So schnell geht's! Im Sommer wurde Thomas Reis nicht zuletzt aufgrund des unter ihm fast noch hingebogenen Erstliga-Klassenerhalts gefeiert, mit seiner Persönlichkeit galt er als absolut Schalke-tauglicher Heilsbringer, eigentlich sollten Gespräche über eine Verlängerung des 2024 auslaufenden Vertrags in diesem Herbst beginnen und noch vor Jahresende abgeschlossen werden - doch als Tabellen-16. nach sieben Spieltagen mit einem Kader, der als einer der Besten der 2. Liga gilt, hat man wenig Argumente.
Nicht die sportliche Situation allein wurde Reis jedoch bei seiner Freistellung zum Verhängnis. Die Kritik an ihm wuchs, vor allem mannschaftsintern. Es ging so weit, dass der Trainer sogar öffentlich aus Spielerberaterkreisen attackiert wurde, obendrein äußerte Innenverteidiger Timo Baumgartl zuletzt vor laufender TV-Kamera Kritik an der Trainertaktik. Reis gingen die Fürsprecher aus, jetzt knickte die Führung ein, die ihm vor dem jüngsten Heimspiel gegen Magdeburg noch eine Jobgarantie ausgestellt hatte. Wie schnell sich solche starken Worte als Lippenbekenntnis entpuppen können, insbesondere bei Schalke 04, hat Reis an diesem Mittwoch erfahren müssen.
Schalke 04, 2018 noch deutscher Vizemeister und 2019 im Achtelfinale der Champions League, steht aktuell an der Schwelle zur 3. (!) Liga. Der Verein befindet sich mittlerweile dichter am Abgrund denn je. Und das hat nicht nur Reis dem Klub eingebrockt. Die Führung hält den auch von ihr vor wenigen Wochen hochgelobten Coach noch vor dem Auswärtsspiel am Freitag beim SC Paderborn nicht mehr für tragbar - und gibt dabei selbst ein erschütterndes Bild ab. Die Chefetage, deren Suspendierung Baumgartls nach Hilflosigkeit schreit, sollte mal lieber schauen, dass sie sich mit all ihren Visionen ("langfristig Top 6 der Bundesliga") und Strategien nicht vollends vergaloppiert.
Die gesamte Chefetage wirkt profillos und schwach
Sportdirektor André Hechelmann und Sportvorstand Peter Knäbel haben Reis im Sommer mit einer Philosophie einen Kader zusammengebastelt, die fragwürdig erscheint. Das Credo lautete, keine Spieler auf Leihbasis mehr zu engagieren - nach dem Abstieg 2021 war es noch genau das Gegenteil, damals zählte allein der Aufstieg, der dann auch mit teuren, dadurch aber eben nur ausgeliehenen Spielern gelang. Ihren konträren Plan jetzt haben die Verantwortlichen streng umgesetzt, einzig der junge Yusuf Kabadayi wurde ausgeliehen, freilich inklusive Kaufoption. Bei den anderen Neuen ging es hauptsächlich auch darum, mit längerfristigen Verträgen den Kaderwert zu erhöhen.
Schön für Schalke, wenn's klappt. Wenn diese risikoreiche Marschroute aber dazu führt, dass der direkte Wiederaufstieg verpasst wird, werden die Königsblauen mit ihrer Strategie nur eines erreichen: die weitere Verzwergung dieses Fußball-Riesen.
Reis hat es jetzt erwischt, aber bei Schalke 04 müssen sich alle Verantwortlichen hinterfragen, auf sämtlichen Ebenen. Der Aufsichtsrat mit Axel Hefer an der Spitze wirkt seit Monaten hilflos und untätig, Sportvorstand Knäbel scheint in seiner Strategie-Schleife festzuhängen, der noch junge Sportdirektor Hechelmann verkörpert noch keine Souveränität, Finanzchefin Christina-Rühl-Hamers muss sich den Vorwurf gefallen lassen, den Verein mit ihrem rigorosen Kurs kaputtzusparen. Die gesamte Chefetage des FC Schalke 04 wirkt profillos und schwach. Ändert sich das nicht, wird der Niedergang beim früheren Europapokal-Dauergast weiter voranschreiten.