3. Liga

1. FC Kaiserslautern und der lange Weg zurück: Es gibt Hoffnung

Trennung von Ikone Ehrmann trieb einen Keil in die Anhängerschaft

Die Hoffnung hat wieder ein Gesicht: Lauterns langer Weg zurück

Schafft es der Traditionsklub mittelfristig zurück ins Unterhaus? Die Fans des 1. FC Kaiserslautern hoffen darauf.

Schafft es der Traditionsklub mittelfristig zurück ins Unterhaus? Die Fans des 1. FC Kaiserslautern hoffen darauf. imago images

Gewissheit hatte Soeren Oliver Voigt am 1. Dezember des vergangenen Jahres um 14.34 Uhr. Just in diesem Moment wurde das Quintett um den gebürtigen Kaiserslauterer und ehemaligen Weltschiedsrichter Markus Merk in den Aufsichtsrat des FCK gewählt. Weil sich Voigt schon zuvor mit Merk und Co. geeinigt hatte, war seine Berufung zum Geschäftsführer reine Formsache. Wohl wissend begab sich der 50-Jährige in die rote Fußballhölle Kaiserslauterns. Mit der Tradition, der Wucht und dem Potenzial des viermaligen Deutschen Meisters auf der Habenseite stand Voigt vor einem Scherbenhaufen, den ihm die Vorgänger in der Vereinsführung hinterlassen hatten.

Rein auf dem Papier mag sich die Lage seitdem noch nicht verbessert haben, respektive sportlich verschlechtert. Doch eines ist rund dreieinhalb Monate nach der personellen Neuaufstellung deutlich geworden: Die nüchterne und rationale Herangehensweise sowie das ruhige Auftreten des gebürtigen Dortmunders tun dem Krisenklub sichtlich gut. Insbesondere im Zusammenspiel mit dem Aufsichtsrat zeigt sich eine geschlossene Einigkeit, die einem angesichts des im letzten Jahr öffentlich ausgetragenen Zanks und der nur knapp verfehlten Selbstzerstörung noch befremdlich vorkommen mag. In jeglicher Hinsicht weht nun ein anderer Wind rund um den Betzenberg.

Ich bin durchaus ein Mensch, der auch dann gut funktioniert, wenn es viele Probleme gibt, die man angehen und lösen muss.

Soeren Oliver Voigt

Voigt gefällt, weil er faktenorientiert die Realität darstellt: Er baut keine Luftschlösser, verleitet nicht zu utopischen Träumereien, verharmlost zugleich nicht die kritische Lage. Ohne jedoch, dass sich im treuen Umfeld Züge von Panik entwickeln. Viele Probleme, die er vorfindet, kennt Voigt bereits aus seiner Zeit als Geschäftsführer bei Eintracht Braunschweig (2007 bis 2019) - wenn auch jetzt in einer anderen Dimension. Während die Zahlen jedem Betriebswirt tiefe Sorgenfalten ins Gesicht treiben sollten, fühlt sich Optimist Voigt angespornt: "Ich bin durchaus ein Mensch, der auch dann gut funktioniert, wenn es viele Probleme gibt, die man angehen und lösen muss. Ich sehe das große Potenzial des Klubs, der FCK ist eine Institution. Nicht zuletzt das ist es, was mich antreibt und reizt."

Rund 20 Millionen Euro Verbindlichkeiten belasten den Verein. Betrug das operative Defizit im vergangenen Geschäftsjahr noch 5,5 Millionen Euro, droht in dieser Saison gar ein Minus von rund sieben Millionen. Aktuell besteht eine Liquiditätsunterdeckung von rund elf Millionen Euro, die zur Zulassung für die Drittligasaison 2020/21 noch fehlen. Doch die reinen Zahlen verschweigen eben die Möglichkeiten. Voigt und Merk gaben der Hoffnung, dass der seit über 20 Jahren andauernde kontinuierliche Niedergang ein Ende findet, wieder ein Gesicht.

Hätten Merk & Co. nicht übernommen, wäre der Untergang besiegelt gewesen

Die Hoffnungen der Zehntausenden von Fans, die noch immer auf den Betzenberg pilgern, sind durchaus begründet. Durch die Ausgliederung in eine Kapitalgesellschaft ergaben sich im Herbst 2018 neue finanzielle Möglichkeiten - wenn man sie denn nutzt. Denn das dilettantische und zugleich vereinsschädigende Verhalten zahlreicher ehemaliger Handlungsträger rund um die possenhafte Investorensuche im letzten Jahr manövrierte den Klub erst in die jetzige Lage. Eigene Interessen standen zu oft über dem Vereinswohl. Den vielen Versprechungen folgte nur ein vergrößerter Schuldenberg.

