Formel 1

Niki Lauda und das Interview mit dem Brathähnchen

Neue Biografie über Österreichs Rennlegende

Niki Lauda und das Interview mit dem Brathähnchen

Spaßvogel: Am Rande des Großen Preises von Belgien 1974 auf dem Kurs von Nivelles albert Niki Lauda in der abgenommenen Cockpitabdeckung seines Ferrari 312B3 herum.

Spaßvogel: Am Rande des Großen Preises von Belgien 1974 auf dem Kurs von Nivelles albert Niki Lauda in der abgenommenen Cockpitabdeckung seines Ferrari 312B3 herum. Niki Lauda - die Biografie

"Am Ende wurde es eine Ehe wie mit einer schlechten Frau." Knapper und präziser lässt sich nicht in Worte fassen, wie Niki Lauda im Herbst 1977 seinen Abschied von Ferrari erlebt, wie er sich trennt von dem Team, das ihn zweimal Weltmeister werden ließ, das ihm aber auch die dunkelste Stunde seiner Laufbahn bescherte mit dem Feuerunfall 1976 auf dem Nürburgring.

Welcher Niki Lauda ist derjenige, der Ewigkeit erlangt hat? Vermutlich der frühe, der Rennfahrer, der blutige Anfänger, aus dem ein Dreifach-Weltmeister wird, jener Mann, dessen Karriereende schon 35 Jahre zurückliegt. Und weil es so lange her ist und der Mensch zum Vergessen neigt, stecken ganz besonders in dieser Epoche die Geschichten, die man gerne wieder liest, die einen entweder an das zurückdenken lassen, was längst verdrängt war, oder die deshalb gänzlich neu sind, weil man zu jung ist, um sie selbst erlebt zu haben. Diesen Lauda haben vermutlich die Hälfte der heutigen Formel-1-Fans fast ausschließlich als RTL-Experten wahrgenommen - für sie dürften die Geschichten vom Rennfahrer Lauda voller Neuigkeiten stecken.

Wenn beim Lesen die Gänsehaut zurückkommt

Für die anderen sind sie eine wertvoll-willkommene Erinnerung, insbesondere dann, wenn sich das Geschehen nicht vor Ort bei einem der Rennen abspielt, sondern fernab der Grand-Prix-Kurse in den Tagen und Wochen dazwischen. Spannend wie ein Rennen kann dann sein, wenn es etwa um die Macht der italienischen Medien geht: "Mehr Schwierigkeiten bereiteten ihm die schlecht informierten Sportjournalisten, deren Meinungsmache die betriebsinterne Stimmung bei Ferrari beeinflusste. Die überregionalen Blätter widmeten Ferrari ganze Seiten, die jeden Tag mit etwas gefüllt werden mussten. Tatsachen spielten dabei nur eine untergeordnete Rolle, vor allem wenn sie langweilig waren."

Es war, als ob ich ein Brathähnchen interviewte.

Ein englischer Boulevardjournalist über Niki Lauda

Ins Zentrum des Buches rückt - es kann ja gar nicht anders sein - die Phase der Jahre 1975 bis 1977. In diesem engen Zeitraum feiert Lauda zwei WM-Titel mit Ferrari, wird aber 1976 auch durch den unvergessenen Fight mit James Hunt, die Folgen des Feuerinfernos und seine freiwillige Aufgabe beim Finale in Fuji über alle Maßen durchgeschüttelt. Bis an sein Lebensende musste Lauda davon erzählen. Oft tat er dies in extremer Sprache - oder gäbe es auch heute noch einen weltbekannten Sportler, der über sich sagen würde: "Ich sah aus wie ein Riesenschwein, alles angeschwollen"? Nicht weniger drastisch ist die Erinnerung eines englischen Boulevardjournalisten, der extra zum Comeback nach 42 Tagen geschickt worden war, um den außerhalb von Monza streng abgeschirmten Lauda trotz aller Vorsichtsmaßnahmen exklusiv zum Interview aufzuspüren: "Es war, als ob ich ein Brathähnchen interviewte." An solchen Stellen kommt beim Lesen sofort die Gänsehaut zurück.

Erhellende Blickwinkel

Die neue Lauda-Biografie

"Es ist nicht einfach, perfekt zu sein": Niki Lauda - die Biografie.

Die Schilderung dieser außergewöhnlichen Umstände gelingt dem Autoren hervorragend. Maurice Hamilton hat mehr als 500 Formel-1-Rennen als Journalist besucht und lernte Lauda kennen, als er den Reporterberuf noch gar nicht ergriffen hatte und Lauda seinerseits nicht unbedingt als Supertalent auffiel, das sich auf den Weg in die Formel 1 gemacht hatte.

Wer seinen Lesern jemanden, der Millionen von Menschen seit Jahrzehnten ein Begriff ist, noch näherbringen möchte als bislang schon geschehen, der darf sich nicht allein auf Selbsterlebtes beschränken. Zu groß wäre die Gefahr, sich lediglich zu wiederholen. Autor Hamilton hat deswegen noch einmal gründliches Quellenstudium betrieben, lässt Kollegen erzählen, zitiert andere Bücher und hat mit Wegbegleitern besprochen. So entstehen immer wieder Schilderungen aus erhellenden Blickwinkeln, so kommt es zur Ausgrabung verbaler Schätze wie diesem Lauda-Zitat: "Wir Rennfahrer haben wie Maler eine künstlerische Ader und sind Individualisten. Unsere Aufgabe ist es, den Kopf frei zu haben, zum Rennen zu kommen und mehr zu leisten, als normale Menschen bewältigen können."

Ein starkes Buch

Alles in allem ergibt die Mischung ein starkes Buch. Eine nicht zu übersehende Schwäche jedoch ist die deutsche Übersetzung, der es an sprachlicher Farbe mangelt. Zu Lauda gab es schon überragende Werke, etwa aus der Feder seines Landsmannes und Biografen Herbert Völker, dessen Wortwahl einfach stets wunderbar ist. Im vorliegenden Werk wird streng nacherzählt, und nicht immer entsteht dabei das Gefühl, dass das fünfköpfige (!) Übersetzer-Team so viel Benzin im Blut hat, wie das bei einem Werk über Lauda wünschenswert wäre. Wer also im Englischen so gut zu Hause ist, dass er das Buch im Original lesen kann, ist vermutlich im Vorteil. Zu empfehlen aber ist es in jedem Fall.

Überlassen wir das Schlusswort Niki Lauda selbst - vielleicht hätte er etwas Ähnliches zu dieser Buchneuerscheinung gesagt, wenn er noch am Leben wäre: "Zurückgeschaut hab ich nie, die Vergangenheit hat mich immer nur interessiert, wenn ich geglaubt hab, daraus etwas für die Zukunft lernen zu können."

Maurice Hamilton
Niki Lauda. Die Biografie
"Es ist nicht einfach, perfekt zu sein"
400 Seiten, Hardcover mit Schutzumschlag, 24,95 Euro (D), 25,70 Euro (A)
ISBN/GTIN 978-3-8419-0725-7
Verlag EDELbooks

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