An diesem besonderen Abend im Freiburger Stadion wogten die Emotionen bei Streich hin und her. Da war sein grundsätzlicher Ärger über die Schiedsrichter, die nicht nur bei diesem 0:2 gegen Juventus Turin Zeitspiel und Behinderung nach Freistößen nicht konsequent ahnden. Bei diesem Thema, das Streich schon öfter angemahnt hat, redete sich der 57-Jährige in Rage, um kurz darauf beeindruckt und lachend dem Dolmetscher ein Trikot-Geschenk zu versprechen.
Da war auch konkreter Ärger über Referee Serdar Gözübüyük. Der Niederländer zeigte unterm Strich eine schwache Spielleitung, weil er das vom Start weg offensichtliche Zeitspiel von Juventus lange nicht unterband, lange versuchte, alles mit Ermahnungen und Gesprächen zu lösen. In diese großzügige Linie passte dann die erste Gelbe Karte für Manuel Gulde nach dessen Foul gegen Adrien Rabiot nicht. Es war lange die einzige Verwarnung im Spiel und entpuppte sich beim korrekten Handelfmeter als mitentscheidend und bitter für den SC, weil Guldes Abwehraktion mit dem Arm bei Gattis Torschuss zwingend Gelb erforderte und somit im Platzverweis mündete.
Streich ärgert sich über Juve-Rückpass auf Szczesny
Dazukam: "Dieser bewusste Rückpass zum Szczesny, warum er den nicht gepfiffen hat", ärgerte sich Streich zu Recht über eine Szene in der 57. Minute als nach einer Gregoritsch-Chance Locatelli den Ball bewusst zu seinem Keeper spielte, der ihn kurz vor dem Tor mit den Händen aufnahm. Dafür hätte der SC einen indirekten Freistoß auf der Torraumlinie und damit eine große Ausgleichschance bekommen müssen.
Trotz dieser Ärgernisse herrschten bei Streich jedoch auch andere Gefühle vor. Keine Wehmut über das Ende der Europa-Tournee, sondern Stolz auf das Geleistete und die Unterstützung der Fans: "Ich bin total froh, dass wir das erleben durften und wie die Jungs es gemacht haben. Auch dieser Abend gegen Juve - was für ein Spiel! Was für ein Erlebnis mit den Zuschauern und wie die Jungs sich reingehauen haben gegen so große Spieler."
"Ich bin froh, dass wir das erleben durften und wie die Jungs es gemacht haben. Auch dieser Abend gegen Juve - was für ein Spiel!
Christian Streich
Ein besonderes Kompliment bekam er von einem Vertreter des Gegners: "Ein Betreuer von Juve ist zu mir gekommen, hat gratuliert und mir gesagt: Das ist eine tolle Mannschaft. Das sagt eigentlich alles. Es war ein großes Erlebnis, ich bin überhaupt nicht traurig oder so. Vielleicht am Freitag ein bisschen. Es war eine super Reise, es war Wahnsinn." Die Gruppe mit Piräus, Nantes und Qarabag hatte der SC überraschend eindrucksvoll dominiert (vier Siege, zwei Remis).
Siegesserie zu Hause reißt - Streich freut sich dennoch
Nach 15 Heimspielen ohne Niederlage setzte Juve dieser Serie zwar ein Ende, was den guten, etwas glücklosen Auftritt für Streich aber nicht schmälerte: "Die Mannschaft spielt seit zwei Jahren so toll. Jetzt hat sie nach so langer Zeit mal ein Heimspiel gegen eine große Mannschaft verloren."
Sein Wunsch nach "voller Leidenschaft" und einem angstfreien Auftritt habe sich erfüllt, wenngleich "ein Spiel gegen Stuttgart oder Bochum, wenn die hinten drinstehen, für den Kopf schwieriger" sein kann. "Aber natürlich ist Juve sehr gut und du musst dir gegenseitig helfen. Das ist uns gelungen. Die Leute haben irgendwie ein großes Spiel gesehen, auch wenn es eigentlich so aussah, als wäre es in der zweiten Hälfte entschieden. Aber es war doch nicht entschieden, jeder Juve-Spieler hat das auch gemerkt. Daher sind wir sehr zufrieden."
Es habe "wahnsinnig Spaß" gemacht, sagte Streich, vor allem weil der SC in "Spielen gegen Juve nichts zu verlieren" und durch seine Topplatzierung in der Liga "nicht diesen gnadenlosen Druck" habe. Der hatte Streich zu Abstiegskampfzeiten den Spaß am Fußball phasenweise ordentlich verdorben.
"Jetzt kommt der Alltag - und der wird knüppelhart in Mainz"
Am Ende seines Interviewmarathons an diesem besonderen Europacupabend, als das Adrenalin laut Streich noch immer seinen Körper durchströmte, hatten die positiven Gefühlen den Schiri-Ärger weitgehend verdrängt. Nur Streich wäre nicht Streich, wenn er nicht doch noch einen kleinen mahnenden Ausblick formuliert hätte: "Jetzt kommt der Alltag - und der wird knüppelhart in Mainz am Sonntag."