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Das sind die größten Fragen im Play-off-Rennen

Four Downs: Die NFL-Kolumne von Adrian Franke

Das sind die größten Fragen im Play-off-Rennen

Seine Offense stottert derzeit: Eagles-Quarterback Jalen Hurts.

Seine Offense stottert derzeit: Eagles-Quarterback Jalen Hurts. Getty Images

FIRST DOWN: Die größten offenen Fragen im Play-off-Rennen

Ist Kansas Citys Offense gut genug für einen Super Bowl?

Seit 2018 haben die Chiefs nicht nur jedes Jahr das AFC Championship Game erreicht - in diesen fünf Jahren haben sie es sogar immer ausgerichtet. Fünf Jahre mit Patrick Mahomes als Starter, fünf Mal das AFC Championship Game in Kansas City, drei Trips in den Super Bowl, zwei Titel.

Das sind die Expected Points Added pro Play Werte, die die Chiefs-Offense in den letzten fünf Jahren aufgelegt hat, inklusive Ranking im Liga-Vergleich:

2018: Platz 1 (0,237 EPA/Play)
2019: Platz 2 (0,135 EPA/Play)
2020: Platz 3 (0,177 EPA/Play)
2021: Platz 2 (0,140 EPA/Play)
2022: Platz 1 (0,179 EPA/Play)

Dieses Jahr befinden sich die Chiefs nach Woche 14 auf dem siebten Platz, mit 0,055 EPA pro Play - ein merklicher Dropoff. Und selbst diese Zahlen wirken fast noch zu gut, wenn man einige der Chiefs-Spiele gesehen hat. Das wirkte häufig wie eine Offense, die - und es fällt schwer, das über Mahomes und Andy Reid zu schreiben - ihre Identität sucht. Das führte dazu, dass es häufig eine "Mahomes-und-Kelce-rettet-uns"-Operation war.

Wer steht wo?

Mahomes ist der beste Quarterback dieser Generation und wenn er seine Karriere beendet, könnten wir über den besten Quarterback aller Zeiten sprechen. Aber selbst mit diesem gigantischen Ass im Ärmel ist es viel vom Quarterback verlangt, die Offense Woche für Woche zu tragen.

Es hilft, dass Kansas City die beste Defense der Mahomes-Ära hat. Mahomes kann immer noch Plays machen, Kelce kann immer noch Plays machen, Rashee Rice hat sich fest als Nummer-2-Waffe etabliert. Aber die Basis der Offense ist extrem instabil, und es passt irgendwo wie die Faust aufs Auge, dass ein Aufstellungs-Fehler eines Receivers - in dem Fall Kadarius Toney - den möglichen spektakulären Game-Winner gegen die Bills vom Board nahm.

Die Chiefs haben jetzt einen sehr angenehmen Rest-Schedule, mit den Patriots, den Raiders, den Bengals und den Chargers. Vier Wochen Zeit, um an der eigenen offensiven Identität zu feilen. Kann mehr über das Run Game funktionieren? Finden sie eine stabilere Baseline im Passing Game? Könnte jemand wie Zach Ertz dabei helfen?

Für den Moment muss die Antwort auf die Frage sein: Nein, Kansas Citys Offense ist nicht gut genug für einen Super Bowl. Aber das heißt nicht, dass sie in den Play-offs nicht in ausreichendem Maße heißlaufen kann.

A.J. Brown von den Philadelphia Eagles

A.J. Brown und die Eagles-Offense haben im Moment gehörig Sand im Getriebe. Getty Images

Können die Eagles ihre Offense reparieren?

Im Moment fühlt sich die Eagles-Offense ein wenig ruderlos an und nach der deutlichen Pleite gegen die 49ers bestätigte sich dieser Eindruck am Sonntagabend gegen die Cowboys. Was ist die Identität dieser Offense? Antworten gerne in die Kommentare, denn eine wirklich gute habe ich selbst nicht.