Doch die Vergangenheit ist abgehakt, der frühere Aufsichtsratsvorsitzende Patrick Banf kam mit seinem Rücktritt im vergangenen Oktober seiner sicheren Abwahl bei der Mitgliederversammlung zuvor. Während Finanzchef Michael Klatt ähnlich agierte und mit seinem Rücktritt kurz darauf die drohende Freistellung umging, lief der Vertrag von Sportchef Martin Bader ohnehin zum 31. Dezember aus. Die Kapitäne hatten das sinkende Schiff verlassen. Hätten Merk und sein Team sich der Aufgabe nicht angenommen, wäre der Untergang wohl spätestens im Sommer besiegelt gewesen.

Vieles wurde seitdem angestoßen und in die richtigen Bahnen gelenkt. Doch Ergebnisse lassen noch auf sich warten, auch weil externe Einflüsse die Investorenakquise stören, respektive verzögern. Angefangen bei den monatelangen Verhandlungen mit der Stadt Kaiserslautern über fortwährende Pachtsenkungen für das Fritz-Walter-Stadion. Weil mündliche Zusagen seitens der Kommune nicht eingehalten wurden, herrschte lange Unsicherheit. Letztlich konnte der FCK seine Position durchsetzen, doch der zeitliche Rückschlag, den Voigt auf rund vier Wochen beziffert, schmerzt. Die Zukunft der WM-Arena von 2006 wird Voigt weiter beschäftigen. Denn eine dauerhaft tragfähige Lösung kann es nur geben, wenn sich das Stadion wieder im Vereinsbesitz befindet.

Thema Ehrmann: Für manche schien eine Welt unterzugehen

Noch während die Frage nach der Stadionmiete alles überlagerte, schlug die nächste Bombe ein: Die Freistellung und spätere Kündigung der Vereinsikone Gerry Ehrmann trieb einen Keil in die Anhängerschaft. Für manche schien eine Welt unterzugehen, der FCK ohne Ehrmann war für sie nicht vorstellbar, weshalb, ohne die Beweggründe zu hinterfragen, Trainer Boris Schommers zum Schuldigen auserkoren wurde. Dabei täte etwas Besonnenheit trotz aller Emotionalität gut. Denn die Entscheidung war nach kicker-Informationen nicht nur folgerichtig, sondern aus vielerlei Gründen längst überfällig. Der Ausbilder der Nationaltorhüter Roman Weidenfeller, Tim Wiese und Kevin Trapp leistete sich nicht nur Entgleisungen im zwischenmenschlichen Bereich, er missachtete zudem Anweisungen des Trainerstabs und mischte sich wiederholt in vereinspolitische Themen ein, die seine Befugnisse deutlich überstiegen. Das Bestreben, die Zusammenarbeit zu beenden, hatten schon viele. Doch keiner wagte sich an diese Personalie heran. Bis auf Voigt jetzt.

Das Karussell dreht sich: Die Trainer in der 3. Liga

Die sportliche Talfahrt komplettiert die aktuellen Probleme. Solange der Klassenerhalt nicht sicher ist, zögern mögliche Geldgeber, ein Abstieg in die Regionalliga wäre wohl nicht zu verkraften. Drohende Verluste und die allgemeine Unsicherheit, wie es aufgrund der Corona-Krise in der 3. Liga weitergeht, verschärfen die wirtschaftliche Notsituation. Das Schließen der Finanzlücke von elf Millionen Euro soll nach kicker-Informationen durch eine Vier-Millionen-Euro-Einlage regionaler Geldgeber beginnen. Dann zielt der FCK auf den Domino-Effekt: Weitere potenzielle Investoren sollen die Bereitschaft gezeigt haben, die, wenn der erste Schritt getan ist, noch fehlenden sieben Millionen Euro beizusteuern. Danach muss in größeren Schritten gedacht werden.

20 bis 25 Millionen Euro sind für die zeitnahe Entwicklung nötig. Zum einen, um sich von erdrückenden Altlasten zu trennen, wie etwa laufende Kredite mit horrenden Zinszahlungen von über einer Million Euro pro Jahr. Zum anderen, um die Wahrscheinlichkeit des sportlichen Erfolgs zu maximieren. Denn der Aufstieg ist Pflicht, je früher, desto besser. Erst ab der 2. Liga kann der FCK kostendeckend arbeiten.

Hinhaltetaktik von Becca ist ein Dorn im Auge

Die ersehnten 25 Millionen Euro stellte der Luxemburger Flavio Becca im vergangenen Jahr bereits in Aussicht. Doch über das Anfangsstadium des In-Aussicht-Stellens ist man bis heute nicht hinaus. Die Hinhaltetaktik des Bauunternehmers, von Klatt, Bader und Co. zu lange mitgetragen, ist der neuen Vereinsführung ein Dorn im Auge. Gespräche sollen demnächst endgültig klären, ob und inwiefern Becca zu einem Investment bereit ist. Doch so oder so blickt Voigt trotz aller Widrigkeiten zuversichtlich in die Zukunft: "Ich baue meine Hoffnung ja auf einem gewissen Fundament auf. Somit ist sie deutlich größer als nur die klassische Hoffnung, dass man bei der Lottoziehung den Hauptgewinn erhält."

(Dieser Text erschien erstmals am 16. März in der Print-Ausgabe des kicker)

Moritz Kreilinger