Olympia

Tokio 2020: Der Modus "Olympic Combined" - Dreikampf im Sportklettern

Sportklettern: Der Modus für die Premiere bei Olympia

"Olympic Combined" - Dreikampf an der Wand

"Olympic Combined" - der olympische Kletter-Dreikampf aus Spped (re.), Bouldern und Lead.

"Olympic Combined" - der olympische Kletter-Dreikampf aus Spped (re.), Bouldern und Lead. Getty Images

Mitte August 2019 fanden die Kletter-Weltmeisterschaften in Hachioji, knapp 50 Kilometer westlich von Tokio, statt. Viele der besten Kletterer traten an, um sich in den drei Disziplinen Speed, Bouldern und Lead neben dem Kampf um die Medaillen in den Einzeldisziplinen erstmals über den neuen Modus für die Olympischen Spiele zu qualifizieren.

SPEED

Speedklettern

Speedklettern: 15 Meter hohe Wand, das Tempo entscheidet. imago images

Der Name ist Programm. Am Boden geht es los, und wer am schnellsten oben ist, hat gewonnen. Dabei müssen die Kletterer eine seit 2005 in der Griffabfolge genormte, 15 Meter hohe Wand erklimmen, die um fünf Grad überhängend ist. Die Seilsicherung kommt beim Speed-Klettern von oben ("Toprope").

Geklettert wird auf zwei nebeneinanderliegenden Bahnen (A und B). Die Athleten nehmen die Startposition ein, indem sie einen Fuß an die Kletterwand stellen und den anderen auf ein elektronisches Pad. Nach dem Go-Signal beginnt die Zeitnahme, nach 15 Metern wartet ein weiteres Pad, das nach Handberührung die Zeit stoppt.

In der Qualifikation absolvieren alle Wettkämpfer je eine Runde auf der Bahn A und B, die schnellste Zeit wird gewertet. Die schnellsten Acht bestreiten das Finale. Im Finale wird dann in Ausscheidungsduellen geklettert - Viertelfinale (Erster der Qualifikation gegen Achten der Qualifikation, Zweiter gegen Siebter, Dritter gegen Sechster, Vierter gegen Fünfter), Halbfinale (Sieger 1:8 gegen Sieger 2:7 und Sieger 3:6 gegen Sieger 4:5) und Finale. Zudem gibt es eine Trostrunde der vier Viertelfinal-Verlierer, um die Endplatzierung genau festzulegen.

Den Speed-Weltrekord hält seit 28. Mai 2021 der Indonesier Veddriq Leonardo mit 5,208 Sekunden, aufgestellt beim World Cup 2021 in Salt Lake City. Bei den Damen liegt die Bestmarke bei 6,964 Sekunden, aufgestellt am 21. November 2020 von der Russin Iuliia Kaplina bei den Europameisterschaften in Moskau. Den deutschen Rekord von 5,976 Sekunden stellte Leander Carmanns bei den Europäischen Jugendmeisterschaften in Perm (Russland) Anfang Mai 2021 auf. Bei den Frauen ist neuerdings Franziska Ritter aus Wuppertal mit 8,162 Sekunden (Juni 2021, Deutsche Meisterschaften im Speed) die Schnellste.

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BOULDERN

Bouldern

Bouldern: Auch Artistik ist gefragt. imago images

Beim Bouldern wird ohne Seil geklettert, dafür bis maximal zur sogenannten Absprunghöhe von vier Metern. Diese Disziplin dürfte für die Zuschauer die spektakulärste im Rahmen des "Olympic Combined" sein, da die Sportler oftmals mit Sprüngen (Dynamos), Spagaten, Balanceakten oder artistischen Bewegungen die Route ("Boulderprobleme") zu bewältigen versuchen.

Die Wand ist hierbei unterschiedlich stark geneigt - teilweise müssen die Athleten in Überkopf-Positionen klettern - und mit unterschiedlichsten Griffen, Tritten und Volumen zurechtkommen. Bei einem vorgegebenen Startgriff geht es los, der Boulder gilt als bezwungen, wenn der Zielgriff ("Top") mit beiden Händen in stabiler Körperhaltung für zwei Sekunden gehalten wird. Dazwischen liegt der "Zonengriff", quasi ein Zwischenziel auf dem Weg nach oben, der auch dann gewertet wird, wenn er nur mit einer Hand stabil erreicht wird.

In der Qualifikation werden vier Routen im "onsight"-Modus geklettert - das heißt, der Athlet bekommt keine Möglichkeit, die Route vorher zu besichtigen, sondern befindet sich während des Wettkampfs hinter der Kletterwand in der so genannten Isolation. Für jedes Boulderproblem wird eine Zeit von fünf Minuten gewährt. Ins Finale ziehen die besten acht Kletterer ein, die dann drei Boulderprobleme vorgesetzt bekommen. Für jedes einzelne haben sie dann vier Minuten Zeit. In der Finalrunde dürfen die Kletterer die Routen vor dem Wettkampf zwei Minuten begutachten.

Wie wird beim Bouldern gewertet? Die Rangfolge stellt sich wie folgt dar: Anzahl der erreichten Topgriffe, Anzahl der erreichten Zonengriffe, Anzahl der Versuche zum Topgriff, Anzahl der Versuche insgesamt zum Zonengriff. Ein optimales Finale mit vier Boulderproblemen sieht auf dem Scoreboard folglich so aus: 4t4z 4 4 (vier Tops erreicht, vier Zonengriffe erreicht, bei insgesamt vier Versuchen zum Top-Griff und vier Versuchen zum Zonengriff). Bei Gleichstand entscheidet als letztes Kriterium die benötigte Zeit.

