Die Flanke kam von rechts. Kevin Schlotterbeck donnerte die Kugel mit voller Wucht in Richtung des verwaisten Tores. Auch wenn der Ball weit über den Kasten und sogar über den Zaun hinweg in Richtung Himmel flog, war dem 22 Jahre alten Abwehrmann am Donnerstagmorgen die Freude am Training anzumerken.
Seit rund einer Woche ist der Ball wieder dabei. Die Spieler trainieren zumindest wieder in Gruppen, man läuft sich nach der Corona-Zwangspause zumindest teilweise wieder über den Weg. "Es macht Spaß, wieder auf dem Platz zu sein. Es stehen viele Laufeinheiten auf dem Programm, damit wir wieder fit werden", erklärte Schlotterbeck in einer Video-Skype-Schalte.
"Mal was anderes": Abwechslung E-Sports-Derby
Dass er ausgerechnet jetzt erstmals in der Corona-Krise zu Wort kam, hat mit seinen offensichtlich vorhandenen digitalen Qualitäten zu tun. Neben Mitspieler Julius Kade vertritt Schlotterbeck Union in der "Bundesliga Home Challenge" an. Am Sonntag (16.20 Uhr) gibt es am 4. Spieltag, von denen Schlotterbeck und Kade die ersten zwei gewinnen konnten, das Duell gegen Hertha BSC. Schlotterbeck wird das Match in den eigenen vier Wänden auf der heimischen Couch bestreiten.
Normalerweise gehört der E-Sport mit Computerspielen nicht zu den Vorlieben des traditionsbewussten 1. FC Union. Aber aktuell nehmen die Eisernen und Schlotterbeck das durchaus als Abwechslung im Corona-Alltag wahr. "Ich glaube, dass wir alles in die Waagschale werfen werden. Wir wollen natürlich das Ding nach Hause zu Union holen", sagt Schlotterbeck. "Es wird aber eine schwierige Aufgabe, weil Hertha eine E-Sport-Abteilung hat. Es wird sicher interessant und lustig. Es ist mal etwas anderes."
Von echtem Derby-Fieber kann jedoch keine Rede sein. Für die meisten Union-Anhänger ist E-Sport Firlefanz. Aber Kommentare wird es sicher geben. Schließlich ist Union nach dem 1:0-Erfolg auf dem Feld in der Bundesliga aktuell stolzer Stadtmeister. Das soll auch so bleiben. "Ich habe aber nur einmal Druck von Profifußball-Geschäftsführer Oliver Ruhnert bekommen. Wir sollen uns ruhig ins Zeug legen", berichtet Schlotterbeck mit einem Augenzwinkern. "Als wir in der letzten Woche erstmals verloren hatten, fragten die Jungs, was denn da schon wieder los war. Das ginge doch besser."
Rückkehr nach Freiburg am Saisonende wahrscheinlich
Die bisherige reguläre Saison lief für Schlotterbeck trotz einer Rot-Sperre und einer Bänderverletzung sehr ordentlich. In allen seiner 15 Saisonspiele stand er in der Startelf. Die erhoffte Spielpraxis kam zustande, die sich sowohl Freiburg, Union als auch Schlotterbeck gewünscht hatten. Dass er nach Freiburg zurückkehrt, ist sehr wahrscheinlich. Aber Schlotterbeck hält sich diesbezüglich bedeckt. Wenn die Saison am 30. Juni noch nicht beendet ist, könnte es zumindest einen kleinen zeitlichen Nachschlag bei Union geben.
Schlotterbeck hat schon darüber nachgedacht, dass er sich bei Geisterspielen gar nicht persönlich von den Union-Fans verabschieden könnte. "Wenn es Geisterspiele werden, ist es schon schade, dass man nicht mehr vor der Union-Kulisse spielt. Es ist einfach unglaublich, was die Fans jede Woche auf die Platte bringen", sagt Schlotterbeck. "Wir nehmen es wie es kommt und wenn es zurück nach Freiburg geht, will ich mich trotzdem schön verabschieden. Man sieht sich immer zwei Mal am Leben, heißt es immer so schön."