Bundesliga

VfB Stuttgart: Vogt bezichtigt Hitzlsperger der Unwahrheiten

Stuttgart: Präsident kontert Vorstandsboss

Schlammschlacht geht weiter: Vogt bezichtigt Hitzlsperger der Unwahrheiten

Hat zum Gegenschlag ausgeholt: Stuttgarts Präsident Claus Vogt.

Hat zum Gegenschlag ausgeholt: Stuttgarts Präsident Claus Vogt. imago images

Kurz vor Jahreswechsel kann in Stuttgart von einem guten Rutsch keine Rede sein. Im Gegenteil. Es droht vieles den Bach runterzugehen, was sich die Schwaben an Reputation zuletzt erarbeitet haben. Auslöser war Hitzlsperger, der mit seiner überraschenden Kandidatur zum VfB-Präsidenten offen auf Konfrontationskurs zu seinem Aufsichtsratschef und Amtsinhaber Vogt gegangen ist. Als Brandbeschleuniger in dieser Eskalation dient ein offener Brief, in dem er die bisherige Amtszeit des Unternehmers vernichtend bewertet und ihm offen Versagen auf fast allen Ebenen vorwirft.

Heute hat Vogt reagiert. Nicht weniger deutlich. Von einem möglichen Rückzug, womit man in Reihen Hitzlspergers vielleicht gerechnet hatte, keine Spur. Der 51-Jährige will sich ganz offensichtlich nicht so einfach vertreiben lassen und kontert den Vorstandsvorsitzenden - ebenfalls in einem offenen Brief - mit nicht weniger scharfen Vorwürfen.

Vergleich zur Wirtschaft

Er und die Anhänger des Aufsteigers hätten wohl "nicht für möglich gehalten, dass sich ein Vorstandsmitglied eines Klubs gegenüber seinem Aufsichtsratsvorsitzenden öffentlich derart im Ton vergreift. Und damit auch das Vertrauen, das alle Mitglieder seit einem Jahr wieder zum VfB haben, zum Einsturz bringt", lässt Vogt verlauten und zieht einen Vergleich zur Wirtschaft, der auch zum Fingerzeig taugt. Ausgerechnet zu VfB-Teilhaber Daimler AG, der in Wilfried Porth, den Vorstand für Personal und Arbeitsdirektor beim Automobilriesen, einen Aufsichtsrat und engen Vertrauten Hitzlspergers in der VfB AG stellt. "Man stelle sich nur vor, der Vorstandsvorsitzende von Daimler würde seinen Aufsichtsratsvorsitzenden derart öffentlich angreifen. Wie würde Daimler wohl darauf reagieren?"

Das sind Interna und die bleiben intern. Zumindest bei mir.

Er selbst hätte, obwohl davon informiert, nicht vorgehabt, sich öffentlich zur Gegenkandidatur Hitzlspergers zu äußern. "Das sind Interna und die bleiben intern. Zumindest bei mir." Vor allem die Art und Weise der Attacke durch den Ex-Nationalspieler sei allerdings untragbar und zwinge zur Reaktion. Er habe "in meinem Leben bislang noch nie nötig gehabt, einen offenen Brief wegen unfairer und persönlicher Anschuldigungen, Angriffen und Unwahrheiten zu schreiben. Ich habe bisher immer mit den Menschen direkt gesprochen, um einen gemeinsamen Weg zu finden." Dies sei auch in diesem Fall mehrfach geschehen. Offenbar ohne Wirkung. Jetzt sei er gezwungen, Dinge klarzustellen. Zeit, die Karten offen auf den Tisch zu legen. Offen wirft er Hitzlsperger vor, Unwahrheiten zu verbreiten. "Ich bin in einer Art öffentlich angegriffen worden und die Öffentlichkeit ist mit zum Teil unwahren Behauptungen konfrontiert worden, dies kann ich so nicht stehen lassen."