Was klar ist, ist, dass die individuelle Qualität noch immer sehr hoch ist. Von der Offensive Line über Jalen Hurts und Tight End Dallas Goedert bis zu einem der besten Wide-Receiver-Duos in der NFL. Das ist ein maßgeblicher Treiber dafür, dass die Eagles noch immer eine Top-8-Offense haben. Sie können - zumindest phasenweise - den Ball bewegen, sie können Big Plays auflegen.

Aber im Moment ist die Offense nicht mehr als die Summe der einzelnen Teile. Und so gut diese Teile auch sein mögen, das ist keine verlässliche Basis. Oder negativer formuliert: Die schematischen Defizite, die Philadelphia offensiv hat, betonen die Defizite, die Hurts als Passer hat, umso mehr - statt seine Stärken in den Vordergrund zu rücken, wie es letztes Jahr wesentlich besser gelang.

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Ich weiß nicht, ob es etwas gibt, das Philadelphia bis zu den Play-offs hier wieder signifikant stabiler machen kann. Für mich liegt der logische Ansatzpunkt immer noch im Run Game, welches unter Shane Steichen letztes Jahr signifikant produktiver und ein so dominanter Teil der Offense war, dass es als Katalysator für viele der vermeintlich simplen Wege diente, mit denen Philly offensiv punkten konnte. Hier sehe ich die vergleichbar realistischste Option, um die Offense während der Saison zu stabilisieren. Schaffen die Eagles das nicht, sehe ich sie als zu inkonstant für einen weiteren Play-off-Run.

Wie kompensieren die Texans den Tank-Dell-Ausfall?

Egal, was in dieser Saison noch passiert: Die Houston Texans sind dem eigenen Zeitplan zumindest mal ein Jahr voraus. Das für sich betrachtet ist schon eine sehr positive Erkenntnis und hat fast mehr Gewicht als die Frage danach, ob es die Texans am Ende in die Play-offs schaffen oder nicht.

Innerhalb der Organisation wird man das - zurecht - erstmal anders sehen, und natürlich wäre es der krönende Abschluss für Houston, wenn dieses junge Team gleich auch seine ersten Play-off-Erfahrungen sammeln könnte.

Tank Dell war bis dato fester Bestandteil dieser unerwartet starken Saison. Die Saison des Rookie-Receivers endete verletzungsbedingt leider in der Vorwoche, zu dem Zeitpunkt hatte Dell die zweitmeisten Receiving-Yards aller Rookie-Receiver und keiner hatte mehr Receiving-Touchdowns als er. Zudem stand er auf Platz 3 in Yards pro gelaufener Route unter allen Rookie-Receivern mit mindestens 30 Targets, sowie in der Kategorie auch in der Top 20 unter allen Receivern ligaweit.

Das Rennen um die Play-offs

Vor allem aber war er der primäre Field-Stretcher, der primäre vertikale Receiver für einen Rookie-Quarterback, der in seiner ersten Saison ungewöhnlich aggressiv zu Werke geht. Diesen Ausfall müssen die Texans jetzt kompensieren, und es hilft dabei, dass Nico Collins parallel seine Breakout-Saison hat und Dalton Schultz sich als das erhoffte verlässliche Underneath-Target etabliert hat.

Gegen die Jets fehlte Schultz nochmals und Collins musste verletzt raus, und das Passspiel knickte komplett ein. Zugegebenermaßen gegen einen ausgesprochen unangenehmen Gegner, doch das ist etwas, das man weiter beobachten muss.

Um auch in den Play-offs womöglich für Furore zu sorgen - und natürlich auch um davor das Ticket für die Postseason überhaupt zu lösen - brauchen die Texans ihre offensive Explosivität.

Quarterback Tua Tagovailoa von den Miami Dolphins

Für Tua Tagovailoa und die Miami Dolphins setzte es eine unerwartete Heimniederlage gegen Tennessee. Getty Images

Können die Dolphins gute Teams schlagen?

