Bundesliga

Wolfgang Frank: Der Innovator, der nicht nur Klopp inspirierte

Der frühere Mainzer wäre am Sonntag 70 Jahre geworden

Wolfgang Frank: Der Innovator, der nicht nur Klopp inspirierte

Führte als Mainzer Trainer die Raumdeckung und Viererkette ein: Wolfgang Frank.

Führte als Mainzer Trainer die Raumdeckung und Viererkette ein: Wolfgang Frank. imago images

Am Rosenmontag vor 20 Jahren war Jürgen Klopp bei Mainz 05 über Nacht vom Spieler zum Trainer mutiert. Wolfgang Frank war damals schon Geschichte am Bruchweg. Vier Kurzzeittrainer hatten vergeblich versucht, Franks Ideen fortzuführen. Dann kam Klopp, hievte den Verein 2004 in die Bundesliga und blieb über sieben Jahre. Klopp ist einer von mehreren Frank-Spielern, die Trainer wurden. Sandro Schwarz, Torsten Lieberknecht, Jürgen Kramny, Rüdiger Rehm, Christian Hock, Uwe Stöver und Peter Neustädter zählen ebenfalls dazu.

"Wolfgang Frank gehört zu einer kleinen Gruppe von Trainern, die in Deutschland in den 90ern damit begann, Fußball in Räumen zu denken. Bis dahin ging es im Spiel eher um feste Zuordnungen, um den jeweiligen Gegenspieler, Torjäger, Spielmacher oder Abwehrchef", erinnert sich Volker Finke, der mit dem SC Freiburg einen ähnlichen Weg beschritt.

Diese Modernisierung habe in Deutschland relativ spät stattgefunden. "Eine Mannschaft ohne Libero? Das war lange Zeit schwer vorstellbar. Speziell der Mittelmeerfußball, wie er in Italien oder Spanien praktiziert wurde, war uns da um Jahre voraus", blickt Finke zurück. Dass diese Ideen eher an kleineren Standorten des Profifußballs entstanden und später auch von Ralf Rangnick beim SSV Ulm umgesetzt wurden, ist aus Sicht des früheren Freiburg-Coaches kein Zufall: "Wir hatten einfach auch nicht dieses teure Personal auf dem Platz und mussten uns anders zu helfen wissen."

Wir hatten einfach auch nicht dieses teure Personal auf dem Platz und mussten uns anders zu helfen wissen.

Volker Finke

Während Finke und Rangnick als Spieler nie im Oberhaus aufliefen, blickte Frank auf 215 Bundesligaspiele für den VfB Stuttgart, Eintracht Braunschweig, Borussia Dortmund und den 1. FC Nürnberg zurück, in denen er 89 Tore erzielte. Wie Finke schwärmte Frank für die Ideen von Arrigo Sacchi, "der mit dem AC Mailand schon in den 80ern den Fußball modernisiert hat", so Finke, der den Italiener damals ebenfalls "genau beobachtete".

Heidel: "Auf Zypern drei Wochen um Stangen gelaufen"

Als Frank, der Rot-Weiss Essen 1994 ins DFB-Pokal-Finale geführt hatte (1:3 gegen Bremen), im September 1995 erstmals in Mainz anheuerte, machte er zunächst einmal weiter wie seine Vorgänger, der FSV blieb das Schlusslicht der 2. Liga. "Vor dem Wintertrainingslager kam dann Wolfgang zu mir und sagte: Wir müssen etwas komplett anderes machen, so schaffen wir es nicht. Er wollte auf Viererkette umstellen, was in Deutschland fast keiner kannte", erzählt Christian Heidel. Auch der Mainz-Manager war skeptisch.

Wegen der Witterung wurde das Trainingslager auf Zypern auf drei Wochen verlängert, "dort sind wir die gesamte Zeit nur um Stangen rumgelaufen und haben verschoben", führt Heidel aus. Frank sei von der Idee "wie besessen gewesen", so intensiv habe Mainz noch nie trainiert. Aus dem Tabellenletzten wurde die beste Mannschaft der 2. Liga, in der Jahrestabelle 1996 war das Frank-Team mit 57 Punkten plötzlich Erster.

Wolfgang Frank und Jürgen Klopp

Inspirator: Wolfgang Frank und Jürgen Klopp. imago images

Trotzdem trennten sich die Wege im März 1997. "Später hat Wolfgang gesagt, der größte Fehler seiner Karriere sei gewesen, dass er zu schnell die Geduld verlor", betont Heidel. Für den Manager war die Zusammenarbeit "die anstrengendste Zeit, die ich je im Fußball erlebt habe". Frank habe "von morgens um sieben bis abends um elf Uhr alle auf Trab gehalten".

Im April 1998 erinnerte sich Heidel an die fruchtbare Zusammenarbeit und warb den Fußballlehrer von Austria Wien ab, diesmal dauerte sie zwei Jahre an. Im Frühjahr 2000 informierte Frank den Manager, dass er im Sommer trotz eines langfristigen Vertrags zum MSV Duisburg wechseln wolle. "Mir war klar, dass es rauskommt, deshalb habe ich zu ihm gesagt: Wenn du gehen willst, dann gleich!" Was Frank tat.

Beide Phasen von Frank in Mainz erlebte Jürgen Klopp hautnah als Spieler. 91 seiner 293 Zweitligaeinsätze bestritt er unter Frank. "Von ihm habe ich beruflich am meisten mitbekommen", stellte Klopp später fest und nannte es "eine Offenbarung", wie das kleine Mainz mit seinem System Spiele gegen bessere Mannschaften gewinnen konnte. Die Faszination des Spiels verbreitete Frank nicht nur im Spieler-, sondern auch im Familienkreis. Seine Söhne Sebastian und Benjamin arbeiteten zunächst als Scouts für Premier-League-Klubs, darunter den FC Liverpool, mittlerweile sind sie für Borussia Dortmund tätig.

Franks Trainerkarriere war ziemlich schnelllebig, die durchschnittliche Verweildauer bei einem Klub betrug nur wenig mehr als ein Jahr. In Duisburg war im Sommer 2000 bereits nach drei Monaten Schluss, beim MSV kam man mit Franks Hang zur Spiritualität nicht zurecht. In Mainz hatten sich Profis und Staff nach einer Spielersitzung die Hand reichen und aufsagen müssen: "In uns brennt ein Licht!"

Nach Duisburg trainierte Frank die SpVgg Unterhaching, Sachsen Leipzig, Kickers Offenbach, den Wuppertaler SV, Wehen Wiesbaden, Carl Zeiss Jena und KAS Eupen in Belgien. In der deutschen 2. Liga saß er bei 236 Spielen auf der Bank, in der 3. Liga 23-mal. "Von seinem Fachwissen her hätte er jede Bundesligamannschaft trainieren können, er war zu oft nicht mit sich selbst im Reinen", meint Heidel, der mit Frank später gut befreundet war.

Am 7. September 2013 starb Wolfgang Frank in Mainz im Alter von nur 62 Jahren an einem Hirntumor.

Michael Ebert