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Vogt bestätigt, dass es beim Traditionsklub in einigen Bereichen einen Riss gebe. Die Gründe dafür seien einfach: "Ich habe versprochen, Entscheidungen immer im Sinne und Interesse des VfB und unserer Mitglieder - und nicht zum persönlichen Vorteil - zu treffen. Das tue ich", erklärt Vogt. "Undurchsichtige Politik wie 'Tarnen, Tricksen und Täuschen', nur meinen eigenen Posten verteidigen, Indiskretionen streuen, die Mitglieder nicht ernst nehmen und sie wissentlich täuschen - das ist mit mir nicht zu machen." Er sei schließlich genau deswegen angetreten, um solchen und ähnlichen Vorkommnissen, die in der Vergangenheit oft der Klubführung unterstellt wurden, den Garaus zu machen. "Wenn mir vorgeworfen wird, ich würde bei gewissen Dingen nachfragen, dann behindere ich niemand, dann verzögere ich nichts. Dann mache ich nichts anderes als meinen Job, nämlich die Kontrollfunktion für den e.V. auszuführen. Als Aufsichtsratsvorsitzender der VfB AG bin ich der gewählte Vertreter des Mehrheits-Anteilseigners - nämlich aller Mitglieder. Es ist meine Pflicht, im Interesse und Auftrag dieser Mitglieder zu beaufsichtigen. Dafür wurde ich gewählt."

Vogt bewertet sich und sein Wirken durchaus positiv

Er wolle und werde nicht bewerten, warum sich Hitzlsperger, dessen Vorpreschen mehr als nur den Anschein macht, Vogt und damit einen hinderlichen Aufpasser loszuwerden und noch mehr Entscheidungsfreiheit und Macht zu erlangen, zur Wahl stellen wolle. Aber er werde nicht aufgeben. "Die Entscheidung haben unsere 72.500 Mitglieder am 18. März 2021", meint der Seiteneinsteiger, der sich und sein Wirken durchaus positiv bewertet. "Wir haben im zurückliegenden Jahr viel erreicht und unseren Mitgliedern gegeben: die Mitglieder, Fans und Menschen da draußen haben wieder Freude und Spaß am VfB. Wir haben tiefe Gräben zwischen den Mitgliedern und dem Klub zugeschüttet, haben nach vielen Jahren eine dringend benötigte Kontinuität geschaffen, ein positives, sympathisches Bild nach außen abgegeben. Die Menschen mögen uns. Das war nicht immer so in Stuttgart." Und soll so bleiben, wenn es nach ihm geht. Im Gegensatz zu Hitzlsperger. "All das wird nun versucht kaputt zu machen."

Was dahintersteckt? Vogt: Der Datenskandal

Den Grund für die Attacke des Meisterspielers von 2007 meint Vogt gut zu kennen. "Ich sage Ihnen offen und ehrlich, was dahintersteckt: die Aufklärung des Datenskandals. Nachdem, dem derzeitigen Anschein nach, die persönlichen Daten unserer Mitglieder unerlaubt weitergegeben und zu deren Täuschung und Beeinflussung genutzt wurden, habe ich im Namen von 72.500 Mitgliedern die Aufklärung zur Chefsache erklärt. Ich habe, mit Zustimmung des Präsidiums, eine völlig neutrale und unabhängige Kanzlei beauftragt, die Angelegenheit für unsere Mitglieder lückenlos aufzuklären."

Tatsächlich laufen zwei Untersuchungen im Datenschutzskandal: Der VfB e.V. lässt die Esecon Legal Services Rechtsanwaltsgesellschaft mbH ermitteln, die VfB AG die Esecon GmbH. Das ist aus juristischen Gründen nötig, weil Verein und AG zwei Organisationen sind. Nur verkompliziert es die Aufarbeitung, weil jeweils die Gremien der Organe zustimmen müssen, ehe Informationen und Zwischenergebnisse unter den beiden Esecon-Ermittlungen ausgetauscht werden dürfen. Das bietet diesen Gremien natürlich ebendiese Möglichkeiten zu Blockaden und Verzögerungen, die Vogt anprangert: "Mehrfach wurde in den zurückliegenden Wochen versucht, die Arbeit der Kanzlei Esecon zu torpedieren, ihren Auftrag einzugrenzen und schließlich sogar ohne Endergebnis zu den der für die im Raum stehende Datenweitergabe und Täuschungsversuchen verantwortlichen Personen zu beenden."

Anspielung auf die enge Beziehung Hitzlsperger/Schraft

Die Gründe dafür seien für ihn durchschaubar. "Man kann zu dem Eindruck kommen, dass es im und um den VfB Menschen/Personen gibt, die diese Aufklärung nicht wollen. Warum? Das überlasse ich Ihrer Einschätzung." Womit Vogt auf die weiterhin enge Beziehung von Hitzlsperger zum früheren Unternehmenssprecher Oliver Schraft anspielt, der einst die treibende Kraft war, den früheren Profi in leitender Funktion zum VfB zurückzuholen. Erst vor kurzem hatte der heutige Vorstandsboss das in den Daten-Skandal verwickelte Mitglied der Geschäftsleitung in Schutz genommen und erklärt, ihn sogar weiterhin im Klub halten zu wollen.

