Bundesliga

25 Jahre mit Streich: Baier über Szenen einer "Ehe"

Freiburgs Co-Trainer: "Deswegen bin ich manchmal rausgegangen"

25 Jahre mit Streich: Baier über Szenen einer "Ehe"

Arbeiteten ein Vierteljahrhundert Seite an Seite: Patrick Baier und Christian Streich.

Arbeiteten ein Vierteljahrhundert Seite an Seite: Patrick Baier und Christian Streich. IMAGO/Steinsiek.ch

Patrick Baier strahlt fast immer Unaufgeregtheit aus, verkörpert zumindest nach außen den großen Ruhepol im Freiburger Trainerteam. Am Samstag ist allerdings auch ein hohes Maß an Zufriedenheit in seinem Gesicht abzulesen, als er ausnahmsweise in der Interviewzone Halt macht.

Hinter ihm liegt eine sehr gelungene, stilvolle Abschiedszeremonie für ihn und Christian Streich, mit einer Bilder-Zeitreise, Weingeschenken, einer Ehrenrunde, Sprechchören sowie massig Applaus und warmen Worten auch von den Heidenheimer Gästen. Mitte Februar, also gut einen Monat vor seinem Cheftrainer, hatte Baier seinen Schlussstrich am Saisonende angekündigt.

Zwei unterschiedliche Komplimente

In den vergangenen Wochen erlebte er ein Wellenbad der Gefühle, in völlige Klarheit über die Richtigkeit seiner Entscheidung mischten sich immer mal wieder Zweifel und Wehmut. Am Samstag, dem Tag des letzten Heimspiels gegen Heidenheim (1:1), dominiert die Klarheit: "So aufzuhören ist auch schön. Da gibt’s ganz andere Modelle. Insofern bin ich äußert dankbar, dass es genauso gelaufen ist."

Mit einer Einschränkung: "Die zwei Punkte mehr hätte ich doch gerne gehabt, wir hätten sie auch verdient gehabt. Aber Kompliment an unsere Jungs, unglaublich, wo sie diese Energie noch mal hergeholt haben." Dem Zusammenspiel nach Abpfiff mit Protagonisten und Anhängern der Gäste macht Baier aber auch große Komplimente: "Toll. Fußball ist ein großer Ort der Integration und der Toleranz, das kam wieder deutlich zum Vorschein. Schöner kannst du es nicht haben."

Im Gespräch lässt Baier auch die 25 gemeinsamen Trainerjahre mit Streich Revue passieren, erst in der SC-Fußballschule und ab 2009 bei den Profis, wo Streich zunächst neben seinem Traineramt in der A-Jugend auch als Assistent mitwirkte. Eine keineswegs reibungslose Zeit.

"Das A und O ist die gegenseitige Toleranz"

"Wir sind ja äußerst unterschiedliche Typen. Viele Diskussionen, viele Stunden im Trainerbüro, waren durchaus kontrovers. Aber letztendlich haben wir dann immer im Sinne der Sache gemeinsam einen Nenner gefunden", erzählt Baier: "Das A und O in so einer Beziehung ist dann einfach auch die gegenseitige Toleranz. Vielleicht auch mal das Zurücknehmen und das Akzeptieren des Anderen. Das fällt dann manchmal schwer, weil 25 Jahre so etwas wie eine Ehe bedeuten."

In einer solchen scheint in der Regel nicht ausschließlich die Sonne: "Da gibt es dann Momente, da wird es schwierig und die gab es", sagt Baier, zieht aber natürlich ein sehr positives Fazit: "Wenn man die Entwicklung sieht, also nicht nur wegen uns beiden natürlich, sondern im Gesamtverein, auch durch alle im Trainerteam, hat sie offensichtlich ihr Gutes gehabt."

"Deswegen bin ich manchmal rausgegangen"

Die Unterschiedlichkeit als ein Schlüssel zum Erfolg. "Es braucht ja diese heterogene Zusammensetzung", betont Baier: "Es geht nicht mit sechsmal Streich, geschweige denn mit sechsmal Baier. Das funktioniert schon gar nicht." Mit Blick auf Streichs impulsiv-emotionale Ader war der studierte Architekt, der seit Jahren die eigenen Spiele von der Tribüne aus analysiert, oft als ausgleichendes Element gefragt, wenngleich Streich zuletzt öfter betonte, dass auch Baier emotional sein könne.

"Ich habe schon immer genau gewusst, jetzt macht es null mehr Sinn, noch mal in diese Thematik reinzugehen, weil dann wird es nicht mehr produktiv", blickt Baier auf Momente zurück, in denen auch temporäre räumliche Distanz geholfen hat: "Deswegen bin ich dann manchmal rausgegangen. So haben wir es ganz gut hingekriegt in den letzten Jahren."

Zum Thema

Nun steht am Samstag noch der allerletzte Akt an. Bei abstiegsgefährdeten Unionern aus Berlin will natürlich auch Baier dazu beitragen, dass der SC zum dritten Mal in Serie in den Europapokal einzieht, nachdem am Wochenende Platz 7 vorerst verloren ging. Die kräftezehrenden internationalen Dienstreisen, für Baier ein Grund für seinen Pausenentschluss, dürften dann die bisherigen Kollegen um den neuen Chefcoach Julian Schuster absolvieren.

Und wie geht es für Baier weiter? "Es ist völlig offen, aber ich brauche jetzt mal unbedingt diesen Abstand, ein halbes Jahr oder ein Jahr, um mal andere Dinge tun zu können. Ich freue mich auf irgendwas, was da kommt."

Carsten Schröter-Lorenz

Streich: Warum er wirklich aufhört & was ihn zum politischen Appell drängt

alle Videos in der Übersicht