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Bayern-Leihgabe Alex Nübel im großen Interview über Monaco

Nach Monaco verliehener Keeper spricht im kicker

Nübel im Interview: "Ich habe noch genug Zeit, für Bayern Spiele zu machen"

Spielt momentan bei der AS Monaco: Bayerns verliehener Torhüter Alexander Nübel.

Spielt momentan bei der AS Monaco: Bayerns verliehener Torhüter Alexander Nübel. Getty Images

kicker: Herr Nübel, eine alte Weisheit im Fußball besagt, dass junge Spieler möglichst oft spielen müssten. Stimmen Sie diesem Satz zu?

Alexander Nübel: Absolut. Junge Spieler brauchen viel Spielpraxis, um sich weiterzuentwickeln. Aber: Obwohl ich auf Schalke nicht so viele Spiele bekommen habe, konnte ich mich trotzdem sehr gut entwickeln.

Sie sind etwas länger als 100 Tage bei der AS Monaco. Hat sich Ihr Wechsel vom FC Bayern zu AS Monaco bislang als richtig herausgestellt?

Der Wechsel nach Monaco war die richtige Entscheidung und hat sich gelohnt. Ich spiele zweimal pro Woche auf sehr hohem Niveau und das war mein Ziel. Am Anfang habe ich etwas Zeit gebraucht, um mich an alles zu gewöhnen, aber mit jedem Spiel und jedem Training fühle ich mich sicherer. Unabhängig vom Fußball bringt einen das Leben in einem neuen Land und einer neuen Kultur immer weiter.

Was läuft bislang nach Wunsch, was noch nicht?

Wie bereits erwähnt, spiele ich zweimal pro Woche auf hohem Niveau und das ist für meine Entwicklung wichtig. Zu Beginn habe ich sehr schnell gemerkt, dass mir die Spielpraxis ein bisschen gefehlt hat. Dazu kam, dass ab und zu die Abstimmung mit meinen Vorderleuten noch nicht optimal ist. Manchmal hapert es an der Kommunikation auf Französisch oder Englisch. Englisch wäre für mich einfacher, aber meistens muss ich Französisch sprechen. Dieser Prozess läuft und es wird Zeit brauchen, bis sich alles gefunden hat.

Welche Worte der Fußballsprache können Sie schon auf Französisch?

Die Standards, rechts, links, rausschieben, Zeit, Hintermann.

Wie läuft es generell mit der Sprache?

Ich hatte kein Französisch in der Schule, deshalb ist es relativ schwer. Ich bin nicht der Sprachbegabteste und muss an meiner Aussprache arbeiten. Durch zweimal Unterricht pro Woche plus Hausaufgaben versuche ich mich stetig zu verbessern.

Waren Sie gerne Schüler?

Ehrlicherweise nein. Würde ich jetzt mit dem Fußball aufhören, würde ich eine Berufsausbildung einem Studium vorziehen. Ich gehe lieber arbeiten als zur Schule.

Haben Sie sich für Monaco und das Ausland entschieden, weil Sie in der Bundesliga die Vorgeschichte mit dem FC Bayern permanent eingeholt hätte?

Ich habe mich für Monaco entschieden, weil ich mir im Vorfeld alles angeschaut habe und ich von diesem Schritt komplett überzeugt war. Natürlich habe ich mir mehr Ruhe gewünscht, aber ausschlaggebend war der Verein. Da unsere Spiele oft auf DAZN live übertragen werden, stehe ich ja weiterhin im Fokus.

Welche Punkte sprachen für Monaco?

AS ist ein großer Verein in Frankreich und das neue Trainingsgelände ist absolut top. Das Management hat mich überzeugt, Niko Kovac als Trainer und die Aussicht auf eine andere Liga.

Hat es Ihre Pläne, Praxis auf höchstem Niveau zu bekommen, durchkreuzt, dass Monaco die Qualifikation für die Champions League so knapp gegen Donezk nicht schaffte?

Wir hätten uns gerne für die Champions League qualifiziert und haben uns sehr geärgert. Dennoch spielen wir jetzt genauso gerne in der Europa League und treffen dort auch auf geile Gegner.

Die Zeit in München war also ein zweischneidiges Schwert.