Mit der überraschenden Niederlage gegen Tennessee am Montagabend ermöglichen es die Dolphins den Bills, im Division-Rennen wieder mitzumischen. Das könnte noch kostspielige Konsequenzen für ein Dolphins-Team haben, das einen harten Stretch zum Ende der Regular Season hat.

Ganz konkret steht ein Takeaway aus diesem Spiel: Der enorme Unterschied, den Tyreek Hill für diese Offense macht - der in meinen Augen wichtigste Spieler in Miami, auch vor Tua. Denn ohne Hill, der gegen die Titans länger raus musste, ist das nicht die gleiche Offense. Dann werden die Schwachstellen in der weiter angeschlagenen Line, aber auch Tuas Defizite in den Vordergrund gerückt.

Diese Niederlage hat einen klaren Punkt hinsichtlich der Dolphins-Offense unterstrichen, der aber ehrlicherweise nicht wirklich überrascht. Ein anderer Punkt dagegen steht insbesondere mit Blick auf die Play-offs noch im Raum: Können die Dolphins auch gute Teams schlagen?

Miami hat dieses Jahr die Chargers, die Patriots zwei Mal, die Broncos, die Giants, die Panthers sowie die Raiders, Jets und die Commanders geschlagen. Keines dieser Teams wird aller Voraussicht nach in den Play-offs mit dabei sein und mutmaßlich alle werden die Saison mit einem negativen Record beenden.

Verloren haben die Dolphins - neben der Niederlage am Montagabend - gegen Buffalo, Philadelphia und Kansas City, die drei ganz eindeutig besten Gegner, die Miami bis dato in dieser Saison hatte.

In der NFL sprechen wir immer über kleine Sample Sizes, und müssen dementsprechend auch anhand von kleinen Sample Sizes analysieren. Das macht Prognosen umso schwieriger, und bisher ist die Sample Size für die Dolphins eben sehr schwarz-weiß: Schwächere Teams schlagen sie nicht nur, sie zerlegen sie meist auch. In ihren Siegen verzeichnen die Dolphins 37 Punkte im Schnitt.

Schlechte Teams deutlich zu schlagen kann ein Qualitätsmerkmal einer gefährlichen Mannschaft sein, doch wenn die Dolphins gegen gute Teams nicht gewinnen können, wird ihnen das in den Play-offs nichts nützen.

Die gute Nachricht aus unserer Sicht: Die Sample Size wird bis zum Start der Postseason noch deutlich vergrößert werden. Miami spielt am Sonntag gegen die Jets, danach warten die Cowboys, die Ravens und nochmal die Bills. Wir werden bis zum Ende der Regular Season ein sehr viel klareres Bild hier bekommen.

Wenn die Dolphins hier einen Hebel umlegen, kann Miami in einer sehr offenen AFC ein sehr gefährliches Play-off-Team sein. Verlieren sie aber weiter gegen Top-Teams, wird die Postseason-Prognose Anfang Januar sehr bescheiden ausfallen.

Präsentiert eine Defense einen Ansatz gegen Purdy und die Niners?

Wenn man sich die 49ers-Offense in den letzten Wochen angeschaut hat, fällt es zugegebenermaßen schwer, sich vorzustellen, dass eine Defense in der restlichen Saison inklusive der Play-offs die Niners hier wirklich lahmlegt. Umso mehr, da San Francisco gegen die Cowboys und die Eagles jeweils 42 Punkte erzielt hat - das sind zumindest auf dem Papier die beiden ärgsten Konkurrenten in den NFC Play-offs.

Sollte sich daran also nichts ändern, können wir davon ausgehen, dass die Niners durch die Play-offs Richtung Super Bowl walzen, und niemand dieses Team stoppen kann.

Diese Offense zu verteidigen ist eine Herkulesaufgabe, denn nicht nur reden wir dabei über den besten offensiven Play-Caller in der NFL, sondern auch über zwei Top-15-Receiver, einen Top-3-Tight-End, den besten Running Back in der NFL, den besten Left Tackle in der NFL und ein schematisch sehr verlässliches Run Game.

