Basketball

"Ein richtig Guter!" Erinnerungen an EM-Held Christian Welp

Ehemaliger NBA-Profi und Nationalspieler starb im März 2015

"Ein richtig Guter!" Erinnerungen an EM-Held Christian Welp

Christian Welp als Co-Trainer bei der Nationalmannschaft im Jahr 2004.

Christian Welp als Co-Trainer bei der Nationalmannschaft im Jahr 2004. imago images

Es ist die Szene, die für immer mit Welp in Verbindung bleiben wird. Im Finale der Europameisterschaft 1993 steht es in der Münchner Olympiahalle kurz vor dem Ende 68:70 für Russland. Wenige Sekunden sind noch auf der Uhr. Der damals 29-jährige Center steigt nach Zuspiel von Kai Nürnberger hoch zum Korb, wird gefoult und trifft trotzdem zum Ausgleich. Den fälligen Freiwurf verwandelt er sicher zum 71:70-Endstand. Drei Sekunden später ertönt die Sirene. Deutschland ist Europameister, der bis heute einzige Titel.

Unvergessene Szene, die es um ein Haar gar nicht gegeben hätte. Welp wäre fast nicht zum Matchwinner geworden, beinahe gar nicht im Kader gewesen. Svetislav Pesic, der damals die Auswahl des Deutschen Basketball-Bundes trainierte, wollte auf den Center verzichten, hatte ihm dieser doch in den Jahren zuvor immer wieder trotz Nominierungen abgesagt. Zur Mannschaft wäre er erst später gestoßen - für Pesic ein No-Go, auch wenn Welps Qualitäten unbestritten sind.

Es hat mich fasziniert, dass er als Spieler immer konzentriert Leistung gebracht hat.

Welps früherer Trainer Dirk Bauermann

Bei den BC Giants in Osnabrück groß geworden, zieht es ihn Anfang der 1980er Jahre in die USA. An der Seite von Detlef Schrempf spielt Welp bei der University of Washington für die Huskies, 1987 wird er von den Philadelphia 76ers gedraftet. Bis 1990 absolviert er über 100 Spiele in der NBA für Philly, San Antonio und die Golden State Warriors. Er gehört Anfang der 1990er zu den besten Spielern Deutschlands - und entsprechend bekommt Pesic, wie er Jahrzehnte später im Podcast von "Magenta Sport" berichtet, vom Verband Druck. Welp soll spielen, trotz aller Hindernisse. Pesic überlässt die Entscheidung schließlich der Mannschaft - und die spricht sich einstimmig für den stillen Koloss aus Norddeutschland aus.

Anfang der 1990er Jahre kehrt Welp zurück

Das Votum seiner Teamkameraden fasst dieser wohl als Verpflichtung auf. Zumindest erinnert sich Pesic, dass der Center ganz besonders engagiert zu Werke gegangen sei, auch im Training.

Das hatte den gebürtigen Delmenhorster aber ohnehin immer ausgezeichnet. "Es hat mich fasziniert, dass er als Spieler immer konzentriert Leistung gebracht hat, egal ob wir mit Leverkusen in einem Europaliga-Spiel gespielt haben oder in der Vorbereitung bei einem Regionalligisten", sagt sein damaliger Klubtrainer Dirk Bauermann, der Welp Anfang der 1990er Jahre aus den USA nach Leverkusen lotste und mit ihm die Meisterschaft fünfmal in Serie gewann.

Entscheidener Wurf

Entscheidender Wurf: Christian Welp macht Deutschland zum Europameister. imago images

Bauermann, der den Titel insgesamt neunmal mit Leverkusen und Bamberg holte und aktuell den ambitionierten Zweitligisten Rostock Seawolves parallel zur tunesischen Nationalmannschaft trainiert, schätzte Welps für damalige Zeit ungewöhnliche Anlage. "Ich glaube, dass Christian mit seiner Spielweise 15 Jahre voraus war. Heute will man gerne Center haben, die auch von außen punkten, passen können und ein ganz anderes Spielverständnis haben", sagt der heute 62-Jährige. "Vor 25 Jahren standen sie meistens mit dem Rücken zum Korb, mussten Rebounds holen und den Block stellen." Welp aber interpretierte seine Position flexibler, ideenreicher.