Alexander Nübel

Monaco führt die Gruppe nach vier Partien mit zwei Siegen und zwei Remis bei 4:2 Toren ungeschlagen an vor San Sebastian, PSV Eindhoven und Sturm Graz. Sind Sie als Torhüter mit diesem Minimalismus einverstanden?

Es ist immer gut, wenn man nicht so viele Tore kassiert. Und bisher hatten wir noch nicht allzu viele Zu-null-Spiele. Aber international läuft es ganz gut.

Alexander Nübel

"Die Statistik könnte besser aussehen, aber unzufrieden bin ich nicht": Alexander Nübel über seine bisherige Saison. Getty Images

In der Liga sind es nach 13 Spielen 16 Gegentore. Viermal spielten Sie zu null. Es gab nie mehr als zwei Gegentore für Sie. Gefallen Ihnen diese Daten?

Nein. Es gab noch Spiele, in denen ich zu null hätte spielen können. In der Anfangszeit kassierten wir unnötige Gegentore. Die Statistik könnte besser aussehen, aber unzufrieden bin ich nicht. Ich hoffe, dass wir hinten stabil bleiben.

Wie hat das eine Jahr beim FC Bayern mit nur vier Pflichtspieleinsätzen den Torhüter Nübel verändert?

Als Torhüter bin ich in München auf ein anderes Niveau gekommen. Die Qualität bei Bayern ist enorm und die alljährlichen Erfolge spürt man im gesamten Klub. Andererseits habe ich nur vier Spiele bekommen, auch das habe ich gemerkt. Ich hatte nicht mehr diesen Rhythmus mit Spielen alle drei Tage. Darum brauchte ich etwas länger, um wieder dieses Gefühl für die Räume zu haben. Die Zeit in München war also ein zweischneidiges Schwert.

War dieses Jahr mehr Fort- oder Rückschritt? Oder einfach Stillstand?

Dieses Bayern-Jahr war ein Fortschritt für mich. Ich habe mich persönlich ziemlich weiterentwickelt, was für einen Torwart sehr wichtig ist, weil die persönliche Reife sehr viel ausmacht. Jeder meiner drei Vereinswechsel hat mich weitergebracht.

Manuel Neuer lässt sich während des Spiels neben dem Pfosten von einem Ersatzspieler den Ball zuwerfen, wenn er länger nichts aufs Tor bekommt, um das Gefühl für den Ball nicht zu verlieren. Wie wirkte sich die lange Zeit ohne Spiele dann erst auf Sie aus?

Nach einer Sommerpause ist es immer schwierig, wieder reinzukommen. Bei mit dauerte es dann ein paar Tage länger. Aber wir hatten eine gute Vorbereitung, der Prozess verlief gut. Im Trainerteam und im Management habe ich gute Ansprechpartner, die um diese Problematik wussten und mich unterstützt haben.

Wie lange wird es dauern, bis Sie die Rückstände aufgeholt haben?

Ich hoffe nicht mehr allzu lange. Ich bin aktuell noch nicht da, wo ich sein will und arbeite daran, dass ich in den kommenden Wochen meinem Topniveau Stück für Stück näherkomme und das Team verbal noch stärker pushen kann.

Welche Momente in Ihrem Spiel fehlen?

Es sind Kleinigkeiten, die ich mir über das Training erarbeiten muss, weil wir in den Spielen nicht so viel aufs Tor bekommen. Manchmal ist es nur ein Ball, bei dem du da sein musst. Das ist eine Parallele zu Bayern, wo man mental 90 Minuten da sein muss. Neuer ist in der Hinsicht in der Weltspitze und dahin will ich auch. Es ist mein Ziel, mich hier dieser Weltspitze anzunähern.

Inwieweit sind Sie mit Ihrer neuen Abwehr und der jungen Mannschaft schon eingespielt?

Deutlich besser als zu Beginn. Durch die vielen Spiele ist das Vertrauen gewachsen und es wird weiterwachsen. Entscheidend ist die Kommunikation.

Inwieweit ist der Fußball für einen Torhüter in Frankreichs 1. Liga anders als in der Bundesliga?

Die Ligue 1 ist eine Topliga mit vielen jungen Spielern. Ich bereite mich auf die Spiele vor wie in der Bundesliga, in der ich die meisten Spieler auf der gegnerischen Seite kannte. Hier ist es nicht so der Fall.