Die harmonischen Zeiten sind vorbei: Thomas Hitzlsperger und Claus Vogt.

Die harmonischen Zeiten sind vorbei: Thomas Hitzlsperger und Claus Vogt. imago images

Der Präsident, so erklärt er weiter, habe das Unheil kommen sehen. Wenn auch nicht in dieser geballten Form. "Als ich mich in den letzten Wochen weiter für eine zügige und vollumfängliche Aufklärung eingesetzt habe, begann eigenartigerweise genau zu diesem Zeitpunkt eine diffamierende Kampagne gegen mich: In verschiedenen Publikationen wurde gezielt versucht, mich persönlich bloßzustellen. Es wurden falsche Informationen und Unwahrheiten über mich verbreitet. Meine Stellungnahmen dazu wurden in der Presse gekürzt wiedergegeben", so Vogt, der den Anhängern und Mitgliedern zutraut das Ränkespiel zu erkennen. "Dieses unsaubere Spiel wurde von vielen durchschaut. Die Menschen wissen, um was er hier geht, und lassen sich nicht für dumm verkaufen. Ich hatte den VfB auch um eine offizielle Stellungnahme seitens des Vereins gebeten, um seinen Präsidenten und Aufsichtsratsvorsitzenden zu schützen." Was im Sande verlaufen sei. "Warum dies nicht geschehen ist, kann sich jetzt jeder seine eigenen Gedanken machen."

Vogt schreibt von falschen Behauptungen und Unterstellungen

Zu guter Letzt bezichtigt Vogt seinen Kontrahenten einmal mehr der Wahrheitsbeugung bei der Daten-Affäre, die allem Anschein nach die Quelle dieser Implosion beim Aufsteiger ist. "Thomas Hitzlsperger hat dramatisch geschrieben: 'Die unkontrolliert ausufernden Kosten führten dazu, dass die AG den Verein unterstützen muss, um ihn vor der Zahlungsunfähigkeit zu bewahren...' Fakt ist: Die Kosten für die Aufklärung der Anwaltskanzlei wurden von mir regelmäßig kontrolliert und den Kollegen des Präsidiums mitgeteilt. Zudem sind diese Kosten von einer Versicherung größtenteils gedeckt! Heute schon ist klar, dass ein sechsstelliger Betrag auf das Konto des VfB eingehen wird. Das weiß der Vorstand und trotzdem erklärt der Vorstandsvorsitzende öffentlich etwas anderes."

Scharfer Tobak und nicht die einzige Unwahrheit in den Augen Vogts'. Der offene Brief des 38-Jährigen enthalte "nach meinem Kenntnisstand und Wissen diesbezüglich noch weitere falsche Behauptungen und Unterstellungen, auf die ich jedoch derzeit und im Rahmen dieser Stellungnahme nicht eingehen möchte".

Vogt will sein Gesicht wahren

Der 51-Jährige zeigt die Zähne und will alles andere als kampflos das Feld räumen. Nicht zuletzt, um auch sein Gesicht und Ansehen zu wahren, das durch die Attacke des Vorstandsvorsitzenden durch den Dreck gezogen wurde. Er habe seine Qualitäten und Ziele bewiesen. "Ich möchte, dass dieser Verein unser Verein bleibt und nicht Spielball Einzelner wird. Ich möchte, dass wir in und um diesen Verein ehrlich, respektvoll und offen miteinander umgehen. Ich möchte, dass der VfB Anstand und Respekt verkörpert und Werte vorlebt. Dinge, wie sie zuletzt passiert sind, möchte niemand. Anstand, Respekt, Offenheit und Ehrlichkeit. Das sind die Werte, dich ich als Präsident des VfB Stuttgart für Sie vertrete."

Der Wahlkampf ist eröffnet und könnte statt bisher schmutzig noch viel schmutziger werden. Es hat den Anschein, als drohe dem Klub am 18. März eine überaus explosive Mitgliederversammlung. Wenn denn der Vereinsbeirat, der aus vier Bewerbern die zwei in seinen Augen Befähigsten nominiert, auch wirklich Vogt und Hitzlsperger ins Rennen schickt. Wenn nicht, würde dieses Gremium zwischen alle Fronten geraten und die nächste Eskalationsstufe zünden.

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George Moissidis/BH