Bundesliga

Wie sehr ein Lienhart-Abschied Freiburg schmerzen würde

Exklusive Einblicke in Weiterverkaufskonditionen beim SC-Innenverteidiger

Satte Abgaben an Real: Wie sehr ein Lienhart-Abschied Freiburg schmerzen würde

Quo vadis, Philipp Lienhart? Der Freiburger Innenverteidiger schielt offenbar nach Spanien.

Quo vadis, Philipp Lienhart? Der Freiburger Innenverteidiger schielt offenbar nach Spanien. IMAGO/Eibner

Philipp Lienhart ist mit 138 Einsätzen und zehn Toren ein etablierter Bundesliga-Profi, der sich in der sechsten Saison in Freiburg mit seinem Verein stetig weiterentwickelt, zuletzt auch in der Europa League behauptet hat. Unter Ralf Rangnick verbesserte sich auch sein Standing im ÖFB-Team (elf Einsätze). Sowohl im Nations-League-Duell mit Frankreich (0:2) im September 2022 als auch im Test gegen Italien (2:0) im November spielte der Innenverteidiger durch. Ergibt: ein begehrtes Gesamtpaket.

Kein Wunder, dass die SC-Verantwortlichen den neben Nationalspieler Matthias Ginter im Abwehrzentrum gesetzten Leistungsträger unbedingt halten wollen und ihm längst ein neues Vertragsangebot vorgelegt haben. Der Sport-Club hat auch keine schlechten Chancen. Lienhart fühlt sich nicht nur sportlich mit einem Vertrauensverhältnis zum Trainerteam um Christian Streich und zu den Sportchefs Jochen Saier und Klemens Hartenbach sowie der großen Chance auf weitere Europacup-Auftritte wohl. Sondern auch privat mit seiner Freundin, die in Freiburg arbeitet.

Aber gibt es noch einen anderen sportlich wie wirtschaftlich reizvollen respektive lukrativeren Job, für den es sich lohnt, das gute Gesamtpaket in Freiburg aufzugeben? Für diese legitime Frage scheint für Lienhart jetzt ein idealer Zeitpunkt zu sein. Der Österreicher ist 26, sein im Juli 2019 und Mai 2021 jeweils vorzeitig verlängerter Vertrag läuft nur noch bis Sommer 2024 und enthält eine Ausstiegsklausel im zweistelligen Millionenbereich. Die muss natürlich ein Klub zu zahlen bereit sein und die passende Perspektive bieten.

Lienhart hat nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass ihn seit seinen drei prägenden Jahren bei Real Madrid Castilla, der Zweitvertretung der Königlichen, eine Rückkehr nach Spanien reizen würde. Mit 18 wagte er 2014 den großen Schritt von Rapid Wien in die Nachwuchsschmiede des Weltklubs, wo ihn Zinedine Zidane trainierte, er bei den Profis reinschnuppern und gar einmal in der Copa del Rey auflaufen durfte.

Vom Profil her passt der 1,89 Meter große Rechtsfuß mit Qualitäten im gepflegten Spielaufbau, Kopfballspiel und aktiven sowie meist fairen Verteidigen - in der Liga sah er in 25 Einsätzen dreimal Gelb - eher in La Liga als etwa in die Premier League. Während Real selbst und Barcelona wohl noch immer eine Nummer zu groß wären, müssten es in Spanien Vereine sein, die in der Hackordnung direkt hinter den großen Zwei folgen - wie Atletico Madrid, Real Sociedad, Real Betis, Villarreal oder der FC Sevilla, trotz dessen aktueller Krise.

Ohne Reals Entgegenkommen wäre Lienhart wohl gar nicht in Freiburg gelandet

Lienharts Berater hat sich jedenfalls der gut vernetzten spanischen Agentur "You First" angeschlossen, die etwa die spanischen Nationalspieler Fabian Ruiz (PSG) und Gerard Moreno (Villarreal) berät. Aber auch aus der Bundesliga gibt's Interesse.