Es ist mein Ziel, mich hier dieser Weltspitze anzunähern.

Alexander Nübel

Müssen Sie sich deshalb intensiver vorbereiten?

Wir machen das gemeinsam. Die Elfmeter- und Freistoßschützen gucken wir uns sowieso an. Ich schaue mir die Spiele der Gegner an und wir bekommen zudem Videos über die einzelnen Spieler, deren Vorlieben und Stärken.

Wie ist das Niveau im Vergleich zur Bundesliga?

Das Niveau ist nicht schlechter als in den anderen großen Ligen Europas, deshalb habe ich mich für Monaco entschieden.

Frankreich ist also kein Abstieg für einen Bundesliga-Torhüter?

Es kommt darauf an, wo du spielst, aber als Abstieg würde ich es nicht bezeichnen.

Was bedeutet es für Frankreichs Fußball, dass Lionel Messi kam?

Das internationale Interesse an der Ligue 1 ist sicher gestiegen. Grundsätzlich hat sich der Fußball in Frankreich aber nicht verändert. Paris kaufte schon immer große Stars und der Rest agiert wie zuvor.

Der Fußball in Frankreich ist mehr als Paris?

Auf jeden Fall. Wir hatten bereits mehrere Topspiele, zum Beispiel gegen Lyon, Marseille und Nizza - das sind Riesenmannschaften. Es ist wirklich wie in der Bundesliga.

Alexander Nübel

Nummer 1 bei der AS Monaco: Alexander Nübel. imago images/PanoramiC

Sie wurden nach Monaco ausgeliehen, weil Sie dort wie beim FC Bayern als mitspielender Torwart gefragt sind. Geht dieser Plan bislang auf?

Ja. Das war unter anderem ein Auswahlkriterium pro Monaco, weil das Team Fußball spielen will und in der Liga dominieren muss.

Benjamin Lecomte, der vorherige AS-Stammkeeper, wurde zu Atletico Madrid verliehen. Ist es für Sie wichtig, die klare Nummer 1 zu sein? Oder fehlt Ihnen der tägliche Konkurrenzkampf?

Ich bin einfach froh, dass ich spiele und das möchte ich fortsetzen. Personalentscheidungen des Vereins kann ich nicht beeinflussen. Und außerdem ist der tägliche Konkurrenzkampf beim jetzigen Torhütertrio auch vorhanden.

Was macht es mit Ihnen, die klare Nummer 1 zu sein?

Es ist sehr hilfreich, wenn man als Torhüter Vertrauen spürt. Diese Sicherheit führt dazu, dass man kontinuierlich seine Leistungen steigert und stabilisiert. Das ist jetzt der Fall. Wenn man gesetzt ist, gibt es einem ein gutes Gefühl. Schwieriger ist es, wenn man als Torwart gleich beim ersten Fehler auf die Bank muss.

Ihr Torwarttrainer Vatroslav Mihacic ist ein Kroate. Inwiefern ist das Torwarttraining in Frankreich anders?

Es unterscheidet sich allenfalls in ein paar Techniken, aber ansonsten ist der Unterschied zu Deutschland nicht groß. Wir passen uns gegenseitig an. Ich nenne ihm meine Wünsche und er sagt seine Meinung dazu. Das Torwarttraining ist sehr gut.

War das eine Jahr in München ein verlorenes Jahr?

Auf gar keinen Fall, zumal ich anfangs etwas Zeit brauchte, um reinzukommen. Die Qualität dort ist auf einem Top-Niveau. Das Jahr beim FC Bayern war kein verlorenes Jahr, vor allen Dingen nicht für meine persönliche Entwicklung.

Was war am schlimmsten in diesem einen Jahr auf der Bank?

Die Gesamtsituation war nicht optimal. Ich habe meinen Rhythmus verloren und konnte in nur vier Spielen nicht das zeigen, was ich zeigen wollte.

Sie stellten die Vertrauensfrage, als Flick Sie Ende September 2020 gegen Hoffenheim aus dem Kader strich. War diese Geschichte die schlimmste? Oder jene, als Sie nicht einmal im belanglosen Champions-League-Spiel gegen Lok Moskau randurften?

