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Kommentar: Thomas Tuchel und Chelsea? Das passt!

Kommentar von Thomas Böker

Tuchel und Chelsea? Das passt!

Der neue Trainer beim FC Chelsea: Thomas Tuchel.

Der neue Trainer beim FC Chelsea: Thomas Tuchel. imago images

Zumindest durfte Frank Lampard sich mit einem Sieg verabschieden. Doch nicht das zähe 3:1 im FA Cup gegen den Zweitligisten Luton Town vom Sonntag bleibt im Gedächtnis, sondern die (zu) vielen Niederlagen, die er als Trainer des FC Chelsea zu verantworten hatte.

Die Trennung, die der Verein vollzogen hat, ist folgerichtig. Angesichts einer schon nach dem Re-Start schleichenden Abwärtsspirale in der vergangenen Saison und großer Probleme in der laufenden Hinrunde kommt dieser Schritt fast schon zu spät. Doch 2019/20 galten nicht nur wegen Corona besondere Umstände. Lampard übernahm den Klub als Fast-Novize (sieht man von seiner ersten Station Derby ab), weil kein etablierter Coach einsprang, als gerade eine Transfersperre für den Verein aus dem Südwesten Londons herrschte.

Er verlieh dem Champions-League-Sieger von 2012 eine neue DNA: jung, mutig, forsch. Doch schon nach dem Re-Start wurde dieser Stempel immer blasser. Danach investierte Chelsea allein rund 250 Millionen Euro in Ablösesummen, der Erfolgsdruck war ein anderer, und dem war Lampard, der wegen seines Legendenstatus als Spieler lange Denkmal- und Welpenschutz genoss, nicht gewachsen.

Lampard traf auch personell merkwürdige Entscheidungen

Nicht personell, als er manch merkwürdige Entscheidung traf. Erst recht nicht taktisch - denn wofür steht Chelsea eigentlich? Ballbesitz-, Pressing-, Konterfußball? Von allem etwas, aber nichts so richtig. Für Kai Havertz und Timo Werner fand er keine Idealposition, und auch den richtigen Ton - speziell öffentlich - traf er nicht (mehr) in seinen Ansprachen und Urteilen.

Nun also Tuchel. Passt das? Ja, wie der Big Ben zu London. Warum? Weil Tuchel in Dortmund und Paris und auch schon in Mainz seine hohe Fachkompetenz bewies. Weil er befreiter agieren kann als in Paris. Klar sind die Ansprüche in London auch sehr hoch. Aber hier muss er sich nicht mit Diven befassen und sich den Allüren eines Neymar und anderen unterordnen. Chelseas Kader bietet, was Tuchel mag: technisch gute und schnelle Spieler. Daraus lässt sich was formen.

Einen Ja-Sager braucht Chelsea nicht

Tuchel gilt als nicht einfach, aber einen Ja-Sager braucht ein großer Verein, der Chelsea sein oder zumindest wieder werden will, auch nicht. Er ist streitbar, ohne dabei unclever oder anmaßend zu sein. Sprich: Er wird wissen, wo sein Platz in der Chelsea-Hierarchie ist. Nicht über Roman Abramovich, nicht über Marina Granovskaia. Tuchel ist international erfahren, hätte mit PSG fast die Champions League gewonnen. Angesichts des Mammutprogramms in England und in der Königsklasse wird er gar keine Zeit finden, sich mit Scharmützeln abseits des Platzes zu befassen. Er soll, er muss Chelsea wieder in Europas Elitewettbewerb führen, also aktuell von Rang 9 auf mindestens 4, was bei der Konkurrenz schwierig genug wird.

Mit Thiago Silva, dem Abwehrchef, hatte er auch nach seiner Entlassung in Paris bis heute Kontakt. Toni Rüdiger hätte er selbst gerne im Sommer an die Seine geholt. Dieser deutsche Nationalspieler dürfte von Tuchel ebenso profitieren wie Werner und Havertz, wenngleich Tuchel logischerweise nicht nach Nationalitäten, sondern nach Leistung und Spielidee aufstellen wird.

Doch schlechter als zuletzt kann es für das deutsche Trio kaum laufen, von dem keiner einen dauerhaften und unangetasteten Stammplatz besaß. Tuchels Start-Aufgabe gegen die Wolves wird bereits kompliziert, er muss eine verunsicherte Mannschaft bis Mittwochabend halbwegs auf Vordermann bringen. Das ist seine Aufgabe. Für die Spieler gilt, dass das Alibi Lampard wegfällt. Sie müssen ebenso liefern. Und zwar schnell.