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Der Offense eine Sache wegzunehmen wird also kaum den Gesamtapparat stoppen, dennoch ist das hier zumindest als Gedankenanstoß zu verstehen: Wir haben in den vergangenen Jahren ab und an gesehen, dass vermeintlich dominante Offenses spät in der Saison auf Widerstände gestoßen sind, die andere Defenses dann ebenfalls für sich ausnutzen konnten. Ich erwarte ehrlicherweise nicht, dass das mit dieser sehr kompletten Niners-Offense passiert, aber vielleicht sehen wir beispielsweise im Spiel gegen Baltimore übernächste Woche ein paar defensive Ideen, die andere NFC-Teams kopieren können.

Meine reale Einschätzung ist diese: Wenn die Cowboys und die Eagles die NFC mittelfristig betrachten und unweigerlich zu dem Schluss kommen, dass sie in den nächsten Jahren vermutlich häufig an San Francisco und an Shanahans Offense in den Play-offs vorbei müssen, werden beide Teams mehr in ihre Linebacker investieren müssen, als das bisher der Fall ist.

Fällt den Lions defensiv noch etwas ein?

Über die ersten acht Wochen der Saison hatten die Lions nach Expected Points Added pro Play die Nummer-8-Defense, nach Success Rate standen sie immer noch auf Platz 14. Die Entscheidungen der Offseason, in der Secondary auf erfahrene Übergangslösungen zu setzen und in der Front den jungen Spielern Platz zu geben, um sich zu entwickeln, schienen sich auszuzahlen.

Doch dann folgten Verletzungen, Formtiefs und die Erkenntnis, dass Aidan Hutchinson zwar ein toller Spieler ist, aber den Pass-Rush nicht alleine tragen kann. Inzwischen fällt mit Alim McNeill zudem der zweitwichtigste Spieler dieser Defensive Line aus, und in der zweiten Saisonhälfte ist das Bild deutlich verändert: Die Lions stehen seit Woche 9 auf Platz 29 in EPA pro Play und auf Platz 26 in puncto defensiver Success Rate.

Ändert sich hier nichts, sind die Lions in den Play-offs komplett von der eigenen Offense abhängig. Und Detroit ist auf der Seite des Balls zwar nach wie vor gefährlich, aber die Durchhänger werden auch hier häufiger. Gegen Chicago leistete man sich auch im zweiten Spiel zu viele Fehler, und die eigene Defense wird dann nicht die Kohlen aus dem Feuer holen.

Sich so auf die Offense zu verlassen, ist nicht die Formel, um mit Jared Goff einen tiefen Play-off-Run hinzulegen.

Extreme Play-off-Dürrephasen in der NFL: Wer hat am längsten gewartet?

SECOND DOWN: QB-Auftritt der Woche - Joe Flacco gegen Jacksonville

In dieser festen Kategorie soll es um einen Quarterback gehen, der diese Woche eine Partie hatte, die gesondert betrachtet werden muss. Dabei geht es nicht zwangsläufig um den besten Quarterback der Woche - es kann auch mal der schlechteste der Woche hier behandelt werden -, sondern auch um übergreifende Punkte. Diesen Quarterback analysiere ich ausführlich und präsentiere ihn euch hier.

Seit zwei Spielen startet Joe Flacco inzwischen für die Browns, vor fünf Wochen verbrachte der inzwischen 38-Jährige die NFL-Sonntage noch auf der heimischen Couch. Unmittelbar nach dem Sieg gegen die Jaguars am Sonntag verkündeten die Browns die wenig überraschende Entscheidung, dass Flacco für die restliche Saison der Starter sein wird und ich sehe einige Flashbacks zur vergangenen Saison.

Als die Browns nämlich in die Saison mit Jacoby Brissett als Starter gehen mussten, während Deshaun Watson seine Suspendierung noch absaß. Cleveland konnte in den ersten zwölf Wochen der Saison mit Brissett schematisch den Stil von Head Coach Kevin Stefanski auch tatsächlich umsetzen. Die Browns hatten mit Brissett ein Top-5-Run-Game, das Play Action Passspiel funktionierte, man war viel Under Center und hatte viel Heavy Personnel auf dem Platz.