Beides war nicht schön. Klar ist man als Profi enttäuscht, wenn man nicht im Kader steht oder nicht spielt. Jede andere Reaktion wäre falsch. Ich hätte gegen Moskau gerne gespielt und diese Minuten hätte man mir für meine Sicherheit geben können. Ich musste es so hinnehmen. Sven Ulreich wurde ja noch abgegeben.

Wie oft wollten Sie in München hinwerfen?

Kein einziges Mal.

Wie oft haben Sie es bereut, nicht dem Lockruf des FC Barcelona, von Atletico Madrid oder Manchester United gefolgt zu sein?

Es war eine spannende Zeit, in diesem Alter diese Angebote zu bekommen, aber ich hatte mich bewusst für München entschieden, weil mir dort der beste Karriereplan vorgestellt wurde. Deshalb brauchte ich hinterher nicht Hadern oder Was-wäre-wenn-Denken.

Haben Sie den Karriereplan des FC Bayern nie angezweifelt?

Bis jetzt noch nicht. Und ich habe noch genug Zeit, für Bayern Spiele zu machen.

Wer stand Ihnen in jener Phase bei?

Meine Familie, meine Freundin und mein Berater sind meine Ansprechpartner. Sie holen mich weg vom Fußball ins normale Leben. Da wird mir bewusst, dass der Fußball nur eine kleine Blase ist, in der wir leben und die zwar schön ist, aber keine großen Auswirkungen auf andere wichtige Dinge dieser Welt hat.

Ich bin froh, dass ich diesen Schritt getan habe, und hoffe, dass ich die nächsten Jahrzehnte davon zehren werde, gerade für das Leben abseits des Fußballs.

Alexander Nübel

Welche Dinge meinen Sie?

Mein Leben drumherum, meine Gesundheit, die meiner Familie und Freunde. Wenn da etwas wäre, würde ich mit dem Fußball sofort aufhören.

Schon Ihr Abschied vom FC Schalke war schwierig, Sie wurden als Nummer 1 und Kapitän abgesetzt, es gab "Nübel-raus!"-Rufe. Härten solche Erfahrungen ab, um den Druck als Profitorwart leichter zu bewältigen? Oder drohen solche Attacken einen jungen Menschen zu zerstören?

Beide Auswirkungen sind möglich. Heute helfen mir diese Erfahrungen weiter. Als es damals passierte, war es schwierig einzuschätzen, dass mich diese Erfahrungen stärker machen. Es war schon sehr hart, alle diese Anfeindungen abzubekommen, vor allem für meine Familie, die damit nicht umgehen konnte, weil sie es nicht kannte. Mich zog das noch mehr runter. 

Was lief da ab?

Zum Beispiel gab es Kommentare gegen meinen Vater auf der Arbeit und die mediale Aufbereitung war schon erstaunlich.

Und jetzt ist alles wieder gut?

Ja, meine Familie freut sich, dass ich viele Spiele mache. Aber eigentlich möchte sie, dass ich zu Hause in Paderborn bin.

Alexander Nübel

"Das Leben hier ist Balsam für die Seele": Alexander Nübel über Monaco. Getty Images

Ist das Leben in Frankreich und im mondänen Monaco ideal, um das seelische Gleichgewicht wiederzufinden?

Das Wetter ist phänomenal, 20 Grad, komisch im Herbst für einen Deutschen. Aus meiner Wohnung gucke ich aufs Meer und frühstücke draußen. Das Leben hier ist Balsam für die Seele. Der Kleinstaat Monaco ist allerdings außerhalb jeglicher Normalität. In der Umgebung von Monaco gibt es viele schöne Orte, die man erkunden kann.

Wie prägt es einen jungen Mann, wenn er mit 24 ins Ausland geht?

Ich bin froh, dass ich diesen Schritt vollzogen habe und hoffe, dass ich die nächsten Jahrzehnte davon zehren werde, auch und gerade für das Leben abseits des Fußballs. Anfangs war es jedoch schwierig, weil ich sehr heimatverbunden bin.

Welche Erfahrung ist die spannendste in diesem Umfeld?

Man kommt in Frankreich mit Englisch nicht sehr weit, man muss sich einfach anpassen, weil Monaco sehr international geprägt ist.

Begeistert oder befremdet Sie der extreme Luxus in Monaco?

