erstmal will ich mit Honka auch Titel gewinnen. Wir haben das Potenzial, um auch Richtung Meisterschaft zu schielen.

Baak: Wenn man Fußball spielt, muss man relativ offen sein für neue Situationen. Man muss aber auch wissen, was realistisch ist. Ich habe an der Bundesliga geschnuppert, und mein Ziel bleibt es, dorthin zurückzukehren. Wenn man aber in Finnland spielt, sollte man davon ausgehen, dass erstmal ein anderer Schritt nötig ist, bevor man wieder in eine große Liga kommt. Man kann Träume und Ziele haben, aber wenn man in Finnland spielt, sollte eine etwas größere Liga vielleicht das nächste Ziel sein, um sich dort für eine der Topligen zu empfehlen.

Wo würden Sie das Niveau von Honka Espoo und der finnischen Veikkausliiga im Vergleich zu Deutschland einordnen?

Krebs: Das kommt darauf an, ob man ein Topverein ist oder nicht. Die Vereine aus der hinteren Tabellenregion würden in Deutschland vielleicht auf der Regionalliga nicht vorne sein, die Topteams in Finnland wiederum haben Drittliga-Format.

Baak: Das würde ich bestätigen. Honka und die anderen Teams aus der oberen Tabellenregion könnten auf jeden Fall in der 3. Liga spielen.

Herr Krebs, Herr Baak: Was sagen Sie als Hertha-Zöglinge zur jüngeren Entwicklung von Hertha BSC?

Krebs: Zuletzt hat der Klub meines Erachtens wieder viel Gutes gemacht, nachdem zuvor sehr viel schlecht gelaufen war. Es ist nicht leicht gewesen für die Verantwortlichen in diesem Sommer: Du musst hoffen, dass du Spieler los wirst, weil du unbedingt welche verkaufen musst. Ich verfolge Hertha aber auch nicht jeden Tag.

Baak: Wie Flo gesagt hat: Was bei Hertha in den vergangenen vier Jahren passiert ist, ist schon traurig. Vor allem, wenn man das als Herthaner aus der Ferne mit ansehen muss. Ich werde Hertha immer im Herzen tragen, und ich denke, Hertha berappelt sich gerade wieder. Zuletzt schaue ich wieder richtig gerne Hertha.

Haben Sie auch noch einen bestimmten Ihrer Ex-Klubs, den Sie regelmäßig verfolgen, Herr Wurtz?

Wurtz: Ich verfolge fast alle meine ehemaligen Vereine noch. Vor allem die, zu denen ich eine besondere Bindung hatte: Bremen, Wehen Wiesbaden oder Bochum.

Zum Schluss Ihr Tipp: Wie geht das Finale aus?

Wurtz: Tampere ist ein guter Gegner, wir haben das bei unserem Heimspiel gegen sie vor ein paar Wochen (2:0 am 27. August, Anm. d. Red.) gemerkt. Eine Finale hat speziellen Charakter, aber in uns steckt so viel Qualität, dass ich sage: Wir gewinnen 3:0.

Baak: Wir gewinnen 2:0, wir führen zur Pause schon 2:0 und verteidigen das dann.

Krebs: Ich sage auch 2:0. Aber wir machen das 2:0 in der 90. Minute, wenn wir alleine aufs Tor laufen.

Interview: Andreas Hunzinger