LEAD

Lead-Klettern

Lead-Klettern: Die herkömmlichste Form des Klettersports. imago images

Das Lead-Klettern oder Schwierigkeitsklettern ist der herkömmlichsten Form des Klettersports am nächsten. Die Athleten "besteigen" eine mindestens 15 Meter hohe Wand im Vorstieg, das heißt, der Kletterer führt das Seil mit sich und klinkt es in Zwischensicherungen ein. In der Regel ist die Wand stark überhängend.

Auch beim Lead-Klettern gibt es einen definierten Startgriff und einen Topgriff. Jeder Athlet hat nur einen Versuch, um möglichst viele der durchnummerierten Griffe zu erreichen. Zum Beispiel: Fällt ein Kletterer bei Griff 20 ins Seil, so hat er die Wertung "20", befindet er sich beim Fallen allerdings schon Richtung Griff 21 (mit einer Hand klar erkennbare Austreckbewegung, Körperschwerpunkt verlagert), so hat er die Wertung "20+". Die maximale Zeitvorgabe liegt bei sechs Minuten. Die benötigte Zeit wird nur dann als Platzierungskriterium herangezogen, wenn alle Wertungen - auch die aus der Qualifikation - identisch sind.

In der Qualifikation wird eine Route geklettert und zwar im "onsight"-Modus, also ohne vorhergehende Besichtigung. Die besten Acht ziehen ins Finale ein. In der Endrunde wird eine Route geklettert, die alle Athleten zusammen sechs Minuten besichtigen dürfen. Jeder Athlet hat dann sechs Minuten Zeit, die Route zu bewältigen.

OLYMPIC COMBINED - EIN DREIKAMPF

So weit, so anstrengend. Mit dem eigens für die Olympia-Premiere ins Leben gerufenen Modus "Olympic Combined" soll der beste Allround-Kletterer ermittelt werden. Die Spitzenathleten aus den drei Einzeldisziplinen kämpfen in einer Kombination aus Speed, Bouldern und Lead um olympisches Edelmetall. Gedanklich soll dieser Ansatz dem Zehnkampf der Herren/Siebenkampf der Damen aus der Leichtathletik ähneln. Als dieser Modus im August 2016 vom IOC festgelegt wurde, erntete es herbe Kritik aus der Kletterszene, da speziell das Speed-Klettern mit den Anforderungen des ursprünglichen Klettersports wenig gemein hat. Die Vergabe von olympischen Medaillen in den Einzeldisziplinen ist für Tokio nicht vorgesehen. Bei Olympia 2024 in Paris wird es einen Medaillensatz geben für das Speedklettern und einen weiteren für die Kombination aus Bouldern und Lead.

Vergabe der 20 Olympia-Tickets je Geschlecht

Bei Olympia in Tokio starten insgesamt 20 Damen und 20 Herren - pro Nation und Geschlecht höchstens je zwei. Die Vergabe der Startplätze läuft wie folgt: Bei der WM in Hachioji im August 2019 qualifizierten sich direkt sieben Athleten. Weitere sechs Athleten konnten beim "Olympischen Qualifikationsevent" in Toulouse (28.11. bis 1.12.2019) ihre Tickets für Tokio lösen. Dort starteten die besten 20 Athleten des Gesamtweltcups, der Ende Oktober 2019 in Inzai/Japan endete.

Die dritte Möglichkeit boten eigentlich die für das Frühjahr 2020 angesetzten fünf Kontinentalmeisterschaften. Doch nur die Pan-Amerikanischen Meisterschaften konnten Ende Februar/Anfang März 2020 noch wie geplant stattfinden. Die Wettkämpfe für Europa (21.-29.11.2020), Ozeanien (19./20. Dezember 2020) und Afrika (17.-20. Dezember 2020) mussten ans Jahresende verschoben werden. Die Asienmeisterschaften, angesetzt für den 10. bis 13. Dezember 2020 wurden aufgrund der Reisebeschränkungen gänzlich abgesagt. Die nunmehr vier Gewinner der Kontinentalmeisterschaften qualifizierten sich für Tokio 2020, die beiden fehlenden asiatischen Plätze wurden an die im Ranking bis dato Führenden vergeben.

Hinzu kamen zwei Plätze, die laut der "Tripartite Commission Quota" belegt werden sollten. Durch diese "Diversity Regel" sollten auch Athletinnen/Athleten aus weniger namhaften Kletternationen eine Chance auf Olymia erhalten. An den Weltmeisterschaften 2019 in Hachioji nahm jedoch nur ein einziger Athlet teil, der den Kriterien des "Tripartite-Tickets" entsprach: Zàhéér Ahmád aus Pakistan. Er beging jedoch den Fehler, nicht in der Disziplin Lead anzutreten, weshalb ihm das Olympia-Ticket verwehrt blieb.

Der Weg zu Gold: Ablauf, Termine und Wertung in Tokio

Der Wettkampf-Ablauf bei Olympia sieht folgende Reihenfolge vor: Erst Speed, dann Bouldern und zuletzt Lead. Am 3. August 2021 findet eine komplette Qualifikationsrunde aus allen drei Einzeldisziplinen bei den Herren statt. Am 4. August 2021 ist die Qualifikation der Damen angesetzt. Das Herren-Finale steigt am 5. August 2021, das der Damen am 6. August 2021.

Nach jeder Einzeldisziplin wird ein Ranking erstellt. Die drei einzelnen Platzierungen werden miteinander multipliziert. Von den insgesamt 20 Startern ziehen die besten Acht ins jeweilige Finale ein. Abermals werden alle drei Einzeldisziplinen geklettert und am Ende gewinnt der mit der geringsten Punktzahl Olympisches Gold.

bst

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