Mich begeistert er nicht, ich brauche diesen Luxus nicht. Luxus sind für mich meine Familie und Freunde. Luxus bringt dir nichts, wenn du deine Liebsten nicht in der Nähe hast. Bei der Yacht-Show war es total krass, wie viele Helikopter reinfliegen. In Nizza stehen so viele Privatflieger wie in ganz Deutschland.

Wie geht Frankreichs Fußball mit Corona um?

Wie in Deutschland. Viele sind geimpft. Wir tragen Masken.

Gibt es zwischen dem Torwart und dem Menschen Alexander Nübel Unterschiede in Auftreten und Charakter?

Die Leute, die mich kennen, sagen, dass ich da ziemlich gleichbleibe, auf dem Feld eventuell etwas emotionaler bin, wenn es zur Sache geht, aber nicht übertrieben, wie es andere Tormänner handhaben oder gehandhabt haben. Ich bin immer relativ ruhig und versuche, meine Souveränität auszustrahlen. Auch neben dem Platz bin ich ein ruhiger Typ und gelassen.

Beim FC Bayern gibt es keine 95 oder 98, sondern nur 100 oder mehr Prozent. Und zwar in jedem Training.

Alexander Nübel

Sie bezeichneten das Bayern-Jahr als Fortschritt. Wo haben Sie sich als Torwart weiterentwickelt?

Fußballerisch, weil ich auf einem Niveau angekommen bin, das Weltspitze ist. Menschlich allerdings am meisten, weil ich für mein Verhalten auf dem Platz viel mehr Sicherheit gewonnen habe.

Haben Sie dieses Mia-san-mia-Erfolgsdenken der Bayern verinnerlicht?

Diese Siegermentalität, die man von jedem Einzelnen bekommt, ist phänomenal. Diese Qualität habe ich auch nach Monaco mitgenommen. Beim FC Bayern gibt es keine 95 oder 98, sondern nur 100 oder mehr Prozent. Und zwar in jedem Training. Sonst gibt es Ansagen von Joshua Kimmich oder Leon Goretzka und dann spurst du im nächsten Training.

Manuel Neuer, Alexander Nübel

"Dahin will ich auch": Alexander Nübel (re.) über Manuel Neuer. Getty Images

Was haben Sie von Neuer gelernt?

Viel. Seine ganzen Bewegungen; sein enormes Spielverständnis; sein Erkennen der Situation; sein Zusammenspiel mit den Verteidigern. Ich habe verglichen, wie er auf Aktionen im Training reagiert und wie ich mich da verhalte - was ich da mitnehmen konnte.

Haben Sie von ihm mehr Bereitschaft, auf Spiele zu verzichten, erwartet?

Als Torwart willst du immer spielen. Und darüber entscheidet der Trainer. Kein Torwart gibt freiwillig Spiele ab. Deshalb habe ich nicht damit gerechnet, dass er es tut.

Hansi Flick hält viel von Ihnen. Wie hat er Ihnen seine Entscheidung pro Neuer und kontra Nübel vermittelt?

Er sagte, ich hätte gut trainiert. Aber Neuer war besser, deshalb ließ er ihn spielen. Das habe ich akzeptiert.

Waren diese Erklärungen für Sie nachvollziehbar?

Man lässt immer den Besseren spielen.

Aber da war diese Zusage für zehn Pflichtspiele.

Vertragsinhalte sind Vertrauenssache. Ich sollte eine gewisse Anzahl an Spielen bekommen, die ich nicht bekommen habe.

Was haben Sie aus dieser Erfahrung für Ihr weiteres Profileben gelernt?

Dass sich manche Dinge anders entwickeln als besprochen und ich das hinnehmen muss. Was ich nicht beeinflussen kann, bewerte ich nicht. Der Trainer oder die Vereinsverantwortlichen entscheiden letztlich darüber, ob man spielt und was man verdient.

Muss sich ein Profi zu dieser gleichmütigen Haltung zwingen, weil er sonst in diesem Geschäft scheitern muss?

Diese Haltung hat nicht jeder. Aber für mich ist Fußball nicht alles im Leben. Es bleibt nach der Karriere noch ganz viel Zeit, dann spielt Fußball keine Rolle mehr und darauf freue ich mich. Der Fußball ist eine eigene Welt.

