"Menschlichkeit", betont Walter, sei ihm ein wichtiger Aspekt. Deshalb will er das vorhandene Personal nicht danach beurteilen, "was bisher geleistet wurde. Ich will selbst einen Eindruck gewinnen. Ich will den Mensch hinter dem Spieler kennenlernen, dann werden Entscheidungen getroffen." Zum Beispiel über Aaron Hunt, dessen Vertrag ausläuft, über Jeremy Dudziak, der noch ein Jahr gebunden ist, aber von Interims-Coach Horst Hrubesch suspendiert wurde; auch über David Kinsombi, den er aus Kiel kennt, der in seinen zwei Hamburger Jahren aber bisher nie an seine Zeiten an der Förde anknüpfen konnte. "Ich kenne David und habe meine Kniffe, wie ich mit ihm umgehen muss", sagt Walter, "noch wichtiger aber ist die Bereitschaft von jedem Einzelnen, die Überzeugung."
Erstmal zu Hrubesch - "alles andere wäre fahrlässig"
Seine Überzeugung ist die, dass Spieler nicht immer angeschoben werden sollten, sondern von innen heraus den entsprechenden Antrieb mitbringen müssen. Exakt dieses Kernproblem hat zum Saisonausklang auch Hrubesch benannt, und Walter stellt klar, dass der 70-Jährige einer seiner wesentlichen Ansprechpartner sein wird. "Ich kenne Horst gut. Einer meiner ersten Gänge wird zu ihm sein, alles andere wäre fahrlässig."
Der neue Coach hat in Stuttgart vor zwei Jahren eine vergleichbare Aufgabe übernommen. Und sich verhoben bei einem Klub, der sich wie der HSV gefühlt in der 2. Liga falsch fühlt. Er verweist zwar darauf, dass er zum Zeitpunkt seiner Freistellung im Dezember punktgleich mit dem HSV Dritter war, räumt aber auch offen ein: "Ich habe die Zeit reflektiert und viel mitgenommen." Walter bleibt bei seinen Ausführungen nicht an der Oberfläche, sondern geht durchaus auch in die Tiefe. "Es geht um Struktur, Medienarbeit, Umgang mit Menschen. Ich habe mich in allen Dingen des Alltags hinterfragt. Denn es geht darum mich zu verbessern, ohne mich zu verbiegen."
Ich will in der Mannschaft Mut, Zusammenhalt, und dass wir wie eine Familie auftreten.
Tim Walter
Dass es beim HSV durchaus um mehr geht als sich tabellarisch nach drei vierten Plätzen zu verbessern, hat er registriert. "Dass zuletzt nicht alles optimal gelaufen ist, ist offensichtlich. Aber ich will und muss den Verein erst von innen erleben um zu wissen, was die Probleme und die größten Anforderungen sind." Was ihm vorschwebt, hat er zum Einstand klar umrissen. Und das ist ein Bild, das der HSV in der Vergangenheit nicht immer abgegeben hat. "Ich will in der Mannschaft Mut, Zusammenhalt, und dass wir wie eine Familie auftreten. Genau so muss auch der gesamte Verein funktionieren: als Familie, ohne Störfeuer."
Ohne benanntes Ziel, aber auf keinen Fall Platz vier
Mit dieser Vorgabe formuliert Walter das vielleicht bedeutendste Ziel, während er sich mit Vorgaben bezüglich des Tabellenplatzes vorerst zurückhält. "Zu diesem frühen Zeitpunkt ein Ziel zu formulieren, ist aus meiner Sicht der völlig falsche Ansatz." Zumindest eines lässt er sich dann aber doch entlocken: ´"Platz vier ist sicherlich kein Ziel."