Als dann Watson ab Woche 13 übernahm, merkte man der Offense eine Art Identitätskrise an. Shotgun und Pistol Formationen wurden mit Stefanskis Stil gemischt, das Run Game fiel deutlich ab und beendete die "Watson-Phase" der Saison auf Platz 19 in Rushing Success Rate. Vieles wirkte unrund.

Browns-Offense: Mit Flacco kehrt Ruhe ein

Das wurde in Teilen dieses Jahr besser, doch es ist bemerkenswert, wie eindeutig man mit Flacco in der kurzen Zeit, die er mit dem Team hatte, eine klare Identität erkennt. Auch sieht man eine stabilere, konstantere Herangehensweise auf der Quarterback-Position. Watson, bis zu seiner Verletzung, war besser als in der Spätphase der vergangenen Saison. Aber sein Spiel war nach wie vor geprägt von einigen Out-of-Structure-Plays. Plays, die Flacco zugegebenermaßen überhaupt nicht machen kann. Aber das ist in Ordnung, weil er innerhalb der Struktur punktet.

Wie beim Touchdown zu David Bell in einer der entscheidenden Szenen dieses Spiels: Früh im vierten Viertel beim Stand von 21:14 für Cleveland spielten die Browns Vierter-und-Drei aus. Cleveland war knapp außerhalb der Field-Goal-Reichweite, doch hätte Jacksonville hier einen Stop hinbekommen, hätten die Jags im Gegenzug ausgleichen können.

Jacksonville wählte die aggressive Variante: Ein All-Out-Blitz, also sieben Mann kommen auf den Quarterback, mit Eins-gegen-Eins-Coverage ohne Absicherung dahinter. Das ist ein Play, bei dem der Quarterback den Ball schnell loswerden muss, und Flacco spielte es perfekt: Ein paar Schritte zu seiner rechten Seite, um dem direkten Pressure zu entkommen, während die Browns eine Double-Slant-Route-Kombination auf der Seite liefen. Bell, der hintere der beiden Receiver, stoppte seine Route aber etwas ab, sodass der Corner an ihm vorbei rauschte. So hatte Bell nach dem Catch nur grünes Gras vor sich auf dem Weg zur Endzone.

Ein subtiles, aber großartiges Play vom Quarterback und genau das sind die In-Structure-Plays, die Flacco dieser Offense geben kann.

Flacco öffnet die David-Njoku-Plays

Um das klarzustellen: Das bedeutet nicht, dass Flacco nach zwei Spielen besser ist als Deshaun Watson. Die Offense hatte ihre Durchhänger auch in diesem Spiel, Flacco hat ein paar Würfe verfehlt, aber das ist in Ordnung, dafür haben die Browns eine Elite-Defense und das ist Teil der Formel, dass die Defense die Offense phasenweise mal mittragen und Fehler der eigenen Offense kompensieren kann. Hier gelang das unter anderem mit mehreren Turnovern, aber auch mit vielen erzwungenen Punts.

Es bedeutet allerdings, dass Flacco nach Brisset im Vorjahr den nächsten Nachweis dahingehend liefert, wie stabil das offensive Konstrukt in Cleveland ist - wenn der Quarterback kontinuierlich darin spielt.

Konkret im Spiel gegen Jacksonville unterstrich das Play-Action-Passspiel und insbesondere das David-Njoku-Play-Action-Passspiel diesen Punkt.

Njoku ist der erste Spieler in dieser Saison, der mehrere "wide open" (mindestens fünf Yards Separation nach Next Gen Stats) Touchdowns in einem Spiel hat. Der erste Touchdown war ein Heavy-Play-Action-Design bei Dritter-und-Eins, die Browns kamen mit schwerem Personnel in der I-Formation raus und Jacksonville attackierte die Line of Scrimmage dementsprechend aggressiv mit acht Mann. Niemand hatte die Augen auf Njoku, der sich im Rücken der Defense davon schlich und komplett offen zum Touchdown war.