Fritz von Thurn und Taxis schreit: "Welp, Welp, Wahnsinn!"

Hinzu kam seine Coolness in den entscheidenden Momenten - nicht nur im Endspiel. Schon im spannenden Viertelfinale gegen Spanien rettet er sein Team erst in die Verlängerung. In der holt er dann sieben Sekunden vor der Schlusssirene nach einem vergebenen Freiwurf der Spanier den Rebound, erhält den Ball Momente später von Kai Nürnberger zurück und trifft aus der Mitteldistanz zum 79:77-Sieg - eine ähnliche Abfolge wie später in Finale. "Welp, Welp, Wahnsinn!", schreit TV-Kommentator Fritz von Thurn und Taxis in sein Mikrofon, während sich auf dem Parkett eine Jubeltraube bildet. Ohne den Matchwinner.

Welp, später zum Turnier-MVP ernannt, ist unmittelbar nach seinem Wurf vorbei an Absperrungen, Mitspielern und Fans in die Kabine gestürmt, um dort ganz allein mit seinen Emotionen zu sein - und wieder gleichen die Szenen den Ereignissen nach dem Finale, als Welp sich nur ein kurzes Fäusteballen gestatten sollte. Ein Einzelgänger, der trotzdem seine Rolle als Teamplayer hat. "Er war wie ein Fels in der Brandung", erinnert sich Bauermann, der Welp in Leverkusen auch einen großen Anteil an der Titel-Serie zwischen 1991 und 1996 zuschreibt.

Dirk Bauermann

Dirk Bauermann (M.) im Austausch mit seinen Assistenten Welp (r.) und Achim Kuczmann. imago images

Als Europa- und mehrfacher deutscher Meister geht Welp schließlich nochmal ins Ausland zu Olympiakos Piräus. Mit den Griechen gewinnt er die Europaliga, kehrt nur ein Jahr später nach Deutschland für eine Saison bei Alba Berlin zurück - natürlich wird er Meister. 1999 beendet er seine Karriere in Italien. Der Kontakt zu seinem alten Wegbegleiter Bauermann reißt allerdings nicht ab. Der Erfolgscoach, inzwischen bei der Nationalmannschaft in Verantwortung, verpflichtet den zurückhaltenden Welp ein zweites Mal, diesmal als Co-Trainer. "Überreden musste ich ihn nicht, aber für ihn war schon ganz wichtig zu wissen: 'Was willst du von mir und welche Rolle habe ich im Trainerstab?'", erklärt Bauermann.

Im März 2015 verbreitet sich eine traurige Nachricht

Das Trainerteam, zu dem auch Achim Kuczmann zählt, führt das Nationalteam 2005 zum größten Erfolg nach 1993. Die Mannschaft um NBA-Star Dirk Nowitzki, der 1993 selbst als Zuschauer über Welps Wurf jubelte, gewinnt die EM-Silbermedaille. "Wir hatten eine tolle Zeit", so Bauermann, der heute über seinen damaligen Assistenten sagt: "Er hat nicht viel geredet. Aber wenn er seine Meinung geäußert hat, war er sehr ehrlich, sehr direkt, sehr offen."

Christian Welp, Dirk Nowitzki

Christian Welp (li.) und Dirk Nowitzki mit der Silbermedaille bei der EM 2005. imago images

Welp geht wieder in die USA, widmet sich anderen Projekten. "Wir haben immer wieder mal telefoniert", sagt Bauermann. Die Öffentlichkeit sucht Welp da aber nicht mehr. Als 2013 die Europameister unter anderem für eine Dokumentation des "Bayerischen Rundfunks" zusammengetrommelt werden, sagt er ab. Mails beantwortet er manchmal auf Englisch.

Die Bilder seines finalen Wurfs im EM-Endspiel bleiben trotzdem präsent - und sie werden wieder herausgeholt und gespielt, als sich Anfang März 2015 die Nachricht von seinem plötzlichen Tod verbreitet. Welp stirbt in den USA am 1. März im Alter von 51 Jahren an Herzversagen und sorgt für tiefe Bestürzung. Auch Bauermann äußert sich kurz nach der traurigen Botschaft tief getroffen. "Auch wenn es sich wie ein Klischee anhört", betont er vor fünf Jahren: "Christian war ein richtig Guter."

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Frederik Paulus