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Wo noch eSport-Romantik statt Zuschauer-Wahn herrscht

Einblick in die TFT-Szene

Wo noch eSport-Romantik statt Zuschauer-Wahn herrscht

Gute Stimmung garantiert bei der WM-Übertragung in TFT. Die Community ist sehr eng miteinander verbunden.

Gute Stimmung garantiert bei der WM-Übertragung in TFT. Die Community ist sehr eng miteinander verbunden. Riot Games | GGTech

Während sich Turnierveranstalter überall auf der Welt Zuschauerzahlen an die Köpfe werfen - bestrebt um neue Rekorde und ängstlich vor Stagnation -, besinnt sich Teamfight Tactics zurück zu den Ursprüngen des eSport.

Teilnehmen statt Zuschauen. Mit dieser Direktive blickt Riot Games gleichzeitig zurück und in die Zukunft der kompetitiven TFT-Szene. Oder wie es Product Manager Michael Sherman ausdrückt: "Unsere Mission ist es, möglichst vielen Spielern den Zugang zu Wettbewerben zu ermöglichen."

Wie das konkret aussehen soll, dazu schweigt sich der Organisator noch aus. Die Kartenspiele Magic: The Gathering und Poker gelten intern aber als Vorbilder. Sie machen vor, wie man tausende Spieler für einzelne Turniere begeistern kann.

Weltmeister daheim

Das scheint der richtige Ansatz für die Szene zu sein: Auf dem aktuellen Entwicklungsstand ist es normal für TFT-Spieler, selbst die derzeit stattfindende Weltmeisterschaft online von Zuhause aus zu bestreiten. In jedem anderen eSport dieser Größenordnung wäre das unvorstellbar.

Außerdem ist die Spielerbasis äußerst kompetitiv: Rangliste ist nach Riot Games Aussage der deutliche beliebteste Modus unter den Taktikern. Gute Rahmenbedingungen für Massenturniere.

Keine Spieler vor Ort bedeutet ebenso keine Fans vor Ort. Zwar will Riot Games zukünftig Live-Events mit Publikum organisieren, das es für eine Weltmeisterschaft aber nicht der Fall ist, zeigt schon: Zuschauer haben keine Priorität. Einen gewissen Faktor spielen sie dennoch, wie Riot Games Produktmanager für den europäischen Raum, Maximilian Wischow einwirft: "Natürlich wäre es schön, wenn die Zuschauerschaft steigt."

Auch die deutsche Kommentatorin Moira 'Meeix' wünscht sich Turniere, bei denen sowohl Spieler als auch Fans vor Ort sind "damit die Spieler die Behandlung bekommen, die sie als WM-Teilnehmer auch verdienen".

404 - Sponsoren nicht gefunden

Eng mit der Zuschauerschaft verbunden sind die Sponsoren, denn ohne sie und ohne Ticketverkäufe kommt bei den Events kein Geld rein. Und darum geht es in der Welt des eSports schlussendlich auch immer. Bei der Weltmeisterschaft in TFT arbeitet Riot Games nur mit einem Stuhlhersteller und zwei Tech-Unternehmen zusammen, die beide kaum in der Übertragung stattfinden.

Fehlendes Interesse potenzieller Sponsoren könnte die Ursache sein. Laut Sherman ist es jedoch eine bewusste Entscheidung: "Partner machen einen starr. […] Es sind dann mehr Interessensgruppen am Entscheidungsprozess beteiligt." In der aktuellen Aufbauphase der Szene wolle man sich als Organisator nicht durch langfristige Verträge lähmen.

Glaubt man Riot Games eSports-Präsident, wäre in TFT allerdings eine Menge Geld zu holen. Er bezeichnete Teamfight Tactics vor kurzem als das "Nummer eins Strategiespiel auf der Welt". Sherman unterstreicht dies, sieht es aber auch als Herausforderung: "Wir haben eine Menge Arbeit mit dem Ökosystem, um der Größe des Spiels gerecht zu werden."

In der Mitte und doch am Anfang

Nicht zu vergessen: Teamfight Tactics ist intern bei Riot Games kein derart riesiges Projekt wie Valorant oder League of Legends. Oder wie 'Meeix' es sagt: "Am Anfang galt es eher als League of Legends kleiner Bruder, wo man so ein bisschen Karten spielt. Aber man merkt, dass Riot bemüht ist, es wachsen zu lassen."

Das Spiel entstand in vier Monaten, um den Autobattle-Trend im Jahr 2019 mitzunehmen. Seitdem ist das Team gewachsen, aber nicht genug. Sherman spricht davon, dass sich 2023 vor allem intern viel weiterentwickeln soll. Es bräuchte mehr Kapazitäten. Bisher würde das Projekt von wenigen leidenschaftlichen Verantwortlichen vorangetrieben. "Ohne sie würde das alles nicht passieren."

E Sport Romantik Pressekonferenz

Bei einer Pressekonferenz im Rahmen der Weltmeisterschaft sprachen Maximilian Wischow (links) und Michael Sherman (Mitte) über die Zukunft von TFT. Riot Games | GGTech

2023 ist ein ganz besonderes Jahr für Teamfight Tactics. Ginge es nach Sherman, würde 2023 den Beginn von TFT eSport markieren. Die Vorjahre sieht er eher als Lern- und Testerfahrung - gewissermaßen eine Identitätssuche. Diese scheint nun abgeschlossen: ein auf Teilnehmer fokussierter eSport, das will TFT sein.

Unzählige Änderungen und ein raketenartiger Aufstieg sind im kommenden Jahr trotzdem nicht zu erwarten. Wischow bremst: "Wir sind noch am Testen und Innovieren. Wir sind noch nicht am Ziel." Es sei nicht so einfach, wie das Umlegen eines Schalters.

Blick voraus

Tatsächlich gibt es noch viele offene Wünsche, wie der von 'Meeix', Profis vor Ort zu haben. Ebenjene wünschen sich schlichtweg mehr Wettbewerbe. Und die Community möchte gerne in den Client integrierte Turniere. Außerdem scheuen viele Teams bisher noch vor der Verpflichtung von TFT-Profis zurück.

Die Richtung scheint immerhin zu passen. Und Riot Games signalisiert, ebenjene Gedanken aufzunehmen und TFT wachsen zu lassen. Sherman versichert: "Wir haben uns einem langfristigen Zeitplan für unseren eSport verschrieben."

Wenn die Pläne aufgehen, könnte Teamfight Tactics in ein paar Jahren schon deutlich anders aussehen. So lange gilt es noch die Romantik einer kleinen, eng verknüpften und durch Leidenschaft getriebenen Szene zu genießen.

Christian Mittweg

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