Der zweite Touchdown war ein Trap Pass, mit einem Pull Block des Guards für den vermeintlichen Run. Flacco stand ruhig in der schnell eng werdenden Pocket, Njokus Crosser von der linken Seite wurde wieder von der Coverage aus den Augen gelassen und der Tight End lief ohne Probleme in die Endzone.

Die Interception sah äußerst unglücklich aus, war aber auch viel Pech: Bei einem Pick Play war es nicht der Cornerback, der auf seinem Weg nach innen aufgehalten wurde, sondern der Receiver. Der Corner ging außen um den Traffic herum, der Ball war raus, bevor Flacco das registriert hatte und so landete der Pass direkt bei Darious Williams.

Der Play-Action-Shot auf Elijah Moore zu Beginn des zweiten Viertels dagegen war von Flacco super getimed und platziert. Der Pass auf Njoku (1:40/zweites Viertel) unter Druck war einer der Momente, in dem Flacco ein Play außerhalb der Pocket machen musste. Er gibt der Offense aktuell genug, damit das Gesamtkonstrukt funktionieren kann

Die Browns sind jetzt das erste Team seit 1950, für das vier verschiedene Starting-Quarterbacks je mindestens einen Sieg innerhalb einer Saison rausholen konnten. Wenn Flacco so weiter macht, ist das ein Play-off-Team - und wer weiß, was dort dann geht, sollte die Defense nochmal heißlaufen.

THIRD DOWN:  Das Play der Woche - Josh Allens Pass auf Deonte Harty

Zum Chiefs-Bills-Spiel gab es anschließend jede Menge Gesprächsbedarf und man hätte hier mehrere Plays raus picken können.

Angefangen natürlich mit dem Offside-Call gegen Kadarius Toney, welcher den potenziellen Game-Winner vom Board nahm. Patrick Mahomes und Andy Reid arbeiteten sich beide auf ungewöhnliche Art und Weise an den Refs ab; sicher auch ein Hinweis darauf, dass sich einiges an Frust angesammelt hat. Denn der Call war absolut korrekt, der Fehler in dem Fall ging klar auf Toney und die Erklärung des Refs im Anschluss wirkt komplett schlüssig. Dass das nicht passieren darf, ist eine ganz andere Frage.

Josh Allen derweil hatte einen der absurdesten Würfe der Woche. Mit 10:42 noch im Schlussviertel bei Dritter-und-Neun trieb ihn der Pass-Rush nach links aus der Pocket, wo er, während er ins Seitenaus fiel, den Ball noch über einen Verteidiger zu seinem Running Back warf (welcher dann das Play beinahe per Fumble und/oder Drop kaputt gemacht hätte). Eine unglaubliche Szene.

An verrückten Momenten mangelte es nicht, und Allen war in einem defensiv geprägten Spiel für mich der Quarterback, der noch mehr kreierte. Doch in einer zweiten Hälfte, in der beide Offenses Probleme hatten, war es der Field-Goal-Drive der Bills, der sieben Minute vor dem Ende startete und knapp zwei Minuten vor Schluss mit einem 39-Yard-Field-Goal endete, der den Unterschied machte. Und es war ein toller Pass von Allen aus der Pocket, innerhalb der Struktur des Plays, welcher als Katalysator für diesen Drive diente.

Denn viel hätte nicht gefehlt, und aus dem Game-Winning-Drive wäre ein weiterer schneller Bills-Punt geworden. Nach zwei kurzen Runs befanden sich die Bills in Dritter-und-Sechs, gut fünfeinhalb Minuten vor dem Ende. Bei Third Down zeigten die Bills Pre-Snap einen potenziellen Blitz, ließen dann aber von sechs vermeintlichen Rushern drei in Coverage zurückfallen, sodass beide Guards zunächst beschäftigungslos waren.

