Viel habe sich in seinem Alltag nicht geändert, und vieles gleichzeitig doch. Sagt Michael Parensen. Da seine beiden Kinder morgens zwischen sechs und sieben Uhr wach werden und den ganzen Tag zu Hause sind, "bin ich abends genauso platt, als wenn ich ganz normal trainieren würde", erzählt der Defensivspieler des 1. FC Union Berlin.
Michael Parensen (33), der seit elf Jahren für Bundesliga-Neuling Union spielt und Zweitliga-Rekordspieler der Eisernen ist, über:
... seinen Alltag und seine Fitness:
"Der Alltag sieht nicht so viel anders aus als sonst - außer, dass ich nicht mehr zum Stadion fahre. Ich habe mein Home-Office-Programm jeden Morgen. Darüber hinaus steht Fußballspielen mit dem Sohn auf dem Programm und die Beschäftigung mit der Tochter. An schönen Tagen waren wir nur im Garten und haben uns bewegt. Insofern habe ich hoffentlich nicht zugenommen. Ich habe mich nicht auf die Waage gestellt, aber ich gehe davon aus, dass ich noch top in Form bin."
... die Herausforderungen der ungewohnten Situation und mögliche Auswirkungen:
"Für jeden ist die Situation sehr unbefriedigend. Wir sind es absolut nicht gewohnt, den ganzen Tag zu Hause zu sein und uns weniger zu bewegen. Es ist schwierig, dass auch alles vom Kopf her anzunehmen. Du musst ja auch die ganze Zeit bereit sein für den Zeitpunkt, an dem es wieder losgeht. Einen Urlaub, eine Sommerpause oder eine Vorbereitung kannst du immer gut überbrücken, weil du einen festen Tag hast, an dem es weitergeht. Das hast du aktuell nicht. Du musst dir künstlich einen Zeitpunkt schaffen, an dem du wieder bereit sein musst. (...) Man wird sehen, wie sich das am Ende auswirkt auf die Qualität des Spiels, auf die Fitness der Spieler. Die Erfahrungswerte hat niemand. Das wird sehr spannend."
... die Frage, warum es wichtig ist, die Saison zu beenden:
"Weil es unsere erste Bundesliga-Saison ist. Es wäre sehr schade, wenn die nicht beendet oder gar annulliert würde."
... die finanziellen Auswirkungen der Krise:
"Gerade wir sind in einer Situation, dass wir als noch nicht gestandener Bundesligist nicht über so viele Rücklagen verfügen. So viel Geld ist in den vergangenen Jahren nicht aufs Festgeldkonto geflossen, dass man sagen könnte: Der Verein übersteht die Zeit ohne Probleme. Ich bin schon lange im Verein, ich mache mir Gedanken, wie es weitergehen wird - für unseren Verein, aber auch für den Fußball insgesamt. Uns eint alle, dass es niemand absehen kann. Alle spekulieren, spielen irgendwelche Szenarien im Kopf durch. Es beschäftigt mich sehr."
... den angekündigten Gehaltsverzicht der Union-Profis:
"Es tut weh, absolut. Jeder, der mit einem festen Betrag im Monat rechnet und weniger zur Verfügung hat, dem fällt es schwer, der merkt das. So viel Geld habe ich in meinem Leben nicht gemacht, als dass ich sagen könnte, ich wäre nicht drauf angewiesen. Aber ich mache es gerne, weil ich weiß. dass es dem Verein hilft."
... die Frage, ob ihn als Familienvater und als Profi, der in seiner Karriere keine Millionengehälter verdient hat, Zukunftssorgen plagen:
"Natürlich macht man sich Gedanken, aber ich bin niemand, der zweifelt oder untergeht in solch einer Situation. Ich bin positiv und optimistisch gestimmt, dass ich in meinem bisherigen Leben das Rüstzeug erworben habe, damit es auch für mich in Zukunft beruflich weitergeht und ich mir auf lange Sicht keine Sorgen machen muss, dass es meiner Familie gut geht."
... seinen zum 30. Juni auslaufenden Vertrag:
"Das steht erst einmal hinten an. Der Verein hat zum einen grundlegende Probleme zu lösen. Es gibt außerdem mehrere Spieler, deren Verträge auslaufen, da bin ich wahrscheinlich der Entspannteste, was die Situation angeht. Ich fühle mich fit. Ich merke jetzt auch, dass es mir jeden Tag fehlt, zum Stadion zu fahren und auf dem Trainingsplatz zu stehen. Das ist das beste Indiz dafür, dass ich noch weiter spielen will. Wie es dann abläuft, wird man sehen."
... die Frage, ob er nie wieder im Union-Trikot spielen wird:
"Dann ziehe ich es in der Freizeit an."
... den Gedanken, trotz der Kontaktbeschränkungen in ein paar Wochen möglicherweise wieder Fußball zu spielen:
"Der Gedanke ist genauso absurd, wie es das vor fünf Wochen war, zu sagen, dass wir uns nicht mehr treffen und nicht mehr auf die Straße gehen dürfen. Uns überholt teilweise die Zeit. Heute kann man sich das nicht vorstellen, aber wer weiß, wie es in der nächsten Woche aussieht? Vielleicht muss man die Leute wieder aus ihrer Isolation rausholen? Ich finde den Gedanken nicht so abwegig. Es ist alles möglich."
... die Fortsetzung der Saison mit Geisterspielen:
"Gerade für uns bei Union ist das ein großer Faktor, wenn bei unseren Heimspielen keine Zuschauer sind. Das gehört bei uns dazu, dass sie eng dabei sind und auch für die gegnerischen Mannschaften ungewohnt. Für uns ist das ein Riesennachteil. Aber auch da hat uns die Zeit eingeholt. Wir müssen davon abweichen, zu sagen, dass es gar nicht geht. Wenn es für das Überleben der Vereine notwendig ist, ist es absolut notwendig. Dann müssen wir uns anpassen und umstellen. In dieser ungewöhnlichen Zeit müssen ungewöhnliche Maßnahmen getroffen werden."
... die Ansteckungsgefahr für Fußballer, wenn der Spielbetrieb wieder losginge:
"Ich finde nicht, dass wir Versuchs-Kaninchen sind. Die Stimmen kann ich nicht ganz so nachvollziehen. Ich bin medizinisch nicht so bewandert und gehe deshalb unbefangen - vielleicht zu unbefangen - mit der Situation um. Es ist wahrscheinlich notwendig, um einige Vereine am Leben zu erhalten. Vielleicht auch, um den Leuten etwas mehr Normalität und etwas Alltag zu bieten. Deswegen sehe ich das nicht so kritisch. Wir können uns auch nicht ein Leben lang vor dem Virus einschließen."
... den Fußball als Unterhaltung für das Volk, Stichwort Brot und Spiele:
"Was bei den Römern funktioniert hat, funktioniert heute immer noch. In solchen Situationen wird das noch deutlicher. Damals hatte man wahrscheinlich noch weniger Ablenkung. Wir befinden uns aber noch heute in einer Brot- und Spiele-Welt."
... den richtigen Zeitpunkt für die Wiederaufnahme des Spielbetriebs:
"Das ist ein sehr schmaler Grat. Solange es nicht gesichert ist, dass die Krankenhäuser genug Menschen versorgen können, die medizinische Versorgung nötig haben, ist das ein absolutes No Go."