Aber Sie leben zurzeit gerne in dieser Fußballwelt?

Ich nehme diese Vorzüge gerne an und freue mich jeden Tag. Trotzdem werden viele Sachen im Fußball dramatisiert, was ich falsch finde.

Es gab bei Ihrem Wechsel nach München viele warnende Stimmen. Hatten diese Bedenkenträger recht?

Keiner dieser so genannten Experten kennt mich persönlich, um zu wissen, was ich will. Für mich war der Wechsel nach München ein sinnvoller Schritt, sonst hätte ich ihn nicht getan.

Was Manuel Neuer über 2023 hinaus macht, darauf werde ich reagieren, wenn es so weit ist.

Alexander Nübel

Würden Sie alles noch einmal so machen?

Ja, ich würde alles noch einmal so machen.

Hatten Sie schon Kontakt zum neuen Bayern-Trainer Julian Nagelsmann?

Ja.

Freuen Sie sich schon auf die Zusammenarbeit mit ihm?

Er ist ein sehr guter Trainer und angenehmer Mensch, der sehr kommunikativ ist. Klar freue ich mich auf die Rückkehr zum FC Bayern.

Eine Verlängerung des Neuer-Vertrags über 2023 hinaus wird beim FC Bayern nicht ausgeschlossen. Müssen Sie Ihre Zukunft in München weiter hinausschieben? Oder können Sie sich Ihre Karriere ohne Bayern München vorstellen?

Was ich mir nicht mehr vorstellen kann, ist zurückzukommen und nicht mehr Spiele zu bekommen. Das schließe ich aus. Was Manu über 2023 hinaus macht, darauf werde ich reagieren, wenn es so weit ist. Mein jetziger Fokus ist auf Monaco gerichtet. Ich will mit dem Klub wieder in den internationalen Wettbewerb.

Sie kehren also nur zum FC Bayern zurück, wenn Sie die Nummer 1 werden?

Als Marc-André ter Stegen 2014 zum FC Barcelona kam und Claudio Bravo da war, wer war da erster Torwart?

Sie wechselten sich ab: Bravo spielte in der Liga, ter Stegen in der Champions League und im Pokal.

Damit ist die Frage beantwortet.

Alexander Nübel

"Ich weiß nicht, was nach 2023 passieren wird": Alexander Nübel über seine Pläne nach der Monaco-Leihe. imago images/Mandoga Media

Mit einem solchen Modell könnten Sie leben?

Ich hätte dann auf jeden Fall mehr als vier Spiele. Es gibt mehrere Modelle. Etwas anderes, als auf mehr Spiele zu kommen, kommt für mich aber sicher nicht mehr infrage.

Muss es unbedingt eine Rückkehr zum FC Bayern sein?

So ist der Plan. Mein Vertrag läuft bis 2025.

Die auf zwei Jahre vereinbarte Ausleihzeit nach Monaco könnte schon nach einer Saison enden. Wie ist die aktuelle Perspektive?

Ich gehe von zwei Jahren aus. Ich sehe nichts anderes und der FC Bayern auch nicht.

Die Führung in Monaco hat große Pläne. Ist die AS für Sie nur Mittel zum Zweck, Bayern-Keeper Nummer 1 zu werden? Oder können Sie sich Monaco länger vorstellen?

Ich weiß nicht, was nach 2023 passieren wird. Aber ich hoffe, dass ich dann der Torwart bin, der ich sein will. Anderthalb Jahre sind im Fußball eine lange Zeit.

Sie haben 17 Einsätze in der U 21. Sieht Ihre Karriereplanung noch immer vor, als Stammkeeper des FC Bayern die Nummer 1 in der Nationalmannschaft zu werden?

Natürlich ist es das Ziel, irgendwann für die A-Mannschaft zu spielen.

Haben Sie noch eine Mini-Hoffnung auf die WM 2022?

Damit habe ich mich bisher keine Sekunde beschäftigt.

Ihr Teamkollege Kevin Volland dachte sicher auch nicht an diese Chance.

Am Montag vergangener Woche saßen wir noch zusammen und am Dienstag schrieb er mir, er sei auf dem Weg zur Nationalmannschaft. Das war schon verblüffend.

Interview: Karlheinz Wild