Die Bills brauchen Allen in Topform

Das hieß aber auch, dass Kansas City acht Mann in Coverage hatte. Ein freier Linebacker Underneath, um einen schnellen Pass über die Mitte weg zu nehmen. Ein tiefer Safety zur Absicherung, ein weiterer Safety dazwischen. Und trotz der 5-gegen-3-Mann-Protection ließ sich der Left Tackle in die Pocket schieben.

Allen stand dagegen ruhig in der Pocket und direkt bevor der Pass-Rush von der linken Seite bei ihm ankam warf er den Ball akkurat in den Lauf von Harty. Ohne, dass er in den Wurf treten konnte, also flat-footed. Das war in erster Linie Armstärke in Kombination mit physischer Stabilität in der Pocket, rund 30 Yards Downfield.

Dieser Shot bei 3rd Down brachte die Bills schon fast in Field-Goal-Reichweite an der gegnerischen 40-Yard-Line. Buffalo nahm noch drei weitere Minuten von der Uhr und kam bis kurz vor die Red Zone für das kurze Field Goal zum Sieg.

Allen hatte in diesem Spiel eine weitere ausgesprochen vermeidbare Interception, als er zu spät zurück über die Mitte warf. Trotzdem war das ein Spiel, das, ähnlich wie das Eagles-Spiel vor der Bye, unterstrich, dass Allen dieses Team in die Play-offs tragen kann; mit Plays innerhalb und außerhalb der Struktur.

Und das wird auch notwendig sein: Buffalo ist jetzt eines von sechs (!) 7-6-Teams in der AFC, das Wildcard-Rennen wird hier ein Hauen und Stechen werden, in welchem die Bills unter anderem schon direkte Tie-Breaker gegen die Broncos und die Bengals verloren haben. Und auf die Bills warten mit den Cowboys und den Dolphins noch zwei sehr schwierige Aufgaben, mit den Chargers und den Patriots dazwischen.

FOURTH DOWN: Was nicht unerwähnt bleiben sollte

Backup-Quarterbacks sind wichtig, überschätzen sollte man sie aber nicht. So viele Quarterbacks haben dieses Jahr in der NFL Spiele gestartet, die vor der Saison nicht nur nicht als Starter eingeplant waren, sondern teilweise nichtmal ein Team hatten. Von Clayton Tune über Joe Flacco und Tim Boyle bis hin zu Jake Browning, Bailey Zappe, Tommy DeVito, Mitch Trubisky, Tyson Bagent und jüngst auch C.J. Beathard.

Es ist in gewisser Hinsicht die Saison der Backup-Quarterbacks, und wir wissen, dass so etwas an den Entscheidungsträgern in der NFL nicht spurlos vorbei geht. Ein wenig haben wir das letztes Jahr schon gesehen, als mit 14 Quarterback-Picks im Draft ein neuer Rekord aufgestellt wurde. Elf davon gingen in den ersten 150 Picks vom Board, ebenfalls eine neue Bestmarke.

Und daran ist auch nichts auszusetzen. Einen Quarterback an Tag 2 oder Tag 3 des Drafts zu nehmen, mit der Chance, dass sich dieser Spieler entwickelt und vielleicht sogar ein Starter, zumindest aber für mehrere Jahre ein günstiger Backup ist, ist etwas, das Teams vermutlich wirklich häufiger machen sollten.

Gleichzeitig eine Warnung: Der Takeaway aus dieser Saison sollte nicht sein, dass man jetzt viel mehr in seinen Backup-Quarterback investieren sollte! Eine gute Alternative hier zu haben, ist absolut empfehlenswert - doch ob der Backup-Quarterback, wenn er spielen werden muss, erfolgreich ist, hängt vielmehr von den Umständen ab, die man ihm in dem Moment, in dem er rein muss, an die Hand geben kann.

Jake Browning im Vakuum ist nicht besser als Zach Wilson, aber die Bengals haben nicht nur mehrere Top-Receiver, sondern kreieren Game Plans, mit denen er erfolgreich sein kann. Das ist etwas, das sich die Quarterbacks in New England oder New York ebenfalls wünschen würden.

