Bundesliga

Berliner Derby zwischen Hertha und Union - Rehmer: "Noch keine Wachablösung"

Ex-Profi spricht über die Ausgangslage beider Berliner Klubs vor dem Derby

Rehmer: "Von einer Wachablösung kann man nicht reden"

Marko Rehmer, früher Spieler von Union und Hertha, glaubt an den ersten Heimsieg der "Alten Dame".

Marko Rehmer, früher Spieler von Union und Hertha, glaubt an den ersten Heimsieg der "Alten Dame". imago images

Marko Rehmer (48) kennt sich mit Hertha BSC und dem 1. FC Union aus. Schließlich stammt der ehemalige Nationalverteidiger (35 Länderspiele zwischen 1998 und 2003), der mit dem DFB-Team bei WM 2002 Vizeweltmeister wurde, aus Berlin und begann seine Karriere 1978 bei Empor HO im Stadtteil Prenzlauer Berg. Über TZ Prenzlauer Berg kam Rehmer 1980 zu Union, wo er nach der Wende den Sprung in die erste Mannschaft schaffte und in der Ober- sowie in der damals drittklassigen Regionalliga spielte.

1996 folgte er Trainer Frank Pagelsdorf zu Hansa Rostock, ging 1999 zu Hertha BSC und landete 2005 schließlich noch bei Eintracht Frankfurt. Mit Hertha spielte Rehmer, der heute in Berlin lebt und eine Spielerberatungs- und Marketing-Agentur betreibt, in der Saison 1999/00 in der Champions League. Insgesamt bestritt der dynamische und kopfballstarke Verteidiger 225 Bundesligaspiele (zwölf Tore).

Herr Rehmer, Zuschauer sind auch diesmal beim Derby nicht erlaubt. Wo schauen Sie das Spiel?

Ich werde zu Hause schauen, und es kann sein, dass ein Freund dazukommt.

Viele sagen, ohne Zuschauer käme kein echtes Derby-Feeling auf. Wie steht es um Ihr Derbyfieber?

Natürlich freue ich mich auf dieses Spiel. Ich freue mich generell darüber, dass die Bundesliga spielen darf. Aber es ist natürlich ein anderes Gefühl, wenn das Derby in einem vollen Olympiastadion stattfinden würde. Es ist schade für so ein Ereignis und die Stadt, dass es ohne Fans ausgetragen wird. Aber wer weiß? Vielleicht wird das Rückspiel im Frühjahr an der Alten Försterei ja wieder vor Zuschauern gespielt.

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Was für ein Fußballspiel erwarten Sie?

Ein typisches Derby. Ich erwarte von Hertha eine Reaktion, da die Mannschaft in dieser Saison noch keinen Heimsieg geschafft hat. Mit einem Erfolg könnte sie einiges gutmachen. Ich erwarte, dass Hertha offensiv an die Sache rangeht, aber Union kommt mit breiter Brust. Ich rechne mit einem spannenden Spiel, und es wird kein 4:0 geben, wie im vergangenen Mai für Hertha.

Union rangiert zurzeit auf Platz sechs und hat doppelt so viele Punkte wie Hertha auf Platz 13. Mancher spricht von einer bevorstehenden Wachablösung in Berlin. Sie auch?

Nein. Von einer Wachablösung kann man nicht reden, auch wenn Hertha seiner Zielsetzung bisher deutlich hinterherläuft. Man kann beide Klubs noch nicht vergleichen. Union ist jetzt gerade mal im zweiten Jahr in der Bundesliga, während Hertha - mit Unterbrechungen - seit Jahrzehnten ein etablierter Bundesligist ist. Union ist aber auf einem sehr guten Weg, sich auf Dauer in der Bundesliga zu etablieren, und die aktuelle sportliche Situation spricht für sie. Aber Hertha hat ganz andere Ziele und ganze andere Mittel zur Verfügung als Union.

Warum tut sich Hertha in dieser Saison bislang so schwer?

Ich glaube, dass Hertha noch an den Nachwehen der vergangenen Chaos-Saison leidet. Es herrscht noch keine Ruhe im Verein, hinzu kamen noch die Corona-Krise und der schwierige Transfermarkt im Sommer. Durch die Länderspielreise konnte Bruno Labbadia mit der Mannschaft auch nicht so intensiv arbeiten wie gewünscht. Dennoch muss Hertha jetzt mal anfangen zu punkten - vor allem zu Hause. Deshalb halte ich es für Hertha für wichtiger, das Derby zu gewinnen, als das für Union der Fall ist.

Der Umbruch im Kader sowie der Weggang wichtiger Führungsspieler wie Vedad Ibisevic, Per Skjelbred oder Salomon Kalou werden als Hauptgrund dafür genannt, dass Hertha sich schwertut. Sehen Sie das auch so?

Andere Vereine haben diese Situation auch, deswegen weiß ich nicht, ob das ein entscheidender Grund ist. Aber richtig ist: Am letzten Tag des Transferfensters kamen in Omar Alderete, Matteo Guendouzi und Eduard Löwen noch drei Neuzugänge, von denen Guendouzi gleich wegen Corona ausfiel. Zudem ist in Jhon Cordoba ein wichtiger Neuzugang verletzt, und der fehlt Hertha sehr.

Herthas Stürmer Jhon Cordoba

Schwerwiegender Ausfall: Herthas Stürmer Jhon Cordoba.

Glauben Sie denn, dass der Hertha-Kader stark genug ist, um an die internationalen Plätze ranzureichen oder dort zu landen?

Man kann sich so viele Ziele setzen, wie man will, man muss mit der aktuellen Situation umgehen. Wenn alle Spieler wieder an Bord sind, hat die Mannschaft das Potenzial, besser als vergangene Saison abzuschneiden - also mehr als Platz zehn zu erreichen.

Durch das bisherige Investment von Lars Windhorst in Höhe von 274 Millionen Euro hat Hertha plötzlich erheblich mehr Geld zur Verfügung. Kann man Erfolg einfach kaufen?

Mehr Geld macht natürlich Vieles leichter. Aber Hertha hat das Geld ja nicht ausschließlich für neue Spieler genutzt, sondern auch Alt-Schulden getilgt. Natürlich hat man sich von dem einen oder anderen Transfer mehr erhofft, aber man hat eine sehr gute Mannschaft zusammen.

Wie beurteilen Sie wiederum den Aufschwung von Union? Und was ist drin für die Eisernen?

Unions Ziel ist der Klassenerhalt, aber ich glaube, dass die Mannschaft eventuell am Ende der Saison besser dastehen wird, als nach der vergangenen Spielzeit (2019/20 wurde Union Elfter, Anm. d. Red.) - wenn sie so weiterspielt wie bisher. Der Aufschwung hängt für mich damit zusammen, dass Union nun auch spielerische Akzente setzt. Zudem hat man sich punktuell gut verstärkt: mit Robin Knoche etwa oder auch mit Max Kruse.

Wie wichtig ist Kruse für Union?

Unions Max Kruse

Anführer der Eisenern: Unions Max Kruse. imago images

Selbst wenn man ihn im Spiel mal nicht sieht, macht er Tore und gibt Vorlagen. Mit seiner Erfahrung ist er obendrein eminent wichtig für die Mannschaft und passt offenbar auch menschlich gut rein in die Truppe. Abseits des Platzes muss man ihn auch mal laufen lassen. Wenn er Freiheiten hat, übernimmt er auch Verantwortung für die Mannschaft.

Wie lautet Ihr Tipp fürs Derby?

Ich glaube, dass wir den ersten Heimsieg von Hertha sehen.

Interview: Andreas Hunzinger