So oder so würde ein Abschied Lienharts den SC doppelt schmerzen. In erster Linie sportlich, aber auch wirtschaftlich. Dies verdeutlichen kicker-Recherchen zur Transfervereinbarung zwischen Real Madrid und dem Sport-Club, der Lienhart 2017 zunächst auf Leihbasis für eine Gebühr von 500.000 Euro verpflichtete.

Dem Wechsel war ein zähes Ringen mit den Königlichen vorausgegangen, in dessen Verlauf Sportdirektor Hartenbach eine Grundsatz-Mail über Solidarität zwischen großen und kleinen Klubs sowie die Wichtigkeit der Entwicklungsmöglichkeiten eines Spielers an die Königlichen geschickt hatte. Im Zuge der im Juni 2018 verkündeten Festanstellung dankte Hartenbach dann den Real-Verantwortlichen ausdrücklich für "einen guten Austausch".

Philipp Lienhart bei Real Madrid

Saison-Vorbereitung 2016/17: Philipp Lienhart im Trikot von Real Madrid. imago/AFLOSPORT

Die Madrilenen kamen dem SC vor allem bei der Sockelablöse entgegen. Ursprünglich verfügte der Sport-Club über eine Kaufoption in Höhe von vier Millionen Euro, die er durch Gespräche mit Real halbieren konnte. Schon damals war klar: Im Transfervertrag wurden dafür andere übliche Komponenten wie erfolgsabhängige Nachschläge und/oder eine Beteiligung am eventuellen Weiterverkauf zugunsten des abgebenden Vereins verankert.

Wie diese Gegenleistungen konkret aussehen? Dem kicker liegen nun detaillierte Einblicke in die Akte Lienhart vor, die auch schon die Disziplinarkommission der FIFA beschäftigt hat: Demnach würde Real Madrid bei einem Weiterverkauf Lienharts vom SC zu einem anderen Klub ein Fixum von zwei Millionen Euro erhalten, quasi der Ausgleich für den damaligen Nachlass, plus 30 Prozent der gesamten Transfersumme.

Ein Rechenbeispiel: Angenommen, Lienharts Ausstiegsklausel liegt bei 16 Millionen Euro. Dann gingen zwei Mio. plus 30 Prozent, also insgesamt 6,8 Mio. Euro an Real, dem SC blieben "nur" noch 9,2 Millionen Euro.

Durch dieses Konstrukt müsste Freiburg Lienhart in jedem Fall deutlich unter seinem aktuellen Marktwert von etwa 20 Millionen Euro abgeben, hat den Spieler allerdings auch recht günstig bekommen respektive hätte ihn ohne diese Vereinbarung damals gar nicht verpflichten können. Zudem sicherte sich Real das Recht zu, innerhalb von sieben Tagen mit einem von Freiburg und Lienhart akzeptierten Angebot eines Drittklubs gleichziehen und dann den Zuschlag bekommen zu können.

Hartenbach will bis Ende April Klarheit

Nachvollziehbar, dass Hartenbach bereits im März im Gespräch mit dem kicker betonte, bis Ende April Klarheit von der Lienhart-Seite haben zu wollen. Diese aber hat keinen Druck, die Ausstiegsklausel gilt darüber hinaus. Richtung Sommer erhöht sich die Wahrscheinlichkeit auf belastbare Offerten, weil sich überall die Kaderplanung konkretisiert.

Einen Wechsel auf Biegen und Brechen wird es allerdings nicht geben, weil Lienhart einen Verbleib als echte und gute Option ansieht, aber die Wechseltür für ein Angebot noch offenhalten möchte, das ihm einen besonderen, vielleicht einmaligen Karriereschritt ermöglichen würde.

Um seinen wertvollen Abwehrspieler, der intern mit offenen Karten spielt, muss der SC also wohl noch etwas länger bangen. Oder von sich aus umplanen und die Stelle neben Ginter anderweitig besetzen - was genauso legitim wäre.

Benni Hofmann, Carsten Schröter-Lorenz

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