Zu sehen, wie einige Teams einerseits vorbereitet sind, andererseits aber auch reagieren, wenn ihr Quarterback ausfällt, und andere - ich komme gleich noch gesondert zu den Jets - in dieser Situation komplett überfordert wirken, unterstreicht diesen Punkt.

Coaching und vor allem mit allen Mitteln einen stabilen offensiven Floor kreieren, das würde ich als Priorität aus dieser Saison mitnehmen. Und dann immer noch einen Quarterback in der vierten Runde picken.

Zach Wilson von den New York Jets

Zach Wilson und die Jets beendeten mit dem Sieg gegen die Texans eine 5-Spiele-Pleitenserie. Getty Images

Wer trifft die Entscheidungen bei den Jets? Dass Head Coaches generell - und sehr bewusst - auf Pressekonferenzen gerne mal Unsinn erzählen, oder sich von Floskel zu Floskel hangeln, ist nicht neu. Das kann man vernünftig einordnen und im Idealfall die einzelnen "echten" Punkte rausziehen.

Robert Saleh treibt das dieses Jahr auf die Spitze, sodass man sich mittlerweile regelmäßig die Frage stellt: "Für wie doof hält er uns eigentlich?" Das ging mir zuletzt wieder so, als er am vergangenen Mittwoch ankündigte, dass Zach Wilson wieder als Starter übernimmt. Saleh erklärte allen Ernstes, dass er immer der Meinung war, dass Wilson der beste Quarterback aus seiner Gruppe ist, aber dass er "einen Spark für die Offense" bekommen wollte. Mit Tim Boyle und Trevor Siemian. Okay.

All das nachdem wir uns wochenlang anhören mussten, wie Saleh nach außen hin klarstelle, dass Wilson eigentlich in Ordnung spielt und die Probleme vielfältiger sind - womit er definitiv richtig liegt -, nur um ihn dann doch zu benchen, zu einem Zeitpunkt, an dem es eigentlich schon relativ egal war.

Und Wilson hatte sein bestes Saisonspiel am Sonntag beim Sieg gegen die Texans. Dass er der Offense mehr gibt als Boyle, Siemian und Konsorten steht, bei aller berechtigter Zach-Wilson-Kritik, außer Frage.

Mehrere Punkte hier. Ich halte Saleh für einen fähigen Coach und sein Auftreten nach außen hin mit Blick auf die Quarterback-Situation lässt mich fast eher vermuten, dass er hier im Laufe der Saison einige Entscheidungen vertreten musste, die nicht von ihm kamen, und hinter denen er womöglich noch nicht einmal stand. Vielleicht war immer klar, dass es keinen ernsthaften Ersatz für Aaron Rodgers geben würde. Vielleicht gab es hier ganz lange gar keine Chance aus Salehs Perspektive, an Zach Wilson zu rütteln.

Was wir mit Sicherheit sagen können, ist, dass die Jets nicht genug aus ihrem Backup herausholen. Gerade in einer Saison, in der viele Teams auf ihren zweiten oder gar dritten Quarterback zurückgreifen müssen, fällt das sehr konkret auf. Und da kommt man dann doch zurück auf die Aaron-Rodgers-Thematik und auf Dinge, die Saleh vermutlich akzeptieren muss: Konkret nämlich auf Offensive Coordinator Nathaniel Hackett, dessen persönliche Verbindung zu Rodgers kein Geheimnis ist und dessen Job es dieses Jahr gewesen wäre, der Offense ein stabiles Gerüst selbst mit Backup zu geben.

Sind diese Vermutungen alle zutreffend, dann können wir davon ausgehen, dass Saleh noch ein Jahr in New York bekommen wird. So oder so wird 2024 immenser Druck auf der Jets-Saison sein - nicht nur, um den Scherbenhaufen dieser Saison vergessen zu lassen.

Adrian Franke

Mahomes, Young, Rodgers & Co.: Die NFL-Quarterbacks 2023