Football

NFL in Frankfurt: Bill Belichick am Scheideweg

Spekulationen um erfolgreichsten NFL-Coach

Belichick am Scheideweg: Das Ende des Imperiums?

Als Patriots-Coach deutlich angezählt: Bill Belichick.

Als Patriots-Coach deutlich angezählt: Bill Belichick. picture alliance / abaca

Selbst das neue, aufregende Setting ändert nichts an seinem Wesen. Während sich Andy Reid, Patrick Mahomes oder letztes Jahr Tom Brady in Begeisterung gegenseitig übertrafen, ein Spiel in Deutschland austragen zu dürfen, war Bill Belichick bei der Pressekonferenz am Mittwoch eben Bill Belichick: Schmallippig, einsilbig, brummig beantwortete er die Fragen der Journalisten - etwa die, ob er denn etwas auf Deutsch sagen könne.

"Nein." Punkt.

Diese knochige, humorlose und meist gefühlt schlechtgelaunte Art ist es, die Belichick in Verbindung mit seiner jahrelangen sportlichen Vormachtsellung den Spitznamen "Imperator" einbrachte, angelehnt an die "Star Wars"-Filme. Wenn seine Patriots mal wieder trotz auswegloser Situation doch noch gewonnen hatten, dann hieß es in den Pressestimmen häufig: "Das Imperium schlägt zurück."

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Jetzt, ausgerechnet vor dem Frankfurt-Spiel am Sonntag (15.30 Uhr, LIVE! bei kicker), zeichnet sich aber der Zerfall dieses Imperiums ab. Nach neun Spieltagen stehen die Patriots bei einer verheerenden Bilanz von 2-7, es könnte die schlechteste Belichick-Saison seit seinem Amtsantritt bei den Patriots 2000 werden. Damals war Bill Clinton noch US-Präsident, in der Zwischenzeit wurden über 160 Coaches in der NFL gefeuert. Belichick saß immer fest im Sattel - und reihte Erfolg an Erfolg.

Gemeinsam mit Tom Brady als Quarterback stand Belichick neunmal im Super Bowl, gewann sechs davon - kein anderer Head Coach in der NFL-Historie kommt auf mehr als vier. Belichick ist der erfolgreichste Coach in der Geschichte dieses Sports, eine - trotz überschaubarer Sympathiewerte - lebende Legende.

Tom Brady - Der mit sieben Ringen erfolgreichste Quarterback der NFL-Geschichte

Doch aktuell blättert der Lack ab von seinem Denkmal. "Vom Olymp sind wir irgendwo nach unten gefallen", sagte Sebastian Vollmer, der unter Belichick zweimal den Super Bowl gewann, dem "Münchner Merkur". Seit Brady New England 2020 verlassen hat, sind die Patriots kein Titelkandidat mehr - was auch an Fehleinschätzungen von Belichick liegt, der nicht nur Head Coach, sondern de facto auch General Manager des Teams ist.

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Zunächst ging das Experiment mit dem ehemaligen MVP Cam Newton als Übergangslösung auf Quarterback schief, dann zog Belichick im Draft 2021 Mac Jones als Brady-Nachfolger. Der junge Spielmacher legte auch einen vielversprechenden Start hin, performte aber nur so lange gut, wie sein Offensive Coordinator Josh McDaniels hieß. Als der ein Jahr später den Head-Coach-Posten bei den Las Vegas Raiders übernommen hatte (wo er erst vor kurzem gefeuert wurde), ersetzte Belichick ihn mit seinen Vertrauten Matt Patricia und Joe Judge - die auf ganzer Linie scheiterten.

Die Patriots-Offense sieht - auch weil Belichick kaum Playmaker holte - seit mehr als einem Jahr aus wie eine der schlechtesten der NFL. Aktuell rangiert sie statistisch gesehen auf Rang 31 von 32, bringt nur 15 Punkten im Schnitt pro Spiel auf die Anzeigentafel. Die Zukunft des Quarterbacks ist ungewiss - und die des Coaches jetzt auch. Wie der "Boston Globe" berichtet, soll Teambesitzer Robert Kraft ernsthaft in Erwägung ziehen, seinen Erfolgstrainer zu feuern, wenn die Patriots auch das Frankfurt-Spiel gegen die Indianapolis Colts verlieren.

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"Ich werde kontrollieren, was ich kontrollieren kann", sagte Belichick angesprochen auf den Bericht am Mittwoch. "Mein Fokus gilt der Vorbereitung auf die Colts." Laut "Boston Globe" könnte Kraft als Interimslösung Linebacker-Coach Jerod Mayo zum Head Coach befördern, wenn eine Belichick-Entlassung Realität werden sollte. Die Wunschlösung für die neue Saison sei dann Titans-Coach Mike Vrabel, der als Linebacker dreimal den Super Bowl mit den Patriots gewann. Trainer damals: natürlich Belichick.

Andere NFL-Insider vermuten, dass Belichick aufgrund seiner großen Verdienste für das Franchise noch bis Saisonende Trainer der Patriots bleiben werde. Es wäre auch mit Sicherheit nicht das erste Mal, dass er sich mit seinem Team aus einem scheinbar zu tiefen Loch selbst wieder hinaufzieht. Die Abzweigung am Scheideweg könnte in Hessen liegen.

mib