2. Bundesliga

Walter: "Das ist der neue HSV"

Ausgerechnet in Heidenheim gelingt mit einem 3:3 nach 0:3 ein "gefühlter Sieg"

Walter: "Das ist der neue HSV"

Traf in der Halbzeit die richtigen Entscheidungen: HSV-Coach Tim Walter.

Traf in der Halbzeit die richtigen Entscheidungen: HSV-Coach Tim Walter. IMAGO/Lobeca

Widerstandsfähigkeit ist ein zentrales Thema von Tim Walter. Auswärtstrips auf der Ostalb waren bei zwei verlorenen Aufstiegskämpfen, 2019/20 und 2020/21, Sinnbilder, für das was dem HSV lange gefehlt hatte. Jeweils in der Nachspielzeit hatte der HSV da in Heidenheim verloren - weil genau jener letzte unbedingte Wille gefehlt hatte, den der FCH in diesen Duellen verkörpert hatte. Im Topspiel dieses Mal fehlte es dem HSV mehr als eine Stunde an nahezu allem, auf Strecke aber nicht am Willen. "Es ist brutal, dass wir aus einem Spiel, in dem fast 70 Minuten gar nichts geht, noch einen Punkt mitnehmen", sagt Sebastian Schonlau und erklärt, was ausschlaggebend war: "Wir geben einfach nie auf." Die Folge: Weiter vier Punkte Vorsprung auf den Dritten und die Gewissheit, dass der HSV in diesem Jahr nicht am fehlenden Willen im Aufstiegskampf scheitern wird.

Hamburger SV gegen Heidenheim

Der Rückschluss, dass die Hamburger deshalb durch nichts und niemanden zu stoppen sind, wäre dennoch verkehrt. Zu offensichtlich wurde wieder einmal deutlich, wie anfällig der HSV-Stil gegen qualitativ hochwertige Gegner ist. In der Vorbereitung hatte es zehn Gegentore gegen die Bundesligisten Köln (0:4) und Freiburg (2:6) gegeben, in Heidenheim wurde die Mannschaft ebenfalls ordentlich durchgeschüttelt. Frühes Attackieren und lange Bälle sind ein probates Mittel gegen die Hanseaten, auch unmittelbar nach der Pause hatte der FCH Möglichkeiten, das Resultat deutlich auszubauen. Walter indes macht die Probleme nicht an seiner Spielidee fest, sondern bemängelt: "Wir haben die Bälle zu früh hergegeben, haben die Zweikämpfe verloren, waren nicht wach, sondern fahrlässig."

Schmaler Grat zwischen Mut und Übermut

Der Grat zwischen Mut und Übermut ist schmal. Mit seinen fraglos mutigen Wechseln zur Pause, war der 47-Jährige dann auch entscheidend an der Wende beteiligt. Er erlöste den indisponierten Innenverteidiger-Debütanten Javi Montero, brachte dafür Sonny Kittel und stellte auf Dreierkette um. Auch seine weiteren Einwechselungen gingen allesamt auf: Laszlo Benes bereitete das erste Tor vor, Andras Nemeth hat es erzielt (72.), Noah Katterbach war auf links ein Schwungrad und gab den Assist zum 3:3 von Bakery Jatta, über das Robert Glatzel sagt: "Es fühlt sich an wie ein Sieg. Und die Wechsel waren typisch für unseren Trainer. So ist er: Immer mutig, immer Vollgas nach vorn. Das lebt er vor, das war das richtige Signal. Wir haben die Mentalität, nie aufzugeben."

Walter hat diese vom ersten Tag an im Sommer 2021 zu implementieren versucht, und ausgerechnet jener HSV, der in der Vergangenheit im Unterhaus nur selten an mangelnder Qualität, sondern vor allem an der Mentalität gescheitert ist, dreht beim FCH, dem Musterbeispiel für den absoluten Willen, einen 0:3-Rückstand. "Wir haben Mentalität und die ganze Stadt hinter uns", sagt Walter, "diese Wucht ist nur schwer aufzuhalten. Aber wir werden auch über die ersten 60 Minuten reden, denn da haben wir gesehen, dass wir uns auch selbst schlagen können."

Schmerzliche Erinnerung ausgebügelt?

Das letzte Mal, dass in der 2. Liga ein 0:3-Rückstand noch ausgeglichen wurde, war im Übrigen ebenfalls eine Partie mit Hamburger Beteiligung. Im Frühjahr 2021 hatte der HSV 3:0 in Hannover geführt, spielte wie der sicherer Sieger und auch wie ein kommender Aufsteiger. Am Ende stand ein 3:3. Und der HSV wurde Vierter. Walter ist sicher, dass der Samstagabend von Heidenheim hilft, die Geschichte nun auch komplett umzuschreiben, denn: "Das ist der neue HSV."

Sebastian Wolff

Die jüngsten Debütanten der aktuellen Zweitliga-Klubs